Share This Article
Das Jahr 2024 war ein hartes Jahr für die Branche der carbon credits (Emissionsgutschriften). Jede Woche schien ein neuer Skandal aufzutauchen:[1] BBC-Recherchen zu carbon-credit-Projekten US-amerikanischer Tierschutzorganisationen brachten sexuelle Gewalt in Kenia und übertriebene Behauptungen über Abholzungsraten in Kambodscha zutage. [2] Die Washington Post deckte auf, dass Entwickler:innen von Emissionsgutschriften in Brasilien illegal über 20 Millionen Hektar öffentliches Land an sich gerissen hatten, und das ZDF entlarvte „einen der größten Betrugsfälle in der deutschen Erdölindustrie“, bei dem Ölkonzerne Kohlenstoffprojekte in China nutzten, die „nur auf dem Papier existieren“, um ihre Emissionsziele zu erreichen.[3]
Der vielleicht peinlichste Skandal für die Branche war, als einer ihrer führenden Köpfe, Ken Newcombe, der ehemalige CEO des Entwicklers von entsprechenden Projekten, C-Quest Capital LLC, von der US-Staatsanwaltschaft wegen Betrugs angeklagt wurde, weil er angeblich Millionen von gefälschten Emissionsgutschriften aus einem Projekt für Kochherde in Malawi ausgestellt hatte.[4]
Das Jahr 2025 könnte noch schlimmer werden. Shell steht unter Beschuss, weil es „Phantomgutschriften“ aus Reisprojekten in China verwendet hat, um sein Erdgas als „kohlenstoffneutral“ zu bezeichnen, und ein kenianisches Gericht hat entschieden, dass Naturschutzgebiete, die für den Verkauf von Emissionsgutschriften an Meta, Netflix und British Airways genutzt werden, keine rechtliche Grundlage haben.[5] Gegen einen Entwickler von Emissionsgutschriften, der unter dem Motto „Clean rich is the new filthy rich“ Emissionsgutschriften an Hollywood-Stars und US-Milliardär:innen verkauft hat, ermitteln jetzt das US-Justizministerium und die Börsenaufsichtsbehörde.[6]
Diese Flut an Skandalen hat das Interesse der Unternehmen an Emissionsgutschriften noch nicht zum Erliegen gebracht. In manchen Kreisen ist dieses Interesse sogar noch größer geworden. Da viele der Skandale im Zusammenhang mit Klimaschutzprojekten stehen, die auf „vermiedenen Emissionen“ beruhen (wie z. B. dem Schutz des Regenwaldes), sind viele Unternehmen auf Projekte umgestiegen, die vorgeben, Kohlenstoff zu entfernen und ihn in Böden oder Bäumen zu speichern. Im Jahr 2024 dokumentierte GRAIN, wie dies zu einem neuen Ansturm auf Land für Projekte führt, bei denen Bäume und andere Pflanzen angebaut werden, um Kohlenstoffgutschriften zu erzeugen.[7] Zwischen 2016 und 2024 wurden über 9 Millionen Hektar Land für diese Projekte beschlagnahmt. Die überwiegende Mehrheit davon befindet sich im globalen Süden, und viele von ihnen wurden mit Skandalen und Schäden für die lokale Bevölkerung in Verbindung gebracht.[8]
Jetzt öffnen sich die Schleusen für eine andere Art von carbon-credit-Projekten, die als Carbon Farming bezeichnet werden. Diese Projekte behaupten, Kohlenstoff in den Böden zu binden, indem sie die Landwirt:innen dazu bringen, Praktiken wie Direktsaat oder Zwischenfrüchte und vielfältige Fruchtfolgen anzuwenden, die angeblich den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden erhöhen. Die Bemühungen um die Entwicklung dieser Projekte reichen mindestens ein Jahrzehnt zurück, aber der Markt für Carbon Farming-Gutschriften hat sich nur langsam entwickelt.[9] Ende 2022 stammten nur 0,02 % der 1,7 Milliarden Gutschriften, die auf den freiwilligen Kohlenstoffmärkten ausgegeben wurden, aus Carbon Farming-Projekten.[10] Aber unter der Führung mächtiger Konzerne im Lebensmittelsystem wird sich dies wahrscheinlich ändern.
Auf wackligem Boden
Inzwischen gibt es Dutzende von Unternehmen, die Landwirt:innen für solche Kohlenstoffprogramme anmelden. Die meisten von ihnen zielen auf die Großbetriebe in Nordamerika, Europa und Brasilien ab, aber es gibt auch einige Initiativen, die sich auf kleinere Betriebe konzentrieren, wie z. B. die der niederländischen Nichtregierungsorganisation Solidaridad, die Kleinbauern und -bäuerinnen im globalen Süden anwirbt, die Baumwolle, Kakao und andere Rohstoffe für Unternehmen produzieren.[11] (Siehe Tabelle unten: Corporate Carbon Farming Programme)

Die meisten Carbon-farming-Programme werden entweder von Agrar- und Lebensmittelkonzernen selbst betrieben oder die Unternehmen sind Partnerinnen der Projekte. Für Saatgut-, Düngemittel- und Pestizidunternehmen wie Yara oder Bayer sind die Programme eine Möglichkeit, Landwirt:innen auf ihre digitalen Plattformen zu locken, wo sie sie dazu bringen können, mehr ihrer Produkte zu kaufen.[12] Lebensmittelunternehmen wie Cargill, ADM und Mars sehen im Carbon Farming eine Möglichkeit, mit den übermäßigen Emissionen in ihren Lieferketten, den sogenannten „Scope 3“-Emissionen, fertig zu werden. Durch diese Programme können sie die Kohlenstoffmenge, die Landwirt:innen in ihren Böden binden, quantifizieren und auf ihre Scope-3-Emissionen anrechnen. Die Unternehmen nennen dies „Insets“, um sie von Kohlenstoffgutschriften zu unterscheiden, die außerhalb ihrer Lieferketten erzeugt werden. Die Unternehmen stürzen sich Hals über Kopf in das Carbon Farming, obwohl die wissenschaftliche Grundlage dafür umstritten ist.[13] Das beginnt schon bei der grundlegenden Annahme, dass eine Tonne Kohlenstoff, die der Atmosphäre entzogen und in organischen Kohlenstoff im Boden umgewandelt wird, einer Tonne Kohlenstoff entspricht, die durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre gelangt, oder anders gesagt, dass eine Tonne „gebundener“ Kohlenstoff eine Tonne Emissionen ausgleicht. Dies ist falsch. Eine Tonne fossiler Brennstoffe, die im Boden verbleibt, ist leicht quantifizierbar und dauerhaft, während eine Tonne Kohlenstoff, die im Ackerland gebunden ist, kaum genau zu messen und sehr unbeständig ist, insbesondere in einer Welt im Klimachaos.
In einem wissenschaftlichen Artikel, der im November 2024 in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, heißt es, dass Projekte zur Kohlenstoffbindung mindestens 1000 Jahre lang Kohlenstoff speichern müssten, um die Emissionen aus fossilen Brennstoffen wirksam zu „neutralisieren“[14], während die heutigen Programme der Unternehmen nur Garantien von maximal 40 Jahren verlangen, wobei viele nur 10 Jahre oder weniger laufen.[15]
Wissenschaftler:innen weisen auch darauf hin, dass der Boden eine Kohlenstoffsättigungsrate hat. Es gibt eine Grenze dafür, wie viel Kohlenstoff dem Boden hinzugefügt werden kann, und die Geschwindigkeit, mit der er hinzugefügt werden kann, nimmt ab, wenn die Grenze erreicht ist. Die „Nettoemissionen“ eines landwirtschaftlichen Betriebs (Emissionen minus Kohlenstoffbindung) könnten während der Laufzeit eines Carbon-Farming-Projekts durchaus abnehmen, aber sie steigen wieder an, wenn sich der Betrieb der Sättigungsrate nähert, was in den Carbon-Farming-Programmen nicht berücksichtigt wird. Würde die Sättigungsrate berücksichtigt, so schätzen Wissenschaftler:innen, würde der Abbau durch Carbon Farming nur 1 % der jährlichen globalen Treibhausgasemissionen ausmachen.[16] Dies ist nur ein verschwindend geringer Anteil an den massiven Gesamtemissionen des Agrar- und Lebensmittelsystems, die mehr als ein Drittel der jährlichen globalen Treibhausgasemissionen ausmachen.[17]
Trotz dieser Kontroverse haben sich die Zertifizierer:innen von Emissionsgutschriften das Carbon Farming zu eigen gemacht und arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung von Standards und Zertifizierungsprotokollen. Führende Zertifizierungsunternehmen wie Gold Standard und Verra verfügen inzwischen über Standards für entsprechende Programme und internationale Protokolle für die Einbindung in die Lieferketten[18].
Den ganzen Ruhm einheimsen
Im Januar 2025 wurde die dänische Agreena als erstes „landwirtschaftliches Großprojekt“ nach der neuen Carbon Farming-Methode von Verra registriert. „Dies ist ein entscheidender Moment für die Bewegung der regenerativen Landwirtschaft und für die Lenkung der dringend benötigten Kohlenstofffinanzierung an die Landwirte“, sagte der Geschäftsführer von Agreena, Simon Haldrup.[19]
Aber die „Landwirte“, die mit Haldrups Unternehmen zusammenarbeiten, kann man kaum als diejenigen bezeichnen, die eine Finanzierung über solche Programme benötigen. Agreena arbeitet in erster Linie mit Großbetrieben in Europa zusammen, und fast die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen im Rahmen des zertifizierten Projekts gehört Staatsfonds aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.[20]
Saudi-Arabiens gigantischer Staatsfonds Public Investment Fund (PIF), dem auch ein großer Teil der nationalen Ölgesellschaft Saudi Aramco gehört, kontrolliert über seine Lebensmittel- und Landwirtschaftsabteilung SALIC rund 200 000 Hektar Ackerland in der Ukraine. SALIC hat nach eigenen Angaben 156.000 ha in das von Agreena initiierte und von Verra zertifizierte Carbon Farming-Projekt aufgenommen.[21] Der Staatsfonds von Abu Dhabi, ADQ, der ebenfalls stark mit Öl und Gas verflochten ist, hat vor kurzem eine 55.000 ha große Farm in Rumänien erworben, die Berichten zufolge die größte Farm in Europa ist.[22] Diese Farm ist ebenfalls Teil des Carbon Farming-Projekts von Agreena.[23]
SALIC bemüht sich auch um Emissionsgutschriften aus der Rinderzucht in Brasilien. Seine Tochtergesellschaft Minerva, eine der größten Fleischproduzentinnen der Welt und berüchtigt für seine Verbindungen zu Abholzung und Landraub im Amazonasgebiet, hat vor kurzem ein Carbon-Farming-Programm namens MyCarbon gestartet, das Kohlenstoffgutschriften erzeugt, indem es den Kohlenstoffgehalt im Boden degradierter Weiden erhöht. [24] Zu den Partnerinnen gehören der norwegische Düngerriese Yara, der die teilnehmenden Landwirt:innen dazu bringen wird, chemische Düngemittel auf ihren Weiden auszubringen (was in Brasilien nur selten geschieht), und der US-amerikanische Pestizidhersteller Brandt, der seine neue Reihe biologischer Pestizide über das Programm verkaufen wird[25].
Minerva, das sein exportiertes Rindfleisch als „kohlenstoffneutral“ vermarktet, hat bereits damit begonnen, Emissionsgutschriften aus seinen Programmen auf dem freiwilligen saudi-arabischen Kohlenstoffmarkt (der ebenfalls dem PIF gehört) und an der neuen Kohlenstoffbörse in Dubai zu verkaufen[26]. Der Großteil der Gutschriften wurde bisher von Saudi Aramco erworben.[27]
Dies ist nur die Spitze des Eisbergs für Saudi-Arabien und Brasilien. Etwa zur gleichen Zeit, als Saudi Aramco die Emissionsgutschriften von Minerva aufkaufte, nahmen die brasilianische und die saudische Regierung Verhandlungen über einen 120 Milliarden US-Dollar schweren Plan auf, der unter dem Namen PNCPD bekannt ist und mit dem 40 Millionen Hektar Weideland zurückgewonnen und umgewandelt werden sollen, um die brasilianische Nahrungsmittelproduktion zu verdoppeln.[28] Dieses massive Carbon-Farming-Programm, bei dem SALIC der führende Akteur des Privatsektors ist, soll durch eine Mischung aus Emissionsgutschriften, Darlehen und ausländischen Investitionen finanziert werden. Saudi-Arabien erhält dadurch mehr Rindfleisch und Kohlenstoffkompensationen für seine Ölgesellschaften, während Brasilien die Mittel erhält, um die Exportproduktion von Rindfleisch und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu steigern. Für das Klima bedeutet die massive Umwandlung von Weideflächen in Sojaplantagen und andere Nutzpflanzen nur mehr Emissionen und mehr Abholzung[29].
Minerva setzt den Plan bereits in die Tat um. Im Rahmen einer Partnerschaft mit der Banco do Brasil und zwei führenden digitalen Landwirtschaftsunternehmen führt MyCarbon von Minerva ein PNCPD-Programm ein, das Rinderzüchter:innen günstige Kredite für die „Modernisierung“ ihrer Farmen und die Generierung von Kohlenstoffgutschriften gewährt.[30]
Heiße Luft kühlt den Planeten nicht
Mehr Rindfleisch, Düngemittel und Pestizide werden uns nicht vor der Klimakrise retten. Carbon Farming wird als Mittel zur Verringerung der Emissionen im Agrar- und Lebensmittelsystem angepriesen, aber in Wirklichkeit wird es von Minerva und anderen Konzernen als Kompensation in ganz anderen Sektoren genutzt.
Am deutlichsten wird dies bei der Verwendung von Emissionsgutschriften aus Carbon-Farming-Programmen zum Ausgleich der Emissionen fossiler Brennstoffe von Unternehmen wie Saudi Aramco, aber es gilt auch für die „Insetting“-Programme, die viele Lebensmittelkonzerne verfolgen. Insets sind eine Möglichkeit für Unternehmen mit sich überschneidenden Lieferketten, sich zusammenzuschließen, die Kosten zu teilen und gemeinsam eine Reduzierung der Scope-3-Emissionen zu fordern. Aus diesem Grund gibt es so viele Carbon-Farming-Kooperationen, die zwischen Getreideunternehmen wie ADM und Cargill und Lebensmittelverarbeitern wie PepsiCo und Nestlé entstehen. Diese Programme werden oft als „regenerative Landwirtschaft“ bezeichnet und sollen nicht nur Kohlenstoff binden, sondern auch Emissionen und andere Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft auf die Umwelt verringern. (Siehe Kasten: Tomate, tomahto?)
In der Praxis räumt die Industrie jedoch ein, dass es bei diesen Programmen hauptsächlich um die kurzfristige „Entfernung“ von Kohlenstoff geht (d. h. die Bindung von Kohlenstoff im Boden),[31] denn die Bindung von Kohlenstoff kann als Ergebnis einiger geringfügiger Änderungen in der Produktion geltend gemacht werden, z. B. das Besprühen von Feldern mit Glyphosat (RoundUp) anstelle des Pflügens oder der Anbau von Bodendeckern in der Fruchtfolge. Die Beseitigung oder deutliche Verringerung der Emissionen erfordert hingegen einen schrittweisen Verzicht auf den Einsatz von Chemikalien und die Umstellung der Produktion auf lokale Märkte und einen moderaten Fleisch- und Milchkonsum; alles Dinge, die keiner der großen Lebensmittelkonzerne in Erwägung ziehen will oder gar kann.
Man sollte sich nicht davon täuschen lassen, dass die Konzerne Carbon-Farming-Programme verfolgen, um, wie es der Geschäftsführer von Agreena ausdrückt, „dringend benötigte Finanzmittel an die Landwirte zu lenken“. Eine Studie über Carbon-Farming-Programme in den indischen Bundesstaaten Haryana und Madhya Pradesh ergab, dass Landwirtinnen und Landwirte aus marginalisierten Kasten von diesen Programmen ausgeschlossen wurden. Aber die Ausgeschlossenen haben vielleicht Glück gehabt. Von den größeren Landwirt:innen, die an den Programmen teilnahmen, erhielten 99 % keine finanziellen Vorteile aus den Kohlenstoffgutschriften, und viele gaben an, dass ihre Erträge zurückgegangen seien. Es überrascht nicht, dass mehr als ein Viertel der Landwirt:innen nach dem zweiten Jahr aus den Programmen ausstieg[32].
Die Auswirkungen der Klimakrise auf das globale Ernährungssystem sind massiv. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um sowohl die Emissionen im Agrar- und Lebensmittelsystem zu senken als auch die Fruchtbarkeit der Böden wiederherzustellen, und wir müssen gleichzeitig die Lebensmittelproduktion und -verteilung so umgestalten, dass sie mit den immer schwerwiegenderen, durch die Klimakrise verursachten Störungen fertig wird. Es gibt viele Beispiele aus der ganzen Welt für Initiativen, die in diese Richtung gehen[33]. Aber in den Carbon-Farming-Programmen, die die Konzerne als Klimalösung anzupreisen versuchen, sehen wir ein weiteres Beispiel dafür, wie erbärmlich unfähig sie bei der Bewältigung dieser Herausforderung sind und wie dringend wir ihre Macht im Lebensmittelsystem brechen müssen.
Tomato, tomahto
Es gibt heftigen Widerstand gegen Unternehmen, die versuchen, Kohlenstoffgutschriften als Teil ihrer Emissionsreduktionsziele zu nutzen. Selbst das wichtigste Gremium für die Festlegung von Standards für Unternehmen, die Science Based Targets Initiative (SBTi), weigert sich trotz des enormen Drucks der Unternehmenslobbys, Unternehmen die Verwendung von Kohlenstoffgutschriften zum Ausgleich ihrer Emissionen zu gestatten.[34] Die Gründe dafür sind, wie SBTi einräumt, dass Kohlenstoffgutschriften nicht als gleichwertig mit Emissionsreduzierungen angesehen werden können (aus einer ganzen Reihe wissenschaftlicher und praktischer Gründe) und dass sie von Unternehmen wahrscheinlich dazu verwendet werden, tatsächliche Reduzierungen zu verzögern oder zu vermeiden.[35] Das bedeutet, dass ein Unternehmen wie Microsoft keinen SBTi-Stempel für seinen „Netto-Null“-Plan erhalten sollte, wenn dieses den Kauf von Kohlenstoffgutschriften aus Baumpflanzprojekten in Kenia zum Ausgleich der Emissionen seiner Rechenzentren zu nutzen versucht.
Seltsamerweise macht die SBTi eine Ausnahme für Emissionsgutschriften, die innerhalb der Lieferkette eines Unternehmens im Landwirtschaftssektor erzeugt werden und nur zum Ausgleich der Emissionen der Lieferkette des Unternehmens (Scope 3) verwendet werden.[36] Diese Ausgleiche werden oft als „Insets“ bezeichnet und werden hauptsächlich durch Carbon-Farming-Programme erzeugt, die angeblich Kohlenstoff im Boden binden. So kann Nestlé beispielsweise die Emissionen, die von landwirtschaftlichen Betrieben erzeugt werden, die Weizen für seine Kekse produzieren, mit den „Insets“ ausgleichen, die diese Betriebe (und andere Betriebe) im Rahmen der von Nestlé geförderten Carbon-Farming-Programme erzeugen. SBTi argumentiert, dass diese „Insets“ nicht mit „Offsets“ verwechselt werden sollten, da sie nur von Lebensmittelunternehmen verwendet werden können, um ihre Emissionsreduktionsziele innerhalb ihrer Lieferketten zu erreichen.
Aber Nestlés Ausgleichszahlungen für die Kohlenstoffbewirtschaftung werfen die gleichen Probleme auf wie Microsofts Ausgleichszahlungen für das Pflanzen von Bäumen. Beide basieren auf einer falschen Äquivalenz zwischen Kohlenstoffabbau und Emissionen, und beide werden von den Unternehmen eindeutig als Alternative zu echten Emissionsreduzierungen eingesetzt. Egal, wie man es nennt – Insetting oder Offsetting – es ist immer nur ein Mechanismus, der es Unternehmen ermöglicht, echte Emissionsreduzierungen durch fiktive Emissionsgutschriften zu ersetzen.
Tatsächlich drängen Nestlé und andere Mitglieder der Inset-Lobby jetzt auf Inset-Standards, die es Unternehmen erlauben würden, Kohlenstoffgutschriften von außerhalb ihrer Lieferketten (z. B. Baumpflanzungen in Kenia) zu verwenden, um bis zur Hälfte ihrer Emissionen in der Lieferkette auszugleichen, wenn Insets allein nicht ausreichen. [37]
Referenzen
Der Artikel wurde ursprünglich auf grain.org, 13.02.2025, publiziert. Deutsche Übersetzung: E. Gelinsky (Red. Emanzipation)
Bildquelle: Erstellt mit Canva Premium
[1] See the excellent archives by REDD-Monitor from a comprehensive account: https://reddmonitor.substack.com/
[2] “Big brands green claims uncovered,” BBC Panorama, May 2024: https://www.bbc.co.uk/programmes/m001zd68
[3] Terrence McCoy, “How ‘carbon cowboys’ are cashing in on protected Amazon forest,” Washington Post, July 2024: https://www.washingtonpost.com/world/interactive/2024/brazil-amazon-carbon-credit-offsets/; “Betrugsverdacht bei Klimaschutzprojekten,” ZDF, May 2024: https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/unternehmen/shell-rosneft-omv-betrug-verdacht-klimaschutz-100.html
[4] Patrick Greenfield, “Ex-carbon offsetting boss charged in New York with multimillion-dollar fraud,” The Guardian, October 2024: https://www.theguardian.com/environment/2024/oct/04/ex-carbon-offsetting-boss-kenneth-newcombe-charged-in-new-york-with-multimillion-dollar
[5] Beth Newhart, “Shell faces backlash after local farmers counter claims about controversial campaign: ‘We really cannot trust the industry'”, TCD, January 2025: https://www.thecooldown.com/green-business/shell-lng-carbon-neutral-liquid-natural-gas-promotion/; “Kenya: Landmark court ruling delivers devastating blow to flagship carbon offset project,” Survival International, January 2025: https://survivalinternational.org/news/14121
[6] Chris Lang, “Aspiration is under investigation by the Commodity Futures Trading Commission about the quality of its carbon offsets”, REDD-Monitor, January 2025: https://reddmonitor.substack.com/p/aspiration-is-under-investigation
[7] World Rainforest Movement, “A new destructive business: Carbon credits from tree plantations,” June 2024: https://www.wrm.org.uy/bulletins/issue-270
[8] GRAIN, “From land grabbers to carbon cowboys: a new scramble for community lands takes off,” September 2024: https://grain.org/e/7190
[9] GRAIN, “From land grab to soil grab – the new business of carbon farming,” February 2022: https://grain.org/e/6804
[10] Estimate is from BloombergNEF: https://about.bnef.com/blog/unlocking-agricultural-carbon-market-opportunities/
[11] Although it is not mentioned on their website (https://regenagri.org/), according to the UK company registry regenagri is wholly owned by Solidaridad. There are also many controversial carbon credit schemes targeting methane emissions from small rice farms in Asia that focus on reducing emissions, not sequestering carbon. See GRAIN, “Carbon rice farming: A license to pollute at the expense of small farmers,” July 2023:https://grain.org/e/7009
[12] GRAIN, “From land grab to soil grab – the new business of carbon farming,” February 2022: https://grain.org/e/6804
[13] FOE International, “Nature based solutions: The risks of soil carbon markets,” July 2023: https://www.foei.org/wp-content/uploads/2023/07/FoEI-NBS-factsheet3.pdf
[14] Cyril Brunner et al. “Durability of carbon dioxide removal is critical for Paris climate goals,” Communications Earth & Environment volume 5, Article number: 645, 2024: https://www.nature.com/articles/s43247-024-01808-7?utm_source=substack&utm_medium=email
[15] The voluntary carbon credit registry Verra requires 40 years: https://verra.org/program-notice/reminder-new-vcs-program-rules-and-requirements-related-to-afolu-non-permanence-risk-tool-effective-january-1-2024/ . For a more detailed discussion see GRAIN, “From land grab to soil grab – the new business of carbon farming,” February 2022: https://grain.org/e/6804
[16] Muhammad Junaid Nazir et al. Harnessing soil carbon sequestration to address climate change challenges in agriculture, Soil & Tillage Research 237, 2024: https://doi.org/10.1016/j.still.2023.105959; https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0016706122001173?pes=vor&utm_source=wiley&getft_integrator=wiley; https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/gcb.16570
[17] GRAIN, “New poster on food and the climate crisis,” April 2024: https://grain.org/en/article/7128-new-poster-on-food-and-the-climate-crisis
[18] See, for example, Gold Standard’s documentation: https://globalgoals.goldstandard.org/documents/methodology/15-agriculture/ and https://www.goldstandard.org/publications/scope-3-value-chain-interventions-guidance
[19] “Agreena achieves Verra registration landmark for soil carbon market,” Agreena, January 2025: https://agreena.com/news/press-release-agreena-achieves-verra-registration-landmark-for-soil-carbon-market/
[20] See the project description document on the Verra Registry: https://registry.verra.org/app/projectDetail/VCS/4022
[21] “Amid war, Ukrainian firm readies to sell first soil credits,” QCI, July 2023: https://www.farmlandgrab.org/post/31671-amid-war-ukrainian-firm-readies-to-sell-first-soil-credits
[22] For more on Al Dahra and the ADQ’s involvement in agriculture, see GRAIN, “From land to logistics: UAE’s growing power in the global food system,” July 2024: https://grain.org/e/7170
[23] “Al Dahra and Agreena announce carbon farming project on the EU’s largest arable farm at COP28,” Agreena, December 2023: https://agreena.com/news/al-dahra-partnership/
[24] SALIC owns 32% of Minerva. For details on Minerva’s involvement in deforestation and land grabbing see, Bruna Bronoski, “Segundo maior frigorífico brasileiro lucra na Bolsa com lavagem de gado, desmatamento ilegal e pressão sobre terra indígena,” O Joio e o Trigo, January 2025: https://ojoioeotrigo.com.br/2025/01/segundo-maior-frigorifico-brasileiro-lucra-na-bolsa-com-lavagem-de-gado-desmatamento-ilegal-e-pressao-sobre-terra-indigena/
[25] Alassandra Mello, “Yara fecha parceria com My Carbon, da Minerva,” AgFeed, April 2024: https://agfeed.com.br/esg/yara-fecha-parceria-com-my-carbon-da-minerva-para-recuperar-areas-degradadas/#; “BRANDT, MyCarbon launch ‘Revitalis’ program to boost regenerative and sustainable agriculture in Brazil,” AgriculturePost, July 2024: https://agriculturepost.com/international/brazil/brandt-mycarbon-launch-revitalis-program-to-boost-regenerative-and-sustainable-agriculture-in-brazil/
[26] “Minerva Foods exported the first batch of carbon-neutral meat to US,” euromeat, November 2024: https://www.euromeatnews.com/Article-Minerva-Foods-exported-the-first-batch-of-carbon-neutral-meat-to-US/5873
[27] “Saudi Aramco Buys Carbon Credits At Largest-Ever Auction,” OilPrice, January 2023: https://oilprice.com/Latest-Energy-News/World-News/Saudi-Aramco-Buys-Carbon-Credits-At-Largest-Ever-Auction.html
[28] Programa Nacional de Conversão de Pastagens Degradadas em Sistemas de Produção Agropecuários e Florestais Sustentáveis (PNCPD). See ANBA, “Saudi Arabia to partner up with Brazil to rebuild pastures,” July 2023: https://anba.com.br/en/saudi-arabia-to-partner-up-with-brazil-to-rebuild-pastures/
[29] For more on this see, GRAIN, “Whipping up disaster: how Brazil became a lab for financial agro-investments,” May 2024: https://grain.org/e/7138
[30] “Banco do Brasil partners with startups to modernize beef cattle farming,” Planeta Campo, January 2024: https://planetacampo.canalrural.com.br/pecuaria/banco-do-brasil-parceria-moderniza-pecuaria/
[31] Industry’s own International Platform for Insetting states that “most climate benefits from insetting constitute so-called removals, i.e. CO2 that is sequestered in biomass or as soil organic matter.” https://www.insettingplatform.com/wp-content/uploads/2022/03/IPI-Insetting-Guide.pdf
[32] Adeeth Cariappa et al., “Carbon farming in India: are the existing projects inclusive, additional, and permanent?”, Climate Policy, October 2024: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/14693062.2024.2416497#d1e422
[33] GRAIN, “New poster on food and the climate crisis,” April 2024: https://grain.org/en/article/7128-new-poster-on-food-and-the-climate-crisis
[34] Chris Lang, “‘Various types of carbon credits are ineffective,’ says the Science Based Targets initiative”, REDD-Monitor, July 2024: https://reddmonitor.substack.com/p/various-types-of-carbon-credits-are
[35] Joint Statement, “Why carbon offsetting undermines climate targets”, July 2024: https://newclimate.org/sites/default/files/2024-07/Joint-CSO-Statement-Offsetting.pdf
[36] SBTi, “Carbon removals in Forest, Land and Agriculture (FLAG) Pathways”, September 2022: https://sciencebasedtargets.org/blog/carbon-removals-in-forest-land-and-agriculture-flag-pathways
[37] According to the International Platform for Insetting’s Insetting Programme Standard: ““In case the Insetting Projects cannot cover the full mitigation of the GHG Footprint of the organization, the organization has the right to purchase offsetting credits to cover up the gap. They must be certified under a recognized standard (VCS, Gold Standard, Plan Vivo, Solidarity Reforestation). The proportion of insets vs. offsets must represent at minimum 50% of the GHG footprint of the organization, for the organization to claim to be Insetted.” https://www.insettingplatform.com/wp-content/uploads/2020/09/INSETTING_PROGRAM_STANDARD_IPS_V2.0_Final.pdf