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Die fossile Industrie ist in der Offensive, während die Regierungen ihre ohnehin unzureichenden Klimaschutzprogramme zurückfahren. Geopolitische Spannungen nehmen zu, und es werden erneut Kriege geführt, die auf die Eroberung von Ländern und die Zerstörung ganzer Gesellschaften abzielen. Nationalkonservative und faschistische Bewegungen gewinnen an Masseneinfluss, während linke Parteien ihre klimapolitischen Forderungen weiter abschwächen. Der Klimabewegung gelingt es nicht mehr Impulse zu setzen. Doch die Erderwärmung schreitet ungebremst voran, und das Erdsystem verändert sich so drastisch, dass in wenigen Jahrzehnten große Teile der Erde unbewohnbar sein werden. Ein ‚grüner Kapitalismus‘ erweist sich ebenso als Illusion wie eine sozialökologische Transformation unter kapitalistischen Bedingungen. Umso dringender ist es, eine radikale ökosozialistische Kraft aufzubauen. Daran wollen wir arbeiten. Doch wie kann das unter den aktuellen Bedingungen überhaupt gelingen? Gemeinsam wollen wir darüber diskutieren und laden euch alle zu unserem ökosozialistischen Treffen vom 15. bis 17. November in Nürnberg ein.
Wann: 15-17. November 2024
Wo: in Nürnberg im Kulturzentrum KUNO, Wurzelbauerstr. 29
Programm
Organisatorisches:
Wir organisieren günstige Übernachtungen in der nahegelegenen Jugendherberge. Um das Seminar vorzubereiten und durchzuführen, sind wir darauf angewiesen, dass ihr euch bis 3. November mit diesem Online-Formular verbindlich anmeldet. Bei der Anmeldung bitte den Bedarf an Schlafplätzen ankreuzen.
Warum dieses Seminar?
Die ökologische Modernisierung ist gescheitert. Einen grünen Kapitalismus gibt es nicht und kann es nicht geben. Die kapitalistische Produktionsweise ist und bleibt fossil. Der Aufstieg nationalpopulistischer, nationalkonservativer und faschistischer Kräfte in ganz Europa ist auch das Resultat des Scheiterns der grünen Modernisierung, die viele Menschen als Bedrohung ihres Lebensstils und Lebensstandards wahrnehmen. Dazu lösen Kriege und Konflikte Verunsicherung aus. Die Regierungen, seien sie modernistisch sozialdemokratisch-grün, liberal, konservativ oder gar reaktionär, stellen sich allesamt in den Dienst der mächtigen Konzerne. Die gesellschaftlichen Ungleichheiten nehmen weiter zu und die weltweite Rivalität der imperialistischen Mächte um Ressourcen, Märkte und Einflusszonen verschärft sich; sogar große Kriege sind wieder möglich.
Das fossile Kapital ist zuversichtlich, auch längerfristig profitabel zu wirtschaften. Die Investitionen in die Erschließung und Förderung von Öl und Gas sind wieder angestiegen. Die Regierungen unterstützen diesen fossilen Backlash. Gleichzeitig geraten wichtige Sektoren der fossilen Wirtschaft wie beispielsweise die deutsche Automobilindustrie in die Krise. Der Volkswagenkonzern kündigt Werkschließungen sowie einen Frontalangriff gegen die eigenen Beschäftigten an, auch Umweltstandards sollen weiter gesenkt werden. Viel wird davon abhängen, ob die Arbeiter:innen ihrem Widerstand auch einen ökologischen Gehalt verleihen können, was zwingend den kompletten Um- und Rückbau der Automobilindustrie beinhalten muss.
Reformorientierte Kräfte, die eine sozialökologische Transformation des Kapitalismus anstreben, sind auf dem Rückzug. Die anstehende Erneuerung der Linken fand ansatzweise statt. Die Gewerkschaften ordnen sich dem Standortwettbewerb unter und meinen damit den Lebensstandard der heimischen Lohnabhängigen verteidigen zu können. Was vordergründig naheliegend erscheint, wird sich schon bald als brutale Illusion erweisen. Denn die Wirkungen der Erderhitzung zeigen sich immer offensichtlicher. Extremwetterlagen entfalten ihr Zerstörungspotential. In wenigen Jahrzehnten werden große Teile der Erde nicht mehr bewohnbar sein. Die Menschen werden versuchen, sich anderswo in Sicherheit zu bringen.
Nicht nur der Kapitalismus ist in der Krise. Schmerzhafter ist die Krise der Alternativen. Große Teile der Linken haben sich vom Grundsatz verabschiedet, immer und überall den Unterdrückten und Ausgebeuteten beizustehen. Stattdessen teilen sie die Welt in geopolitische Blöcke. Doch die Erstarkung autoritärer, gegen die USA und EU gerichteter Mächte macht die Welt weder demokratischer noch sozialer. Ökosozialistische Kräfte haben es nirgendwo geschafft, relevanten gesellschaftlichen Einfluss zu gewinnen. Wir stehen also vor grundlegenden Herausforderungen. Wie können wir strategische Hypothesen für die kommende Zeit entwickeln? Müssen wir uns hierzu von überlieferten Konzepten und Vorstellungen verabschieden?
Zugleich haben sich in den letzten Jahren zahlreiche interessante Organisierungsansätze entwickelt. In Deutschland machten Hunderte von Aktivist:innen mit der Kampagne „Wir fahren zusammen“ wertvolle Erfahrungen. In verschiedenen Ländern haben Arbeiter:innen begonnen, sich für einen sozialökologischen Umbau ihrer Betriebe einzusetzen. Die Arbeiter:innen von GKN in Florenz weisen mit ihrer Hartnäckigkeit den Weg. In Frankreich hat die Umweltbewegung zusammen mit Gewerkschaften einen großen Flughafen verhindert. Erfahrungen wie diese gibt es bislang allerdings nur vereinzelt. Eine Strategie zur Entmachtung des fossilen Kapitals ist nicht in Sicht. In den deutschsprachigen Ländern sind wir noch weit entfernt von einem gemeinsamen Organisierungsprozess revolutionärer Ökosozialist:innen. Dieser ist aber dringend nötig.
Wir orientieren uns an der Selbstemanzipation der arbeitenden Klassen. Ein ökosozialistischer Umbau der Gesellschaft ist nur möglich, wenn sich die Lohnabhängigen selbst ermächtigen und die demokratische Kontrolle über Produktion und Reproduktion, also die gesamte gesellschaftliche Infrastruktur übernehmen.
Wir setzen uns für eine globale ökosozialistische Orientierung ein. Die planetaren Grenzen sind zu respektieren, darum ist eine Reduktion des Material- und Energieverbrauchs nötig.
Gegen das verbreitete geopolitische Blockdenken vertreten wir einen universellen Antiimperialismus von unten. Darum solidarisieren wir uns mit dem Widerstand der Gewerkschafter:innen, Feminist:innen, Umweltaktivist:innen, Sozialist:innen und Anarchist:innen in der Ukraine gegen die russischen Besatzungstruppen ebenso wie mit den Menschen in Palästina-Israel, die sich für eine Gesellschaft (in einem oder mehreren Staaten) ohne jede nationale, religiöse, geschlechtsspezifische und gesellschaftliche Diskriminierung einsetzen.
Mit unserem Seminar wollen wir einen Verständigungs- und Organisierungsprozess anstoßen. Wir laden Euch zum Treffen im Kulturzentrum KUNO in Nürnberg ein,
- weil wir mit den Menschen persönlich in Kontakt treten wollen, die wir bei unseren zahlreichen Online-Veranstaltungen in den letzten beiden Jahren ansprechen konnten;
- weil wir einen konkreten und verbindlichen Austausch über programmatische Grundlagen und strategische Orientierung sowie einen Organisierungsprozess für den Aufbau einer revolutionären ökosozialistischen Strömung initiieren wollen.
Wir möchten gemeinsam mit euch über programmatische Grundlagen und strategische Herausforderungen in den deutschsprachigen Ländern – allerdings im europäischen und globalen Kontext – diskutieren. Wir wollen uns mit euch darüber austauschen, welche organisatorischen Optionen möglich sind.
Leseempfehlungen
Die hier aufgelisteten Texte regen zur programmatischen und strategischen Diskussion an. Beteiligt Euch an der Diskussion. Gerne fügen wir weitere spannenden Texte hinzu. Sendet uns Eure Diskussionsbeiträge oder die Links zu anderen spannenden Texten.
320 Unterzeichner:innen (2024): Ukraine: A People’s Peace, not an Imperial Peace, Internationale Erklärung, 6. Juni, 2024
Anticapitalist Resistance (2024): Ecosocialist Revolution: a Manifesto, 22 June, Anticapitalist Resistance: England & Wales, 50 S.
Becker, Matthias und Klas, Gerhard (2024): Wolfsburg ist VW – VW ist Wolfsburg. Doch der Autokonzern ist in der Krise, das E-Auto schwächelt. Was, wenn der Konzern ganz andere Wege ginge? Hörenswertes Feature “Von VW-Arbeitern, die keine Autos mehr bauen wollen” Von VW-Arbeitern, die keine Autos mehr bauen wollen (hoerspielundfeature.de)
Manuskript: manuskript-verkehrswende-in-der-autostadt-100.pdf (deutschlandfunk.de)
Budraitskis, Ilya (2022): Putinismus: Eine neue Form von Faschismus. emanzipation 6.2, Dezember 2022, S. 73–93
Ebermann, Thomas und Trampert, Rainer (1984): Die Zukunft der Grünen. Ein realistisches Konzept für eine radikale Partei. Hamburg: Konkret Literatur Verlag, 288 S.
Interventionistische Linke (2024): Gegenmacht aufbauen, Gelegenheiten ergreifen, IL im Umbruch. Zwischenstandspapier #2, 56 S.
Pierre Rousset / Jaime Pastor (2024): Globale Krisen, Konflikte und Kriege: Welcher Internationalismus für das 21. Jahrhundert? emanzipation https://emanzipation.org/2024/05/globale-krisen-konflikte-und-kriege-welcher-internationalismus-fuer-das-21-jahrhundert/
Rackete, Carola (2024): „Links sein bedeutet, auf der Seite der Unterdrückten zu stehen“ Interview von Marco Bresolini mit Carola Rackete, 1. Oktober 2024 https://emanzipation.org/2024/10/links-sein-bedeutet-auf-der-seite-der-unterdrueckten-zu-stehen/
Vierte Internationale (2019): Die kapitalistische Zerstörung der Umwelt und die ökosozialistische Alternative“, Resolution des 17. Weltkongresses der Vierten Internationale. Köln: Internationale Sozialistische Organisation (IS0), Sozialistische Alternative (SOAL), 40 S.
Vierte Internationale (2023): In Solidarität mit den Kämpfen der Völker gegen den ungezügelten Imperialismus, für die Befreiung der Völker und die Rettung der Umwelt. 25. Oktober 2023
Vierte Internationale (2024): Mit dem kapitalistischen Wachstum brechen, für eine ökosozialistische Alternative. Manifest des revolutionären Marxismus im Zeitalter kapitalistischer Zerstörung von Umwelt und Gesellschaft; Entwurf für den 18. Weltkongress der Vierten Internationale, Vierte Internationale, 52 S.
Vierte Internationale (2024): Von unten gegen die multiplen Krisen. Entschließungsentwurf. Die Internationale 4/2024, S. 3–14.
Zeller, Christian (2023): Ökosozialistische Strategie statt Green New Deal In: J. B. Foster; M. Löwy; J. Spear; D. Tanuro und C. Zeller (Hrsg.): Ökosozialismus. Positionen des klassischen Marxismus, Debatten heute. Karlsruhe: Neuer ISP Verlag. S. 91– 144.
Zeller, Christian (2023): Fossile Gegenoffensive – Grüner Kapitalismus ist nicht in Sicht. emanzipation 7 (2), S. 121–252
Zeller, Christian (2024): Frieden in der Ukraine und ökosozialistische Perspektiven in Europa. emanzipation 25. Juli 2024
Zeller, Christian (2024): Eine kontinentale Gegenmacht gegen das fossile Kapital aufbauen. emanzipation 8 (2), S. 1–32, 9. Oktober 2024
Webseiten:
VW für alle: https://vw-fuer-alle.de/
Verkehrswendestadt: https://verkehrswendestadt.de/
Mobilität für Alle – Konferenz in 22.–24. November 2024 in Stuttgart
Klima&Klasse: https://klimaundklasse.wordpress.com/