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Eine ökosozialistische Kritik Ernest Mandels „Spätkapitalismus“
Dieses Jahr wäre Ernest Mandel 100 Jahre alt geworden. Bietet sein 1972 erschienenes Buch “Der Spätkapitalismus” auch über 50 Jahre später noch theoretische Impulse, um die gegenwärtige Phase der kapitalistischen Gesellschaft zu verstehen? Ernest Mandel erklärte, warum sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Expansionsphase durchsetzte und sich bald erschöpfen werde. Allerdings berücksichtigte er die stofflichen und ökologischen Grundlagen des Spätkapitalismus nicht. Mandel griff Marx’ Verständnis vom gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur nicht auf. Er realisierte nicht, dass der Aufstieg des Spätkapitalismus auf einer spezifischen Form der Inwertsetzung der Natur und des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur beruhte. Darum vermochte er auch die Tragweite der fossilen Energieträger für die kapitalistische Produktionsweise nicht zu erkennen.
Mandels Erklärung des Spätkapitalismus weist substanzielle theoretische Leerstellen auf. Auf der Grundlage ökomarxistischer Beiträge über den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur und die Bedeutung der fossilen Energie in der kapitalistischen Produktionsweise zeige ich, warum Mandels Theorie des Spätkapitalismus der ökologischen Dimension nicht gerecht wird. Anschließend skizziere ich, wie sich Mandels Ansatz mit einem umfassenderen ökologischen Verständnis verknüpfen lässt. Gestützt auf Mandels Theorie der Langen Wellen lässt sich schlussfolgern, dass die zunehmend umfassenderen Destruktivkräfte, die sich in der Erderhitzung und dem Überschreiten von planetary boundaries zeigen, die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise massiv verschärfen und eine weitere expansive Phase der kapitalistischen Entwicklung unwahrscheinlich machen (CZ).
Vorbemerkung
Am 5. April 2023 wäre Ernest Mandel 100 Jahre alt geworden. Seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre habe ich auch mit Hilfe seiner Werke ein Verständnis eines offenen, selbstkritischen und dynamischen Marxismus erworben. In unzähligen Diskussionen mit Aktivist:innen, in Lesegruppen und an Veranstaltungen erhielt ich die Möglichkeit von der Analysefähigkeit und Kreativität Mandels zu lernen. Seine Stärke war es, in den realen gesellschaftlichen Widersprüchen immer wieder neue Chancen für eine emanzipatorische Entwicklung zu erkennen. Sein unerschütterlicher Optimismus inspiriert mich noch heute an einer revolutionären ökosozialistischen Orientierung mitzuarbeiten. Doch die Erinnerung an seinen Geburtstag und sein vor über 50 Jahren erschienenes Buch „Der Spätkapitalismus“ sind auch Anlass, seine theoretischen und politischen Leerstellen zu benennen. Auf dieser Grundlage ist zu überlegen, wie sich seine Impulse 28 Jahre nach seinem Tod kritisch weiterentwickeln lassen. Das ist das Ziel des vorliegenden Beitrags.
Der vorliegende Beitrag ist die erweiterte deutsche Fassung eines Beitrags im von Ingo Schmidt herausgegebenen Buch Capitalism: Reflections on Ernest Mandel’s Political Economy After the Neoliberal Wave of Accumulation, Brill NV, Leiden, das 2023 erscheinen soll.
Einleitung
Ernest Mandel legte mit seinem 1972 publizierten Spätkapitalismus eine der umfassendsten Analysen der kapitalistischen Produktionsweise nach dem Zweiten Weltkrieg vor (Mandel 1972a, 1975). Er bestimmte den Spätkapitalismus als die expansive Phase der vierten langen Welle.[1] Dabei legte er einen breiten gesellschaftlichen Blick an und charakterisierte den Spätkapitalismus als spezifische sozioökonomische, institutionelle und technische Konfiguration der kapitalistischen Produktionsweise. Mandel erklärte schlüssig, warum sich nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Expansionsphase durchsetzte. Er untersuchte die Dynamik dieser Expansionsphase und prognostizierte deren Ende. Die Krise 1974-75 und das in den Folgejahren bescheidene Wirtschaftswachstum bestätigten diese Prognose. Mandel legte mit seiner tiefgreifenden Erklärung der langen Aufschwungsphase, der weltweit ungleichen Entwicklung sowie den andauernden inneren Widersprüchen und der Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Produktionsweise ein Werk vor, das auch Jahrzehnte später noch Werkzeuge bietet, um die widersprüchliche Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise zu verstehen.
In einem ebenfalls 1972 erschienenen Aufsatz setzte sich Mandel kritisch mit der Wachstumsdynamik auseinander. Er griff die von Karl Marx und Friedrich Engels in der Deutschen Ideologie geäußerte Vorstellung auf, wonach sich die Produktivkräfte unter der Herrschaft des Privateigentums zu Destruktivkräften verkehren und viele produktive Kräfte gar nicht zur Anwendung kommen (Marx und Engels 1846: 60, 424). Dieser von Marx angedeutete Doppelcharakter der Produktivkräfte bezog Mandel auf die technologische Entwicklung und die Umweltzerstörung (Mandel 1972b). Damit war Mandel in der Lage, mit den Anhängern der frühen ökologischen Wachstumskritik bereits in den frühen 1970er Jahren einen fruchtbaren Dialog zu eröffnen. Dennoch konnte sich Mandel von einer bisweilen naiven Technologie- und Fortschrittsgläubigkeit nicht lösen. Im letzten Kapitel seiner Einführung in den Marxismus sah er es geradezu enthusiastisch, wenn die Menschen im Sozialismus – einer Überflussgesellschaft – „die geographischen Lebensbedingungen und die Gestaltung des Erdballs meistern“, „das Klima verwandeln und die großen Wasserreserven verteilen“ und „zugleich die Störung des ökologischen Gleichgewichts verhindern oder rückgängig machen“ würden (Mandel 1979: 219).
So umfassend und inspirierend Mandels Analyse des Spätkapitalismus auch weiterhin ist, so verwunderlich ist, dass er die stofflichen und ökologischen Grundlagen des Spätkapitalismus nicht in sein Analyseschema integrierte. Im Spätkapitalismus, aber auch in seinen nachfolgenden Schriften, lässt sich nicht erkennen, dass er die laufend schärfer werdende ökologische Krise mit einem Ansatz zu erklären versuchte, der über die Analyse des Profitzwangs unter Konkurrenzbedingungen hinausgegangen wäre. In den frühen 1970er Jahren war zwar das ökologische Bewusstsein in der marxistischen Debatte ganz allgemein wenig verankert. Doch bereits zu dieser Zeit warnten zahlreiche Autor:innen vor den Gefahren der ökologischen Zerstörung. Mandel griff deren Erkenntnisse bloß oberflächlich auf.
Bemerkenswerterweise integrierte Mandel Marxens Verständnis vom gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur nicht in sein Denken. Er erkannte auch die Brisanz und Tragweite der fossilen Energieträger für die kapitalistische Produktionsweise nicht. Mandel realisierte nicht, dass der Aufstieg des Neokapitalismus beziehungsweise Spätkapitalismus auf einer spezifischen Form der Inwertsetzung der Natur und des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur beruhte.[2]
Die Konfiguration des Spätkapitalismus führte auch zur Durchsetzung eines neuen erdgeschichtlichen Zeitalters, des Anthropozäns, dessen Grundlagen durch die kapitalistische Industrialisierung gelegt wurden (Angus 2016). Diese umfassende Expansionswelle der kapitalistischen Produktionsweise bot die Grundlage dafür, dass die Weltgesellschaft etliche planetary boundaries bereits überschritt und weitere überschreitet. Das Erdsystem verändert sich fortan sprunghaft und abrupt. Im Anthropozän erscheint das Erdsystem während einer Generation nicht mehr als konstante Gegebenheit, sondern ist selbst hochgradig dynamisch und instabil. Es treibt damit auch die gesellschaftliche Instabilität voran und ist eine ständige Quelle gesellschaftlicher Krisen. Um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilitätsreserven und Krisendynamik der gegenwärtigen Phase der kapitalistischen Produktionsweise auszuloten, bietet Mandels Werk weiterhin einen nützlichen Werkzeugkasten, der jedoch erweitert werden muss. Zudem sind die Instrumente neu zu eichen.
Ich argumentiere hier, dass Mandels Erklärung des Spätkapitalismus substanzielle theoretische Leerstellen aufweist, die keineswegs zwingend, aber dennoch ausgesprochen weitreichend sind. Nahezu alle theoretischen Strömungen des Marxismus und politischen Strömungen der Arbeiter:innenbewegung haben es verpasst, das Verhältnis von Gesellschaft und Natur umfassend zu verstehen. Mandel zählte noch zu jenen, die bereits eine überdurchschnittlich hohe Sensibilität für diese Herausforderung aufbrachten. Mein Ziel besteht darin, die theoretischen Schwachpunkte und inkonsequenten Argumentationen Mandels zu identifizieren und zu prüfen, inwiefern sich sein theoretisches Gerüst um die stoffliche und ökologische Dimension erweitern und damit für die gegenwärtigen Herausforderungen nutzbar machen lässt.
Ich baue meine Argumentation wie folgt auf: Zunächst verweise ich auf das Analyseschema von Mandel. Auf der Grundlage jüngerer ökomarxistischer Beiträge über den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur, die Bedeutung der fossilen Energie in der kapitalistischen Produktionsweise und das Anthropozän zeige ich, warum Mandels Theorie des Spätkapitalismus der ökologischen Dimension nicht gerecht wird. Anschließend skizziere ich, wie sich Mandels Ansatz mit einem umfassenderen ökologischen Verständnis verknüpfen lässt. Gestützt auf Mandels Theorie der Langen Wellen lässt sich schlussfolgern, dass die zunehmend umfassenderen Destruktivkräfte, die sich in der Erderhitzung und dem Überschreiten von planetary boundaries zeigen, die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise massiv verschärfen und eine weitere expansive Phase der kapitalistischen Entwicklung unwahrscheinlich machen.
1. Spätkapitalismus als spezifische Phase der kapitalistischen Produktionsweise
Mandel und die Umweltdebatte in den frühen 1970er Jahren
Nur wenige marxistische Intellektuelle erkannten in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren die ökologischen Herausforderungen. Die Mehrheitsströmungen der Arbeiter:innenbewegung, also die sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien, waren weit davon entfernt die ökologischen Probleme ernst zu nehmen. Sie blickten ausgesprochen technologiegläubig und produktivistisch auf die gesellschaftliche Entwicklung. Das ökologische Erbe der Sowjetunion ist ein Desaster und die sozialdemokratischen Parteien glauben bis heute, dass sich die Lebensbedingungen für breite Teile der Bevölkerung nur mit wirtschaftlichem Wachstum verbessern ließen.
Bereits in den 1960er Jahren äußerten sich ökologische Mahner:innen. Rachel Carson warnte 1962 mit ihrem Aufsehen erregenden Werk Silent Spring vor den katastrophalen Wirkungen des Pestizideinsatzes auf die Ökosysteme (Carson 1962). Der Biologe und Ökologe Barry Commoner wies in seinem Buch The Closing Circle auf die wesentlichen Stoffwechselprozesse des Menschen mit der Natur hin und zeigte, wie die kapitalistische Gesellschaft diese auf eine zerstörerische Weise betreibt. Er wies auch bereits auf die Erderwärmung hin (Commoner 1971). Wenige Jahre später analysierte er den Zusammenhang von Energieeinsatz und Wirtschaftskrise (Commoner 1976). Harry Rothmann publizierte 1972, kurz bevor Mandels Spätkapitalismus erschien, mit Murderous Providence eine umfassende Studie über Umweltzerstörung in Industriegesellschaften (Rothman 1972). Mandel zitierte sogar sowohl The Closing Circle als auch Murderous Providence seines Freundes Harry Rothman (Mandel 1972a: 512).
Ebenfalls zeitgleich mit dem Spätkapitalismus erschien 1972 unter dem Titel Die Grenzen des Wachstums der Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit (Meadows, et al. 1972). Immerhin erkannte Mandel die Brisanz des Themas und antwortete bereits gegen Ende 1972 mit einem kritischen Aufsatz auf den Bericht des kurzzeitigen EU-Kommissars Sicco Mansholt zur Studie des Club of Rome (Mandel 1972b).
Im Gegensatz zu den sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien sowie vielen marxistischen Intellektuellen, die die ökologische Krise ignorierten oder gar leugneten, erkannte Mandel die Herausforderung zumindest ansatzweise. Die wesentlichen Aspekte der Umweltdebatte in den frühen 1970er Jahren waren ihm bekannt. Dennoch baute er diese Erkenntnisse nicht in seine theoretische Bestimmung des Spätkapitalismus ein. Allerdings hätten ihm sein breit angelegtes Verständnis des Spätkapitalismus und sein methodischer Zugang es durchaus erlaubt, die ökologische und stoffliche Dimension wesentlich deutlicher theoretisch einzubinden.
Mandels Verständnis der Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise
Mandel verdichtete sein Verständnis der Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise auf sechs Grundvariablen, die teilweise und periodisch die Rolle von unabhängigen Variablen spielen können (Mandel 1972a: 37): die organische Zusammensetzung des Kapitals, die Verteilung des konstanten Kapitals zwischen fixem und zirkulierendem Kapital, die Entwicklung der Mehrwertrate, die Entwicklung der Akkumulationsrate, die Entwicklung der Umschlagszeit des Kapitals und die Austauschrelationen zwischen der Produktionsgüter- und Konsumgüterindustrie (Abteilung I und II), wobei alle diese Relationen auch spezifisch für die Produktionsgüter- und Konsumgüterindustrie zu analysieren sind.
Mandel widmete sein Werk Der Spätkapitalismus wesentlich der Untersuchung der Entwicklung der Korrelation zwischen diesen sechs Grundvariablen der kapitalistischen Produktionsweise, die ihren Ausdruck in den Fluktuationen der Profitrate finden. Diese misst als Seismograph die Entfaltung der Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise, die auf profitable Kapitalverwertung ausgerichtet ist. Interessanterweise betrachtete Mandel keine dieser Variablen unter dem Gesichtspunkt des konkreten stofflichen Austauschs. Doch mit seinem Marx und teilweise Luxemburg entlehnten theoretischen Gerüst zur Analyse der kapitalistischen Entwicklungsdynamik formulierte Mandel im Spätkapitalismus mindestens fünf Anknüpfungspunkte, die es ihm erlaubt hätten, dem gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur zumindest ansatzweise Rechnung zu tragen.
- An Marx und Luxemburg anknüpfend und gestützt auf die Theorie der ursprünglichen Akkumulation argumentierte Mandel, dass die Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise auch von ihrem Stoffwechsel mit nicht-kapitalistischen Milieus bestimmt werde.
- Mandel sah in der Erzielung von Surplusprofiten eine zentrale Triebfeder unternehmerischen Handelns.
- Mandel betonte die Rolle des zirkulierenden Kapitals, um der Tendenz der sinkenden Profitrate entgegenzuwirken.
- Mandel verweist in mehreren Publikationen, auf die bereits von Marx betonte Dialektik, dass das Kapital die Produktivkräfte unter bestimmten Bedingungen in Destruktivkräfte verwandelt.
- Mandels Verständnis von langen Wellen der kapitalistischen Entwicklung erlaubt es die exogenen Wirkungen des Klima- und Erdsystems zu integrieren.
Mit Ausnahme seines fruchtbaren dialektischen Verständnisses von Produktiv- und Destruktivkräften erkannte er die konstitutive Bedeutung des Gesellschaft-Natur-Verhältnisses weder für die kapitalistische Produktionsweise im Allgemeinen noch für die Phase des Spätkapitalismus im Besonderen. Woran lag es, dass Mandel seine von ihm selbst gelegten Pfade zur Integration der ökologischen Dimension der kapitalistischen Produktionsweise kaum beschritt?
Daniel Tanuro stellte an einem Kolloquium zehn Jahre nach dem Tod Ernest Mandels fest, dass dieser es verpasste habe, den Marxismus zu „ökologisieren“ (Tanuro 2007). Dieses Versäumnis habe dazu beigetragen, dass revolutionäre Sozialist:innen ein frühzeitiges Rendez-vous mit der ökologischen Herausforderung verpasst hätten. Dieser Rückstand sei nun schmerzlich aufzuholen. Tanuro argumentierte, dass Mandel die ökologische Krise aus zwei politischen Gründen nicht in seine umfassende Erklärung des Spätkapitalismus und seiner Krisen integrierte: Erstens habe er der aufkommenden Austeritätspolitik und neo-matlhusianischen Vorstellungen keinen Vorschub leisten wollen. Zweitens habe Mandel mit seinem integrativen Verständnis langer Wellen der kapitalistischen Entwicklung beobachtet, dass eine Phase depressiver Grundstimmung auch von einem Aufstieg von „Skeptik, Irrationalität und Mystik“ gekennzeichnet sei und von einer machtvollen Offensive begleitet werde, „die dem sozialen Darwinismus, der Sozio-Biologie, der ‚wissenschaftlichen‘ Rechtfertigung des Rassismus und der sozialen Ungleichheit in akademischen Kreisen“ wieder zu Ansehen verhelfe (Mandel 1987:95, 97f). „Und als wir von der expansiven langen Welle zu einer depressiven langen Welle übergingen, ist es da nicht ein auffallender Zufall, daß plötzlich so viele Propheten des Untergangs und des ‚Nullwachstums‘ in Erscheinung traten?“ (Mandel 1987:92) Entgegen den „Untergangspropheten“, glaubte er, „daß Wissenschaft und bewusstes menschliches Bemühen jedes Problem lösen kann, das die vom privaten Profitmotiv unterdrückt gehaltene Wissenschaft zurückließ.“ (Mandel 1995: 77, 94; 1987: 92, 111). Tanuro erklärt, dass Mandel sich energisch einer Akzeptanz oder passiven Toleranz einer möglichen Welle der Barbarei entgegenstellen wollte und deshalb diese Äußerungen der Wachstumskritik zurückwies. Damit habe er den „guten Kern des Antiproduktivismus“ nicht erkannt und auch die ökologische Herausforderung nicht angenommen.
Mandel veröffentlichte seinen Spätkapitalismus jedoch bereits 1972, also vor den Krisen der 1970er und 1980er Jahre. Die theoretischen Leerstellen sind zu gewichtig, als dass sie sich mit der politischen Konjunktur und Mandels Anspruch der direkten politischen Intervention erklären ließen. Ich argumentiere, dass Mandel die Natur nur ansatzweise berücksichtigte, weil seine theoretische Erklärung des Spätkapitalismus zwei wesentliche theoretische Schwachpunkte aufwies.
Erstens entwickelte Mandel kein stoffliches Verständnis des Gebrauchswerts und der konkreten Arbeit. Zwar betonte er gegen Ende seines Hauptwerkes, dass sich der Raubbau an der Arbeit und Natur, den beiden Quellen menschlichen Reichtums, im Zeitalter des Spätkapitalismus zusammen mit der kapitalistischen Warenproduktion ins Unermessliche gesteigert habe. „Der Gegensatz zwischen Tauschwert und Gebrauchswert […] wird im Zeitalter des Spätkapitalismus permanent sichtbar.“ (Mandel 1972a: 515) Allerdings beachtete Mandel die stoffliche Seite der Produktion und Reproduktion nur ansatzweise. Ihm ging es um das Verständnis der kapitalistischen Verwertungslogik und der Bewegungsgesetze des Kapitals. Er konzentrierte sich auf die Analyse der Logik der Tauschwertdimension. Daraus folgt, dass Mandel kein Verständnis für die stofflichen Aspekte der kapitalistischen Warenproduktion entwickelte. Er ging weder in Einführung in die marxistische Wirtschaftstheorie noch im Spätkapitalismus oder im Werk über die Langen Wellen auf den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur ein, den bereits Karl Marx erörterte. Mandel betrachtete die Umweltstörung als Ausdruck der Destruktivkräfte, die die kapitalistische Produktionsweise hervorbrachte (Mandel 1984). Doch die materiell-stofflichen und energetischen Grundlagen der kapitalistischen Produktionsweise gerieten nicht in sein Gesichtsfeld.
Das führt zum zweiten Schwachpunkt. Obwohl Mandel die generelle Bedeutung der energetischen Grundlagen und Energienutzung für die gesellschaftliche Dynamik und als Grundlage für eine langanhaltende Prosperitätsphase erkannte (vgl. Malm 2018), ignorierte er die spezifischen Charakteristika der fossilen Energieträger. Er erfasste deshalb nicht, dass die kapitalistische Produktionsweise, vor allem in ihrer spätkapitalistischen Phase, nur mit Kohle, Öl und Gas ihre Expansion und Dynamik entfalten konnte (Pirani 2018). Er verkannte, dass die massive Ausweitung des motorisierten Individualverkehrs und der damit verbundenen Industrien sowie eine spezifische Form der Urbanisierung und Suburbanisierung im Spätkapitalismus ohne fossile Brennstoffe nicht möglich gewesen wäre. Und dass die Folgen einer solchen Nutzung fossiler Energieträger katastrophal sein würden.
Hätte Mandel die fünf oben angeführten theoretischen Anknüpfungspunkte auch mit einem ökologischen und stofflichen Verständnis durchdrungen, wäre es ihm möglich gewesen, die ökologische Tragweite des Spätkapitalismus beziehungsweise der vierten langen Welle zumindest ansatzweise anzusprechen. Damit hätte er seine ausgeprägte Sensibilität für die räumlich ungleiche Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise und sein dialektisches Verständnis des Zusammenhangs von Produktiv- und Destruktivkräften deutlich bereichert.
Vor allem wäre er in der Lage gewesen, eine Brücke zur entstehenden Umweltbewegung zu schlagen. Weil Mandel die stofflichen, ökologischen und energetischen Aspekte des Spätkapitalismus nicht wirklich beachtete, sind die Defizite des Spätkapitalismus grundsätzlicher Natur. Auch in späteren Publikationen füllte Mandel diese Lücke nicht. In den ausgesprochen grundsätzlich orientierten Ende der 1980er Jahre verfassten Aufsätzen über die Bestimmungsfaktoren zur Erklärung der kapitalistischen Entwicklungsdynamik (Mandel 1992) und über die Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen (Mandel 1991a) ignorierte er sowohl den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur als auch die Voraussetzung reproduktiver Arbeit für kapitalistische Lohnarbeit und die Bedeutung des Rassismus bei der Fragmentierung der Lohnabhängigen.
2. Ware, Stoffwechsel mit der Natur durch Arbeit, Energie
Die Naturzerstörung wirft grundsätzliche Fragen über das Verhältnis der kapitalistischen Produktionsweise zur Natur auf. Die Arbeiten von Marx bieten unabdingbare Bausteine für ein kritisches Verständnis der Verhältnisse zwischen Gesellschaft und Natur. Doch gilt es kritisch auf die Geschichte des Marxismus zu blicken. Elmar Altvater (u.a. 1997), Paul Burkett (1999), John Bellamy Foster (2009), Daniel Tanuro (2015), Michael Löwy (2016) und Kohei Saito (2016) kommt das Verdienst zu, die Marx Rezeption auf jeweils unterschiedliche Weise vom produktivistischen Ballast zu befreien und das ökologische Denken von Marx sichtbar zu machen. Ihre Arbeiten haben mich bei meiner Kritik an Mandels Spätkapitalismus inspiriert.
In diesem Abschnitt erläutere ich die stoffliche und ökologische Dimension des Gebrauchswerts, das Konzept des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur durch Arbeit, die im Zuge der kapitalistischen Industrialisierung durchgesetzte Dominanz von fossiler Energie und das Problem der Produktivkraftentwicklung. Anhand dieser drei Sachverhalte beurteile ich die oben angeführten fünf Anknüpfungspunkte, die Mandel theoretisch eine umfassende Berücksichtigung der ökologischen Dimension des Spätkapitalismus erlaubt hätten.
Gebrauchswert und gesellschaftlicher Stoffwechsel durch Arbeit
Ein umfassendes Verständnis des Gebrauchswerts und der stofflichen Eigenschaften von Waren bietet einen wichtigen Zugang zur Ökologie der Produktion und Reproduktion. Marx lieferte in seiner Kritik der politischen Ökonomie mit seiner Arbeitswerttheorie und dem damit verbundenen Verständnis des Doppelcharakters ökonomischer Prozesse einen wichtigen Beitrag zu einer umfassenden ökonomischen Sichtweise, in die sich auch die ökologische Dimension integrieren lässt. Bei der Produktion von Gebrauchswerten transformieren die ArbeiterInnen Stoffe und Energien. Der Gebrauchswert ist Resultat der Umformung von Natur, der Auseinandersetzung des Menschen mit der organischen und anorganischen Natur, um ihr Erzeugnisse abzuringen, mit denen menschliche Bedürfnisse befriedigt werden können. Zugleich wird das Material, das die Natur bereitstellt in Schadstoffe verwandelt, die als Abfall, Abwasser und Abluft die Sphären der Erde belasten, gesundheitliche Leiden hervorrufen und die Existenz vieler Menschen in Frage stellen können. Die Energie und die stofflichen Elemente stecken in allen Produktionsweisen und gleichermaßen in den Produkten. Marx betont gleich am Anfang seines Werks Das Kapital ausdrücklich die stoffliche Zusammensetzung der Waren. „Gebrauchswerte bilden den stofflichen Inhalt des Reichtums, welches immer seine gesellschaftliche Form sei. In der von uns zu betrachtenden Gesellschaftsform bilden sie zugleich die stofflichen Träger des Tauschwerts.“ (Marx 1867: 50) Jede Analyse, die den Anspruch hat, die kapitalistische Produktionsweise oder eine ihrer Entwicklungsphase umfassend zu charakterisieren, muss also die stofflich-ökologischen Voraussetzungen und Implikationen berücksichtigen.
Die Trennungslinie zwischen Natur und Gesellschaft ist unscharf. Wir Menschen sind selbst ein Teil der Natur. Unsere Körper sind Produkte und zugleich Teilnehmer des komplexen Ökosystems des Lebens auf der Erde. Die durch die Natur gegebene und zugleich gesellschaftlich hergestellte Arbeitskraft ist unabdingbar für den Umformungsprozess natürlicher Substanzen zu Waren. Schließlich tendiert die kapitalistische Produktionsweise dazu, alles aus der Natur mit Eigentumsrechten einzuzäunen und zur Ware zu machen: Wasser, Holz, Mineralien, Tiere und Teile von menschlichen Körpern wie Organe, Gene und Blut. Wir Menschen produzieren und verändern die Natur, und zwar jeweils auf spezifische Weise, je nach gesellschaftlicher Produktionsweise. Zugleich beruht die Gesellschaft notwendigerweise auf der Transformation von Natur. Die Gesellschaft ist Teil der Natur. Beide sind aber keineswegs identisch. Vielmehr ist die Natur vermittelt durch die Gesellschaft und die Gesellschaft ist vermittelt durch die Natur. Karl Marx begriff diese Vermittlung genauer mit dem naturwissenschaftlich geprägten Begriff des Stoffwechsels, wobei der Arbeitsprozess die Triebkraft dieser Stoffwechselinteraktion ist (Marx 1867: 192).
Nicht nur die Ware, sondern auch die Arbeit weist einen Doppelcharakter auf, sie ist konkrete Arbeit und abstrakte gesellschaftliche Arbeit (Marx 1867: 56). Diese Kategorie der Verdoppelung eröffnet die Möglichkeit ökonomische Prozesse als Transformationen von Wert (also Wertbildungsprozess und Verwertungsprozess) durch abstrakte Arbeit und zugleich als Transformationsprozess von Stoffen und Energien (Arbeitsprozess und Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur) durch konkrete Arbeit zu begreifen. Der Arbeitsprozess entspricht also einem Stoffwechsel des Menschen mit der Natur (Marx 1867: 192).[3]
Das Verständnis des Doppelcharakters der Arbeit erlaubt diesen Brückenschlag zur ökologischen Dimension. Denn Arbeit ist erstens Wertbildnerin, aber zweitens „[…] eine spezielle, zweckmäßig produktive Tätigkeit, die besondere Naturstoffe besonderen menschlichen Bedürfnissen assimiliert“ (Marx 1867: 57). Durch Arbeit wird Naturstoff zum Gebrauchswert umgeformt, dieser wird als Ware auf den Markt geworfen, um in Geld verwandelt zu werden. „Der Gebrauchswert entsteht also durch Herstellung von Ordnung […] und dadurch, dass die geordnete Materie oder Energie ein menschliches Bedürfnis befriedigt“ (Altvater 1997: 250).
Dieser von Marx erkannte Doppelcharakter der Ware und der Arbeit bietet uns eine Grundlage, um die wertmäßige und stoffliche Seite der Produktion im selben Zug zu erkennen. Auf der einen Seite haben wir Wert, Verwertung und Geld, auf der anderen Seite sind die Bedingungen der Produktion und der Arbeit, die stofflichen Charakteristika der Produktion, die Energieversorgung, das Klima und letztlich alle Verhältnisse mit natürlichen Voraussetzungen zu beachten. Die Natur hat gemäß diesem Ansatz, also einen Gebrauchswert, der mit keinem ökonomischen Wert messbar und vergleichbar ist: Die natürlich genannten Ressourcen entsprechen einem Reichtum, aber sie haben keinen inneren monetären Wert (Altvater 1997: 251; Harribey 2011: 30). Dieser Stoffwechsel ist an die Naturgesetze gebunden (Marx 1867: 58). Im Rahmen dieses Stoffwechsels entnimmt der Mensch der Natur durch seine Arbeit Substanzen, formt diese um und gibt sie schließlich in ihrer gesellschaftlich veränderten Form wieder an die Natur ab beziehungsweise er lagert sie als Schadstoffe ab. Diese können allerdings die Natur und damit auch den Menschen abermals verändern. Die Naturveränderungen finden in Raum und Zeit statt, sie sind irreversibel. Das Öl kann nicht ein zweites Mal verbrannt werden. Das gilt auch für die Verluste an Biodiversität, durch die der Gang und die Richtung der Evolution verändert werden (Altvater 2010: 19). Die Veränderungen des Erdsystems über Kippmomente hinweg und das Artensterben verleihen dieser Irreversibilität eine planetare Dimension.
Eine ökologische politische Ökonomie muss Wertveränderungen und Naturveränderungen gleichermaßen verstehen (vgl. Altvater 1997: 247). Das gilt selbstverständlich auch für die Charakterisierung jeder Phase der kapitalistischen Produktionsweise. Den Ansatz des Doppelcharakters aufgreifend verband Paul Burkett in seinem 1999 erstmals veröffentlichten Buch Marx and Nature (Burkett 2014) eine Rekonstruktion der Arbeitswerttheorie mit dem Argument, dass die Herrschaft des Kapitals die Arbeit ebenso unterwerfe wie die Natur. Bereits im fundamentalen Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Wert der einzelnen Ware sei der Widerspruch zwischen dem Kapital einerseits und der Arbeit und Natur andererseits enthalten (Burkett 2014: 11, 82). Durch die Trennung der direkten ProduzentInnen von den Produktionsbedingungen, zu denen auch die Natur gehört, seien die Menschen gezwungen ihre Arbeitskraft als Ware gegen einen Lohn zu verkaufen und im Gegenzug alle Waren, die sie zum Leben und Überleben, also zur Reproduktion, brauchen auf dem Markt zu kaufen. Der kapitalistischen Produktionsweise wohne nicht nur Antagonismus zwischen Arbeit und Kapital, sondern auch zur Natur inne (Burkett 2014: 19). Dieser Antagonismus entspringe ebenfalls der Trennung der ProduzentInnen von ihren Produktionsbedingungen. Darum entstehe in kapitalistischen Produktionsverhältnissen ein Widerspruch zwischen Wert und Natur.
Altvater weist darauf hin, dass wirtschaftliche Prozesse nicht allein von betriebswirtschaftlichen Renditevorgaben gesteuert und durch Marktgesetze reguliert werden, sondern auch Naturgesetzen folgen und durch diese begrenzt sind. „Die Hauptsätze der Thermodynamik und die Gesetze der Evolution haben auch in der Wirtschaft Gültigkeit. Energie bleibt erhalten, aber einmal zur Leistung von Arbeit verwendet kann sie kein zweites Mal dazu benutzt werden. Das Benzin im Tank wird verbrannt, wenn wir uns im Auto fortbewegen. Es verändert dadurch seine Aggregatform, verwandelt sich bei der Verbrennung z.B. in CO2, das zur Arbeitsleistung nicht mehr genutzt werden kann und obendrein wegen des Treibhauseffekts den Kollaps des globalen Klimasystems auslösen kann.“ (Altvater 2010: 14) Damit schließt Altvater an Nicolas Georgescu-Roegen (1971) an, der Erkenntnisse aus der Thermodynamik in die Ökonomie übertrug. Die Transformation von Stoffen und Energien sei mit einem Entropieanstieg verbunden. Das führe irgendwann zur Erschöpfung der irdischen Natur. Energie in nützlicher Form und niedriger Entropie würden im wirtschaftlichen Prozess in nutzlose Abfälle mit hoher Entropie transformiert. Auch wenn die Erde ein offenes System ist und vom Energieinput der Sonne lebt, bleiben die Überlegungen von Georgescu-Roegen und Altvater wichtig, weil die Transformation der Sonnenenergie in eine nutzbare und speicherbare Form von begrenzten Ressourcen abhängig bleibt, die zumindest in der Phase des Übergangs zu erneuerbaren Energien fast ausschließlich durch fossile Energieträger erschlossen und gefördert werden können.
Karl Marx wies im Zusammenhang mit der urbanen und industriellen Entwicklung und mit seinen Ausführungen über die Grundrente im dritten Band des Kapitals darauf hin, dass die kapitalistische Landwirtschaft die Nährstoffkreisläufe im Boden so verändere, dass im gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur ein „unheilbarer Riß“ entstanden sei (Marx 1894: 821; vgl. Foster 2009: 176f). Kohei Saito (2020: 14-20) konzipierte drei Dimensionen dieses Risses. Erstens besteht ein Riss in der materiellen Zirkulation im Rahmen des Stoffwechselkreislaufes der Natur durch Arbeit. Zweitens betreibt das Kapital den Raubbau an der Natur im globalen Maßstab: es eignet sich wichtige „Ressourcen“ global an und lagert Müll und Emissionen aus. Das sind Prozesses eines räumlichen Risses und eines ökologisch ungleichen Tausches. Schließlich gibt es einen zeitlichen Riss. Grundsätzlich gibt es einen Riss zwischen der Zeit der Natur und des Kapitals. Die Natur und ihre Regenerationsfähigkeit hinken der Geschwindigkeit der Kapitalverwertung hinterher. Dieser Riss des Stoffwechsels beeinträchtigt auch die Profitrate. Darum betreibt das Kapitel erstens eine Stoffwechselverlagerung durch Externalisierung und neue Technologien, beispielsweise durch das Haber-Bosch-Verfahren zur industriellen Produktion von Ammoniak mit dem einhergehenden Riss im Stickstoffkreislauf. Zweitens verlagert es den Stoffwechselriss räumlich, beispielsweise durch die Aneignung von Dünger aus anderen Regionen (Marx wies bereits auf Bezug von Guano von Küsten Perus hin). Und drittens wird der Riss zeitlich verschoben. Hierfür ist die Erderhitzung augenfälligste Beispiel. Die Konsequenzen der Treibhausgasemissionen zeigen sich Jahrzehnte und Jahrhunderte später. Diese drei Dimensionen des Stoffwechselrisses und dessen Verlagerung sind unbedingt in eine umfassende Theorie ungleicher Entwicklung zu integrieren. Der ökologische Imperialismus ist eine zentrale Komponente des Imperialismus (Foster, et al. 2010: 345-372).
Energie in den Kontext des Kohlenstoffkreislaufs setzen
Die materielle Seite des Produzierens, der Zirkulation, des Transports und der Reproduktion der Arbeitskraft verlangt, dass wir Energie und Rohstoffe aus der Natur dem ökonomischen System zuführen. Ohne Energie würden alle ökonomischen Prozesse schnell zum Erliegen kommen.
Die erneuerbaren Energieträger sind Ergebnis der Sonnenenergie. Die fossilen Energieträger sind ein fossilisiertes Erbe früherer photosynthetischer Prozesse und sind folglich erschöpflich (Altvater 2010: 138ff). Zwar verstand Marx, dass Technologien gesellschaftlich nicht neutral sind. Er unterschied vorindustrielle und industrielle spezifisch kapitalistische Technologien (Marx 1867: 766). Doch Marx und Engels vermochten die Tragweite der Unterscheidung in Energieflüsse und Energiebestände nicht genügend erkennen. Dieses Problem wurde in der marxistischen Diskussion und in der Arbeiter:innenbewegung während eines Jahrhunderts leider kaum beachtet. Viele Strömungen, die sich auf den Marxismus berufen, realisierten nicht, dass Energieträger ganz unterschiedliche technologische und gesellschaftliche Entwicklungspfade mit sich bringen. Kernkraftwerke implizieren völlig andere Technologien und Sicherheitsapparate als dezentrale Photovoltaik und Windkraftanlagen.
Nicht nur die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise, sondern die gesamte Dynamik der Kapitalakkumulation war bis in die Gegenwart von der Dominanz fossiler Energieträger geprägt. Kohle, Öl und Gas werden in geeigneten Maschinen verbrannt, um physikalische Arbeit zu verrichten. Bei der Wandlung der Energieträger in Arbeitsenergie fallen Verbrennungsprodukte an. Diese werden in die Atmosphäre der Erde entlassen, wo sie den Treibhauseffekt bewirken. Die eingesetzten Maschinen zur Wandlung chemisch gebundener Energie in Arbeitsenergie dienen dazu die Produktivität der Arbeit zu steigern. Das industrielle Maschinensystem wäre ohne diesen Übergang zu fossilen Energieträgern nicht möglich gewesen (Altvater 2006: 79f; 2010: 138f). Damit setzte sich eine fossile Ökonomie mit einer selbsterhaltenden Wachstumsdynamik durch, die sich auf den wachsenden Konsum von fossilen Treibstoffen stützt und damit auch ein anhaltendes Wachstum der Emissionen von CO2 generiert (Malm 2016: 11f, 16). Erst spät gingen Marxist:innen systematisch der Frage nach, warum die fossilen Energieträger unsere Waren- und Konsumwelt dermaßen weitgehend prägen (Pirani 2018).
Auf dieser Grundlage konnten sich die kapitalistischen Gesellschaften bei der Arbeitsenergie unabhängig vom Strahlenfluss der Sonne machen. Das ermöglichte die räumliche Konzentration von Produktion und Reproduktion, die bessere Ausbeutung der Lohnarbeit und die Urbanisierung der Gesellschaft (Malm 2016) und die Industralisierung der Landwirtschaft (Auderset und Moser 2018: 117-135). Es kam zu einer komplett neuen Strukturierung der Gesellschaft. Schließlich vermochte die kapitalistische Gesellschaft auf der Grundlage der Industrie und des Fossilismus alle anderen Gesellschaften, die sich auf einem anderen, einem nicht-kapitalistischen Entwicklungsweg befanden, zu kolonisieren und integrieren (Altvater 2006: 78). Die Inwertsetzung von Erzeugnissen der Natur, also von Rohstoffen jeglicher Art, nahm dabei eine zentrale Rolle ein.[4] Die fossilen Energieträger bildeten auch die Grundlage für die enorme Beschleunigung aller Prozesse (Altvater 2012: 63), des zirkulierenden Kapitals und der „great acceleration“, die die Erde schließlich in ein neues erdgeschichtliches Zeitalter, das Anthropozän katapultierte (Steffen, Broadgate, et al. 2015).
Kritik der Produktivkraftentwicklung
Tanuro wies darauf hin, dass Marx zwei sich widersprechende Verständnisse des Verhältnissen von Gesellschaft und Natur präsentierte (Tanuro 2011: 78; 2015: 177). Einerseits entwickelte er Ansätze eines sozialökologischen Denkens, die er mit dem Begriff des Stoffwechsels erfasste. Diese Sichtweise ist mit einem vorsichtigen Eingriff in das Naturgeschehen kompatibel. Die Gesellschaften sind nur Nutznießer:innen der Erde als „gute Familienväter“ (Marx 1894: 784). Anderseits beschrieb Marx auch ein lineares Schema. Weil er den Unterschied zwischen Energieflüssen und Energiebeständen nicht deutlich machte, stützte er sich auf das utilitaristische Schema Extraktion der Ressource – Verarbeitung – Verbrauch – Abfall und Emission von CO2. Das ist auch das Schema der klassischen und der neoklassischen Ökonomie. Die von Tanuro kritisierte Sichtweise beinhaltet eine fragwürdige produktivistische Komponente. Die von Marx (1859: 9) an einer oft zitierten Stelle[5] im Vorwort zur Kritik der politischen Ökonomie getroffene Aussage, wonach ab einem bestimmten Moment die Produktionsverhältnissen die Entwicklung der Produktivkräfte hemmen, hat in der Vergangenheit oft zu Missverständnissen geführt. Die kommunistische Perspektive bestehe darin, „das Wachstum der Produktivkräfte“ von den „kapitalistischen Fesseln der Entwicklung“ zu befreien (Marx 1859: 9). Diese Interpretation diente den sozialdemokratischen und stalinistischen Führungen der klassischen Arbeiter:innenbewegung sowie den bürokratischen Diktaturen in der UdSSR, China und den von ihnen abhängigen Regimes dazu, ihr produktivistisches Entwicklungsverständnis, das auf dem Raubbau an der Natur, weiterer patriarchaler Unterdrückung der Frauen und der Einsaugung ihrer unbezahlten Reproduktionsarbeit und schließlich auch auf Ausbeutung der Lohnarbeit beruht, zu rechtfertigen.
Allerdings hielt Marx in seinen Ausführungen über die Grundrente kategorisch fest, dass jede menschliche Entwicklung unvermeidlich von zwei Schranken begrenzt sei. „Die Fruchtbarkeit der Natur bildet hier eine Grenze, einen Ausgangspunkt, eine Basis. Andrerseits bildet die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft ihrer Arbeit die andre.“ (Marx 1894: 648) Mit seiner Verwendung des Begriffs des Stoffwechsels erkannte Marx die Begrenztheit der Stoffe dieses Austauschs an.
Die Arbeit gehört für Marx zum menschlichen Dasein und leistet zugleich die Vermittlung zwischen den Menschen und der Natur. Aber die Ressourcen sind endlich und somit ist eine endlose Steigerung der Arbeitsproduktivität nicht möglich. Zwar erweiterten sich mit den gewachsenen menschlichen Bedürfnissen auch die Produktivkräfte, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Doch Marx schränkte ein: „Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehn, daß der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn.“ (Marx 1894: 828) Die Grenzen der Natur bedeuten allerdings auch, dass die bisweilen zirkulierenden Vorstellungen einer Gesellschaft einer automatisierten und digitalisierten Welt, in der die Menschen auf Arbeit verzichten könnten, aus dem Reich abstrakter Utopien jenseits der materiellen Gegebenheiten stammen. Selbstverständlich sind auch die menschliche Kreativität und Intelligenz Aspekte der Produktivkräfte. In einer kommunistischen Perspektive sind diese weiter zu entfalten. Doch die Ausweitung der materiellen Produktivkräfte stößt an die Grenzen der erdsystemaren und ökologischen Kreisläufe und Tragfähigkeit.
3. Spätkapitalismus ohne Natur – verpasste Verknüpfungen
Anhand der im Abschnitt 1.2 erklärten Betrachtungsebenen – Gebrauchswert und gesellschaftlicher Stoffwechsel durch Arbeit, Formen der Energie und dialektischer Zusammenhang von Produktiv- und Destruktivkräften – beurteile ich in diesem Abschnitt, inwiefern Mandel in seinen Werken Spätkapitalismus und Lange Wellen die ökologische Dimension in seine Argumentation integrierte. Mandel legte mit seinen in Abschnitt 1.2 vorgestellten fünf potentiellen Anknüpfungskonzepten eigentlich einen Pfad zur Integration der ökologischen Dimension zum Verständnis des Spätkapitalismus. Doch mit Ausnahme seiner kreativen Erörterung des Verhältnisses von Produktiv- und Destruktivkräften verpasste er es diesen Weg tatsächlich zu beschreiten. Ich zeige hier auf, dass sich Mandel in seiner Analyse weitgehend auf der Ebene des Tauschwertes, der Wertproduktion und des Profits bewegte. Die qualitative und stoffliche Ebene des Gebrauchswerts, der konkreten Arbeit und der reproduktiven Arbeit erörterte er nur insofern als sie dazu beitragen, die Dynamik der Variablen der Profitrate zu verstehen. Somit fanden der Stoffwechsel mit der Natur und die Problematik der Energie schließlich nicht wirklich Eingang in seine Analyse des Spätkapitalismus, wie übrigens ebenso wenig die reproduktive Arbeit, die schließlich Voraussetzung für die Lohnarbeit und ihre Ausbeutung ist.
Stoffwechsel mit nicht-kapitalistische Verhältnissen und ursprüngliche Akkumulation
Rosa Luxemburg (1913) folgend argumentierte Ernst Mandel im einleitenden ersten Kapitel und zu Beginn des zweiten Kapitels über die Struktur der kapitalistischen Weltwirtschaft, dass die wirkliche Bewegung des Kapitals von nicht-kapitalistischen Verhältnissen ausgehe und sich im beständigen, ausbeuterischen Stoffwechsel mit dem nicht-kapitalistischen Milieu abspiele. Er hält fest, dass die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals ein andauernder Prozess sei und mit der Akkumulation durch Mehrwertproduktion einhergehe (Mandel 1972a: 21, 42f).
Mandel zeigte großes Gespür, die ungleiche und kombinierte Entwicklung als zentralen Aspekt der Prosperität des Spätkapitalismus zu erfassen. Er schließt das einleitende erste Kapitel mit einer umfassenden Aussage: „So wird die Geschichte dieser Produktionsweise zur Geschichte der Entfaltung ihrer inneren Widersprüche – kombiniert mit dem sich entfaltenden Gegensatz zwischen dem Kapital einerseits und den vor- und halbkapitalistischen Wirtschaftsverhältnissen andererseits, die sich der kapitalistische Weltmarkt laufend einverleibt.“ (Mandel 1972a: 41)
Im Anschluss an Luxemburg und im Unterschied zu Marx argumentierte Mandel: „Ursprüngliche Akkumulation des Kapitals und Akkumulation des Kapitals durch Mehrwertproduktion sind nämlich nicht nur aufeinander folgende Phasen der Wirtschaftsgeschichte, sondern auch gleichzeitige Wirtschaftsprozesse.“ (Mandel 1972a: 43) Dieses Verständnis ständiger ursprünglicher Akkumulation integrierte David Harvey später in seine Theorie des neuen Imperialismus (Harvey 2003, 2004). Doch „die historisch der Entstehung der kapitalistischen Produktionsweise vorausgehende ursprüngliche Akkumulation des Kapitals empfing ihre besondere Dynamik gerade von ihrem Monopolcharakter.“ (Mandel 1972a: 44) Mandel spricht damit den Vorteil an, den sich die frühen kapitalistischen Gesellschaften gegenüber den anderen Gesellschaften verschafften. Die kapitalistische Produktionsweise konnte sich demnach in Europa nur durchsetzen, weil sie notwendigerweise auf der Entnahme von Ressourcen und Werten aus anderen Teilen der Welt beruhte. Auf dieser Grundlage analysierte Mandel in der Folge die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise von der ursprünglichen Akkumulation über die Phase der freien Konkurrenz und das Zeitalter des Imperialismus bis hin zum Spätkapitalismus. Die miteinander verwobenen Prozesse der kapitalistischen Industrialisierung und internationalen Expansion fanden schließlich im Imperialismus ihren Ausdruck.
Von dieser Position ausgehend wäre es eigentlich naheliegend gewesen, die durch das Kapital erschlossene und in Wert gesetzte Natur und die Bedeutung der kolonialen Erschließung natürlicher Ressourcen in ein umfassendes Verständnis des Spätkapitalismus zu integrieren. Bemerkenswerterweise schenkte Mandel den energetischen und stofflichen Grundlagen der kapitalistischen Industrialisierung keine Beachtung. Das erscheint rückblickend umso verblüffender, weil sein theoretischer Anspruch und Ausgangspunkt dies widerspruchsfrei ermöglicht hätten.
Erzielung von Surplus-Profiten
Ernest Mandel verstand die Profitrate als die entscheidende Größe zum Verständnis der kapitalistischen Entwicklungsdynamik. Er erläuterte ausführlich wie zahlreiche teilweise unabhängige Variablen deren Verlauf beeinflussen. Seine besondere Beachtung fanden die Tendenzen, die einem Sinken der Profitraten entgegenwirken. Unter dem Zwang der Konkurrenz sind die Unternehmen bestrebt überdurchschnittliche Profite zu erzielen. Mandel differenzierte in monopolistische, technologische und räumliche Surplus-Profite. Sowohl das Aufsaugen billiger Arbeitskraft als auch der Erwerb und die Produktion billiger Rohstoffe ermöglicht dem Kapital Surplus-Profite zu erzielen. Diese Prozesse waren zentral während des Kolonialismus und blieben auch Kennzeichen der imperialistischen Arbeitsteilung (Mandel 1972a: 59f, 79).
Mandel zeigte, dass die ungleiche Entwicklung auf allen Maßstabsebenen immer eine wichtige Quelle von Surplus-Profiten war. Das Kapital erschloss sich nicht nur Kolonien außerhalb Europas, sondern schuf auch «innere Kolonien» in den imperialistischen Ländern. In der regionalen Struktur der industrialisierten Länder des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts bestanden „dieselben Elemente des ungleichen Austausches, des Produktivitätsgefälles, der Unterindustrialisierung, der Zurückstauung der Akkumulation von Kapital, d.h. das Nebeneinander von Entwicklung und Unterentwicklung“ wie diejenigen, die im Zeitalter des Imperialismus die Struktur der Weltwirtschaft kennzeichnen. Mandel differenziert auch die Struktur innerhalb der imperialistischen Länder in Industrieregionen und Agrarregionen, die als Zulieferquellen von Rohstoffen und Lebensmitteln dienen (Mandel 1972a: 80).
Die Erzielung von Surplus-Profiten durch ungleiche Entwicklung bestand in der gesamten kapitalistischen Entwicklung in beträchtlichem Maße immer auch in der Inwertwertsetzung und Plünderung von Früchten der Natur, was aber Mandel nicht herausarbeitete. Ansatzweise sprach er den Sachverhalt an, als er die Verfestigung von Surplusprofiten in Renten beschrieb, vor allem zur Erzielung von Bodenrenten. Doch blieb sein Blick einseitig. Er beachtete die Natur weitgehend unter dem Aspekt der warenförmigen Ressource. Den eigentlichen Prozess der Inwertsetzung der Natur, der zwingend auf der Durchsetzung von Eigentumsrechten und der Zerstückelung von ökologischen Zusammenhängen beruht, also auf Prozessen der ursprünglichen Akkumulation, sprach er nicht an. Er beschränkte sich auf die Erklärung der ungleichen Entwicklung, des ungleichen Tauschs und des damit zusammenhängenden Wertetransfers. Mandel erwähnte die Bedeutung der Rohstoff- und Energiepreise. Doch an keiner Stelle schenkte er der Veränderung der energetischen Basis von Holz- und Wasser zu fossilen Energieträgern die erforderliche Beachtung. Trotz seiner theoretischen und empirischen Betonung der ungleichen Entwicklung verkannte Mandel die Bedeutung des Extraktivismus und der Inwertsetzung der Natur zur Durchsetzung langanhaltend günstiger Rohstoff- und Energiepreise sowie zur Erzielung bedeutender Produktivitätsgewinne und Surplus-Profite.
Rohstoffe als Teil des zirkulierenden Kapitals
Die Aufwendungen für Rohstoffe und den Energieinput sind eine wesentliche Komponente des zirkulierenden Kapitals. Mandel unterstreicht, dass eine Senkung des zirkulierenden Kapitals wichtig ist, um die organische Zusammensetzung des Kapitals zu senken und damit die Profitrate zu erhöhen. Die Kosten für die „natürlichen Ressourcen“ sind also ein Aspekt, um die Fluktuationen der Profitrate zu verstehen. Mandel weist explizit darauf hin, dass wenn die Arbeitsproduktivität im Rohstoff produzierenden Sektor rascher steigt als jene im Konsumwaren produzierenden Sektor, „dann kann eine relative Verbilligung des zirkulierenden konstanten Kapitals im Vergleich zum variablen Kapital stattfinden, die zur Folge hat, dass, trotz beschleunigtem technischen Fortschritt und trotz beschleunigter Mehrwertakkumulation in fixem Kapital die organische Zusammensetzung des Kapitals langsamer wächst als zuvor.“ (Mandel 1972a: 39) Das zirkulierende Kapital lässt sich auch senken, indem dessen Umlaufsgeschwindigkeit erhöht oder die Transportkosten gedrückt werden. Der Bau des mit fossilen Energieträgern getriebenen Eisenbahnsystems war hierfür ein wichtiger Faktor (Mandel 1972a: 48).
Mandel erklärt die Bedeutung der relativen Rohstoffpreise in den frühindustrialisierten und den abhängigen kolonialen Ländern für die Erzielung von Surplus-Profiten (Mandel 1972a: 58-59). Mit Investitionen in den abhängigen Ländern vermochte das Kapital die Kosten für das zirkulierende konstante Kapital zu senken und dadurch die Profitraten in den Metropolen zu steigern (Mandel 1972a: 73-77). Die Bestrebungen die Rohstoffpreise zu drücken, beruhen jeweils auf spezifischen Formen der Inwertsetzung von Erträgen der Natur. Auch die Steigerung der Arbeitsproduktivität durch stärkere Mechanisierung im Rohstoffsektor hätte eine weitere Tür geöffnet für ein umfassenderes Verständnis des Gesellschaft-Natur-Verhältnisses.
Doch Mandel erörtert diese stofflichen Aspekte und jeweiligen Formen der Inwertsetzung der Natur, die für die Industrialisierung, den klassischen Imperialismus und den Spätkapitalismus charakteristisch sind, nicht weiter. Auch der Bezug günstiger Nahrungsmittel aus industrieller Landwirtschaft ist direkt mit der Inwertsetzung von Natur verbunden. Gelingt es dem Kapital, die Nahrungsmittelpreise anhaltend niedrig zu halten oder gar zu senken, ist es möglich den relativen Mehrwert zu steigern. Mandel behandelte Rohstoffe bloß als Ressource, als Inputfaktor, ohne jeglichen ökologischen Bezug zum gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur. Die Natur blieb somit der Wirtschaft äußerlich und betrat nur als Ware, also über den Preis, die gesellschaftlichen Verhältnisse. In dieser Hinsicht hatte Mandel sein Verständnis nicht wesentlich über die neoklassische Ökonomie hinaus entwickelt, die die Natur ebenfalls nur über den Preis vermittelt in das Reich der Ökonomie kommen lässt.
Wachstum und technologische Entwicklung in der Dialektik von Produktivkräften und Destruktivkräften
Bei drei grundlegenden Fragestellungen beobachtete Mandel die zunehmende Umweltzerstörung und erkannte sie als gefährlich für die gesamte Zivilisation. Während er bei der Frage des Wachstums und der technologischen Entwicklung eigentlich in einem produktivistischen Denkschema verharrte, entwickelte er mit seinem dialektischen Verständnis, dass Produktivkräfte auch Destruktivkräfte sein können, einen zentralen Baustein für eine zeitgenössische ökosozialistische Orientierung.
Wachstumsgrenzen
Entgegen ökonomisch-deterministischen Vorstellungen einer zielgerichteten und linearen Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise, verstand Mandel die kapitalistische Weltwirtschaft „als eine gestaffelte Struktur von Produktivitätsgefällen, als das Produkt einer ungleichen und kombinierten Entwicklung von Staaten, Gebieten, Industriezweigen und Firmen, bestimmt von der Suche nach Surplus-Profit.“ Surplus-Profite können „aber nur auf Kosten der weniger produktiven Länder, Gebiete und Produktionsbereiche erzielt werden.“ Das kapitalistische Weltsystem ist also „ein integriertes und gestaffeltes Ganzes von Entwicklung und Unterentwicklung auf internationalem, regionalem und sektoriellem Gebiet.“(Mandel 1972a: 96)
Mit dieser geographisch-dynamischen Vorstellung sich immer wieder neu herstellender ungleicher und kombinierter Entwicklung auf unterschiedlichen Maßstabsebenen, widersprach Mandel zugleich Luxemburg, die „in der weltweiten Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise die „innere Grenze“ der kapitalistischen Produktionsweise zu erkennen glaubte.“ (Mandel 1972a: 97) Harvey griff diese Vorstellung permanent ungleicher Entwicklung in seinem Konzept der spatial fixes (später spatio-temporal fixes) auf. Dieses besagt, dass Kapital sich immer wieder räumlich und zeitlich mobilisieren und fixieren muss, um das Problem der Überakkumulation zeitweilig zu „lösen“ (Harvey 1982). Aufgrund des Wert- beziehungsweise Mehrwerttransfers zwischen Regionen „gibt es rein ökonomisch keine Grenze für den Prozess des Wachstums der Kapitalakkumulation auf Kosten anderer Kapitalien, der Ausdehnung des Kapitals durch Verbindung von Akkumulation und Entwertung von Kapitalien, durch dialektische Einheit von und Widerspruch zwischen Konkurrenz und Konzentration“ (Mandel 1972a: 97).
Mandel verneint also, dass die kapitalistische Produktionsweise aus den ihr eigenen Entwicklungsgesetzen an eine innere Wachstumsgrenze stoßen werde, da Gebiete und Sektoren immer wieder Entwertungen erfahren, die später unter veränderten Bedingungen abermals wieder attraktiv für Kapitalakkumulation werden können. Diese Aussage relativiert seine Interpretation, wonach die kapitalistische Produktionsweise durchaus an innere Grenzen stoßen müsse (siehe nächsten Abschnitt über technologische Entwicklung).
Allerdings ignorierte er das Problem, ob die Kapitalakkumulation allenfalls an äußere, durch die Begrenzung des Globus vorgegebene Grenzen stoßen könne. Er lehnte diese Vorstellung äußerer Grenzen in seiner Auseinandersetzung mit den frühen Wachstumskritiker:innen des Club of Rome ab. In einer ausführlichen Fußnote verwies Mandel auf die vom Club of Rome in Auftrag gegebene Studie The Limits to Growth (Meadows, et al. 1972). Mandel gestand ein, dass die Autor:innen mit ihrer Aussage womöglich recht haben, wonach eine Ausdehnung der damaligen US-amerikanischen Produktionsstruktur auf die gesamte Welt sämtliche Rohstoffquellen vor Ende des Jahrhunderts zerstören und den Sauerstoffgürtel der Erde gefährden würde. Zugleich wendete er kritisch ein, dass sie in übertriebener Weise laufende Entwicklungen extrapolierten und mögliche radikale Änderungen des Gesellschaftssystems nicht berücksichtigten. Schließlich könnten auch „radikal geänderte umweltschützende Technologien sowie qualitativ gesteigerte Erzeugung von Ersatzmitteln für seltene Rohstoffe entwickelt werden“. Aus dem Befund, dass das US-amerikanische Modell von Vergeudungskapitalismus kein Ideal darstelle, solle man „aber nicht den Schluss ziehen, es gelte nun, das Wachstum überhaupt zu stoppen. Der einzig logische Schluss ist, dass ein bewusst geplantes und alle ‚indirekten gesellschaftlichen Kosten‘ miteinkalkulierendes Wachstum das anarchische und vergeudende ersetzen müsste.“ (Mandel 1972a: 513; vgl. auch Mandel 1972b)
Im erstmals 1980 erschienenen Buch über die langen Wellen der kapitalistischen Entwicklung hat Mandel seine Haltung zur Wachstums- und Umweltfrage weiterentwickelt.
„Wir Sozialisten und Marxisten sind keine Anhänger des verantwortungslosen „produktivistischen“ Glaubens der fünfziger und sechziger Jahre. Ein Großteil der sozialen Kritiken dieses Glaubens ist völlig berechtigt. Man muß nicht unbedingt die Vorhersagen der unvermeidbaren absoluten Energie- und Rohstoffknappheit z.B. des Club of Rome akzeptieren, um zu verstehen, daß die heutige Generation der Menschheit eine kollektive Verantwortung hat, künftigen Generationen eine Umwelt und einen Bestand an natürlichen Reichtümern zu sichern, die die notwendigen Voraussetzungen für das Überleben und Gedeihen einer menschlichen Zivilisation darstellen. Man muß auch nicht die verarmenden Nebenwirkungen der fortgesetzten Askese und Sparsamkeit akzeptieren, die dem ursprünglichen marxistischen Geist so fremd sind, da dieser auf Lebensgenuß und unendliche Bereicherung der allseitigen Möglichkeiten des Menschen abzielt, um zu verstehen, daß die endlos wachsende Produktion einer endlosen Vielfalt von mehr oder weniger nutzlosen Waren (in zunehmendem Maße ausgesprochen schädlichen Waren, gefährlich sowohl für die Umwelt als auch für die gesunde Entwicklung des gesellschaftlichen Individuums) nicht mit einem sozialistischen Ideal vereinbar ist. Ein solcher Output zeigt nur, daß die Bedürfnisse und die Gier des Kapitals zu immer größeren Mehrwert-Erzeugungen und -realisierungen, zu einem unendlich wachsenden und immer schädlicheren Warenberg führen.“ (Mandel 1995: 80-81; 1987: 96-97)
Die Vervielfachung der Umweltkrisen sowie die Diskursverschiebungen durch die Umweltbewegung haben Mandel offensichtlich dazu gebracht, seine Position etwas zu schärfen. Die heutige ökosozialistische Diskussion ist jedoch differenzierter und deutlich radikaler. Sie berücksichtigt nicht nur die Endlichkeit von Ressourcen, sondern auch die beschränkte Senkenkapazität der Ökosysteme, was besonders in Bezug auf die Anreicherung von Treibhausgasen relevant ist. Wie die inneren Widersprüche und die äußeren Grenzen der kapitalistischen Produktionsweise zusammenspielen und sich allenfalls gegenseitig verstärken, bleibt eine zentrale Frage, die ich hier aber nicht weiter erörtern kann (vgl. hierzu Chesnais 2017a).
Technologische Entwicklung im Spannungsfeld von Produktiv- und Destruktivkräften
Die technologische Entwicklung nimmt eine zentrale Rolle in Mandels theoretischer Erklärung der Phasen kapitalistischer Entwicklung ein. Die kapitalistische Industrialisierung beruhte zunächst auf der Dampfkraft. Zu Beginn der imperialistischen Epoche ging die maschinelle Herstellung von Dampfmaschinen in die maschinelle Herstellung von Elektromotoren über. Damit wurden die gesamten Produktionsprozesse in der Konsumgüterindustrie umgewälzt (Mandel 1972a: 173).
Mandel (1972a: 180-183) kennzeichnete die dritte technologische Revolution, die den Spätkapitalismus nach dem Zweiten Weltkrieg prägte, indem er unterschiedliche Prozesse und Verhältnisse beschrieb. Mandel erörterte ausführlich die Wirkungen der Automation auf die Mehrwertproduktion und der „absoluten inneren Grenze der kapitalistischen Produktionsweise“ (Mandel 1972a: 187-192). Die vollautomatische Produktion sei mangels Arbeitsbasis zur Erzeugung von Mehrwert unter kapitalistischen Bedingungen unmöglich. Auch in diesem Zusammenhang argumentierte Mandel, dass die kapitalistische Produktionsweise aufgrund ihrer eigenen Widersprüche durchaus an innere Grenzen stoßen mag. Doch an äußere Grenzen aufgrund des enormen Energiebedarfs, also der ökologischen und stofflichen Schranken, der Automation dachte Mandel nicht (Mandel 1972a: 197, 513). Mandel ging implizit von einer unbeschränkten Verfügbarkeit von Energie aus.
Die Automation bedeutet nichts anderes, als dass menschliche biotische Energie durch Maschinen ersetzt wird, die zumeist mit fossiler Energie angetrieben werden. Die relative Mehrwertproduktion beruhte bislang nahezu ausschließlich auf fossiler Energie (Altvater 2005: 85; 2007; 2010: 138ff). Mandel warf die Frage nicht ansatzweise auf, ob der Automation allenfalls auch energetische Schranken erwachsen könnten.
Die Antwort lautete rationale Bedarfsdeckung und damit auch die Vermeidung von riesiger Vergeudung. Es sei mehr als fraglich, ob mit bewusster und demokratischer Planung „Bevölkerungsexplosion“ und „Güterberg“, Luft, Wasser, Erde und Mensch weiterhin gefährden würden. Es sind „nicht Naturwissenschaft und zeitgenössische Technologie ‚an sich‘, sondern kapitalistisch strukturierte Naturwissenschaft und Technik, die das Überleben der Menschheit bedrohen“. Dabei verweist Mandel auf Marx, der bereits erkannte, dass das Kapital sich und die Produktivkräfte nur entfalten könne, „indem es gleichzeitig Raubbau an den beiden Quellen menschlichen Reichtums, der Erde und der Arbeit, übt.“ (Mandel 1972a: 515; vgl. Marx 1867: 530)
Damit sind wir bei einer grundlegenden Widersprüchlichkeit der technologischen Entwicklung in der kapitalistischen Produktionsweise angelangt: ihr Doppelcharakter von Produktiv- und Destruktivkraft. Mandel verweist auf Marxens bereits erwähntes Vorwort in Zur Kritik der politischen Ökonomie. Hier argumentiert Marx, dass auf einer bestimmten Stufe der Entwicklung materielle Produktivkräfte in Widerspruch zu den Produktionsverhältnissen geraten (Mandel 1972a: 198). In der marxistischen Diskussion wurde dies bislang zumeist so verstanden, dass die kapitalistischen Produktionsverhältnisse ab einer bestimmten Stufe die Entwicklung der Produktivkräfte hemmen und erst durch eine sozialistische Revolution von den Fesseln der Kapitalherrschaft befreit würden. Mandel ging einen wichtigen Schritt weiter:
Am Ende des 6. Kapitels über „das Spezifische an der dritten technologischen Revolution“ benannte er „die Dynamik der Vergeudungs- und Zerstörungspotentiale, die im Zeitalter des Spätkapitalismus mit der weiteren Entfaltung der Produktivkräfte verknüpft sind“. Diese seien „so stark, dass die Alternative zur Ablösung des Kapitalismus durch eine höhere Gesellschaftsform die Selbstzerstörung des Systems bzw. der gesamten menschlichen Zivilisation ist. Die Alternative ‚Sozialismus oder Barbarei‘ behält unter solchen Bedingungen, trotz dem Aufschwung der Produktivkräfte in den letzten zwanzig Jahren, ihre volle Bedeutung.“ (Mandel 1972a: 204)
Mandel betonte, dass der Charakter der technologischen Entwicklung durch die kapitalistische Produktionsweise bestimmt werde. Der „Glauben an die Allmacht der Technologie“ sei sogar die für den Spätkapitalismus kulminierende Ideologie. Sie proklamiere „die Fähigkeit der bestehenden Gesellschaftsordnung, ihre Krisenanfälligkeit allmählich zu beheben, ihre Widersprüche „technisch“ zu lösen, rebellierende Gesellschaftsklassen zu integrieren und Explosionen zu vermeiden“ (Mandel 1972a: 445). Zugleich meint er, dass „unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen“ die „ihre schöpferischen Fähigkeiten voll entfaltenden Menschen“ […] eine den Erfordernissen der ‚reichen Individualität‘ gerechte, ‚qualitativ andere‘ Technik entwickeln (Mandel 1972a: 448).
Dabei verwies er zustimmend auf den Ökologen Barry Commoner. Dieser Pionier der US-Umweltbewegung wies anhand des Missbrauchs chemischer Düngemittel, der Substituierung von Seife durch Reinigungsmittel und der Luftverschmutzung nach, dass die Umweltgefährdung nicht durch Sachzwang, sondern durch technologische Entscheidungen hervorgerufen wurde, die durch Privatinteressen motiviert sind (Commoner 1971: 169).
Mandel kritisierte, dass die herrschende Ideologie der „technischen Rationalität“ vortäusche, dass das System alle sozioökonomischen Gegensätze, die der kapitalistischen Produktionsweise innewohnten, überwinden könne (Mandel 1972a: 450). Das „rapid zunehmende Bewusstsein von den Umweltgefahren“ in den imperialistischen Ländern zeige aber, dass diese Integrationsprozesse widersprüchlich verlaufen. Die entstehende Umweltschutzindustrie könne zugleich allerdings neue Märkte schaffen. Wer aber nur diesen Aspekt erkenne und nicht einsehe, „dass die systematische Aufklärung über die dem Wesen der kapitalistischen Produktionsweise selbst entsprechende und in ihrem Rahmen nicht überwindbare Umweltgefährdung eine Waffe gegen den Kapitalismus darstellt“, verkenne „die Komplexität der spätkapitalistischen Gesellschaftskrise“ (Mandel 1972a: 453). Mandel hielt also die Lösung der Umweltkrise im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise für unmöglich und sah auch, dass die entstehende Umweltbewegung durch Massenmobilisierungen ein wichtiger Faktor für die Veränderung der gesamtgesellschaftlichen Kräfteverhältnisse sein kann. In der Tat entwickelten sich einige Organisationen der von Ernest Mandel stark beeinflussten Vierten Internationale bereits in den 1970er und 1980er Jahren zu wichtigen Treiberinnen in Mobilisierungen gegen die Umweltzerstörung. In den 1980er Jahren publizierten Mitglieder der Vierten Internationale grundsätzliche und theoretische Ausarbeitungen über die Integration der ökologischen Herausforderung in die marxistische Theoriebildung und revolutionär-sozialistische Strategien (u.a. Dräger 1985; Lockhead 1987; Moreau 1989; Bagarolo 1989). Dieser Faden riss im Laufe der 1990er und wurde erst später wieder aufgenommen (Kovel und Löwy 2002; Löwy 2002; Tanuro 2007, 2010).
So sehr Mandel bereits wirkende und potenzielle Destruktivkräfte erkannte, so blieb er theoretisch inkonsequent. Erstaunlicherweise integrierte er bei seiner Darlegung der Destruktivkräfte nirgendwo die bereits von Marx gelegte Spur über den unheilbaren Riss des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur (Marx 1894: 821; vgl. Foster 2009: 176f). Dieser Riss gründet nicht nur in der kapitalistisch geprägten technologischen Entwicklung, sondern in der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt. Dieser letztlich globale ökologische Riss (Foster, et al. 2010: 18) ließe sich im Verständnis von Mandel auch als Destruktivkraft konzipieren. Foster, Clark und York gehen einen Schritt weiter und argumentieren, dass die Analyse des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur den Schlüssel biete, um die Herausforderung der planetarischen Grenzen zu verstehen. Das betreffe namentlich auch den Kohlenstoffkreislauf, Stickstoffkreislauf, Phosphorkreislauf, weitere Kreisläufe und die Biodiversität (Foster, et al. 2010: 46).
In seiner Annahme, den technologischen Fortschritt gesellschaftlich gerecht und ökologisch verträglich zu organisieren, vergisst Mandel die sogenannten Rebound-Effekte (Rückschlageffekte), auf die bereits der neoklassische Ökonom William Stanley Jevons Mitte des 19. Jahrhunderts am Beispiel der Effizienzgewinne der Kohlenutzung hingewiesen hatte. Die effizientere Nutzung einer Ressource reduziere nicht etwa ihren Verbrauch, sondern erhöhe ihn durch unterschiedliche Prozesse einer Nachfragesteigerung (Foster, et al. 2010: 169ff).
Mandel meinte, dass sich die Produktivkräfte im Zuge der dritten technologischen Revolution im Zeitalter des Spätkapitalismus dermaßen entfaltet haben, dass sogar die erste Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise, nämlich die verallgemeinerte Warenproduktion, erschüttert werde. Er nannte zwei Gründe: Erstens nahmen die Sättigungstendenzen und die chronische Überproduktion in zahlreichen Bereichen, beispielsweise in der Landwirtschaft, zu. Zweitens „führt der im Widerspruch zwischen wachsender Vergesellschaftung der Arbeit und privater Aneignung wurzelnde objektive Gegensatz zwischen Teilrationalität und Gesamtrationalität, der für die kapitalistische Produktionsweise kennzeichnend ist, im Zeitalter des Spätkapitalismus zu einer solchen Potenzierung dieser Gesamtirrationalität, dass sie nicht nur die bestehende Gesellschaftsform, sondern die menschliche Zivilisation mittelfristig bedroht.“ (Mandel 1972a: 511) Mit dieser Zuspitzung bewies Mandel ein großes Gespür für die (späteren) gesellschaftlichen Klassenkämpfe, die nicht nur in der Sphäre der Produktion, sondern im gesamten gesellschaftlichen Reproduktionszusammenhangs hervorbrechen können. Die dem freien Profitstreben überlassene Privatinitiative zur „freien Erzeugung“ und zu „freiem Verkauf“ vergifteter Lebensmittel, gesundheitsschädlicher Pharmaka und Drogen, unsicherer Autos und umweltgefährdender Chemikalien bedrohe die Menschheit ebenso wie Kernwaffen, argumentiert Mandel sich auf zahlreiche Anfang der 1970er Jahre publizierte Studien stützend (u.a. der kritischen Autoren Commoner 1971; Rothman 1972).
Die kapitalistischen Konsummuster und die kapitalistischen Technologien gelte es gemeinsam resolut zurückzuweisen und mit einem entschlossenen Kampf für alternative Technologien zu verbinden. Damit sei es möglich, das emanzipatorische Potential des Maschinenparks auszuweiten, statt einzuschränken. Neue Technologien sollten es möglich machen, alle Menschen von der Last der mechanischen, verkrüppelnden, unkreativen Arbeit zu befreien und zugleich die Menschen zu einer reichhaltigen Entfaltung ihrer Persönlichkeit auf der Grundlage der Befriedigung aller grundlegenden Bedürfnisse befähigen. Weiteres „Wachstum“ werde sich auf Bedürfnisse der „nicht-materiellen“ Produktion, also vor allem der zwischenmenschlichen Beziehungen, konzentrieren. Mandel betonte ausdrücklich, er glaube „an die unendlichen Fähigkeiten der menschlichen Intelligenz, der menschlichen Wissenschaft, des menschlichen Fortschritts, der menschlichen Selbstverwirklichung und der menschlichen Freiheit, ohne die Verteidigung solcher Freiheiten (hauptsächlich der Entscheidungsfreiheit, aber auch die Freiheit des Denkens, des Schaffens, der politischen und gesellschaftlichen Betätigung) in irgendeiner Weise einer paternalistischen Instanz unterzuordnen, die diese angeblich für die Menschheit sichern könne.“ (Mandel 1995: 81; 1987: 97)
Bei diesen Ausführungen über die Möglichkeiten neuer Technologien ignoriert Mandel die Frage, welche Energieträger die Maschinen und Technologien überhaupt antreiben. Mit dem Hinweis auf „nicht-materielle“ Produktion scheint er der Illusion einer künftigen Entmaterialisierung zu erliegen, doch zugleich legt er eine Spur zu einer systemüberwindenden Perspektive, die in der gegenwärtigen Diskussion über gesellschaftliche Infrastruktur und kollektiven Konsum in anderem Lichte solidarische Perspektiven eröffnet.
Lange Wellen als spezifische historische Phasen
Mandel verdichtete seine historische Analyse der kapitalistischen Produktionsweise in seiner Theorie langer Wellen. Er verstand die langen Wellen als historische Phasen mit jeweils spezifischen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Charakteristika. Eine neue Phase überdurchschnittlicher Kapitalakkumulation könne sich infolge einer plötzlichen Anhebung der Durchschnittsprofitrate durchsetzen. Hierfür können u.a. ein plötzliches Absinken der durchschnittlichen organischen Zusammensetzung des Kapitals, eine plötzliche Steigerung der Mehrwertrate, eine abrupte Verbilligung von Elementen des konstanten Kapitals, vor allem der Rohstoffe und eine plötzliche Verkürzung der Umschlagszeit des zirkulierenden Kapitals verantwortlich sein (Mandel 1972a: 107-108). Letztlich bestimmten die sechs bereits in Abschnitt 1.2 erwähnten Variablen der Profitrate diese Dynamik.
Auch der Kapitalfluss in Länder und Sektoren, wo die durchschnittliche organische Zusammensetzung des Kapitals deutlich niedriger ist als in den industrialisierten kapitalistischen Ländern wirke dem tendenziellen Fall der Profitrate entgegen (Mandel 1995: 11). Dieser Prozess geht jedoch zumeist mit der Kolonialisierung und Inwertsetzung von Natur in diesen Ländern einher. Darauf geht Mandel aber nicht ein.
Mandel erklärte die langfristigen Wellenbewegungen der kapitalistischen Akkumulation als Ausdruck ihrer inneren Logik (Mandel 1972a: 136f). In seinem Buch über die langen Wellen präzisierte er, dass diese historischen Momente des Umschlages in eine expansive Phase durch exogene politische Ereignisse bestimmt seien. Hingegen entspringe die Erschöpfung einer langen expansiven Phase der endogenen Logik der sinkenden Profitrate (Mandel 1987, 1995).
Mit Verweis auf die Ausführungen von Marx (1867: 396-405) über die Investitionen für Bewegungsmaschinen, Transmissionsmaschinen und Werkzeug- oder Arbeitsmaschinen erklärte Mandel den Durchbruch der Industrialisierung, der auf einer plötzlichen Erhöhung der Durchschnittsprofitrate beruhte (Mandel 1972a: 109):
„Die grundlegenden Umwälzungen der Energietechnik – der Technik zur maschinellen Erzeugung von Bewegungsmaschinen“ wie beispielsweise durch die „maschinelle Erzeugung der durch Dampfkraft getriebenen Motoren seit 1848; maschinelle Erzeugung der Elektro- und Explosionsmotoren seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts; maschinelle Erzeugung der elektronischen und kernenergetischen Geräte seit den vierziger Jahren unseres Jahrhundert: dies sind die drei allgemeinen Umwälzungen der Technik, die die kapitalistische Produktionsweise nach der „ursprünglichen“ industriellen Revolution der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hervorgebracht hat.“ (Mandel 1972a: 110f)
Derartige technologische Umwälzungen gehen also mit umfassenden Restrukturierungen des gesamten produktiven Apparates einher (Mandel 1972a: 111; vgl. Marx 1867: 404). „Es ist nicht schwer zu belegen, dass jede der drei grundlegenden Umwandlungen der maschinellen Herstellung von Energiequellen und Bewegungsmaschinen allmählich die ganze Produktionstechnik der gesamten Wirtschaft umwälzte und ebenfalls zu einer Umwälzung der Technik des Kommunikations- und Transportwesens führte (Mandel 1972a: 112).
Mandel (1972a: 123-125) verweist zwar auf die „grundlegenden Veränderungen der Energietechnik“ im Zuge seiner Erklärung und Charakterisierung der kapitalistischen Industrialisierung und des langen spätkapitalistischen Aufschwungs. Doch erklärt er Industrialisierung und die nachfolgenden langen Wellen, ohne auf die besonderen stofflichen Eigenschaften der entscheidenden fossilen Energieträger einzugehen. Der Stoffwechsel mit der Natur ist also auch bei diesen grundlegenden historischen Entwicklungsdynamiken der kapitalistischen Produktionsweise kein Thema bei ihm.
Andreas Malm allerdings greift Mandels Ansatz auf, um den Kapital-Energie-Nexus in den langen Wellen zu analysieren. Jede Welle markiere eine Phase in der Fähigkeit des Kapitals, die Profitrate nach einer Krise wieder zu steigern. Jeweils spezifische Formen der Energie im Verhältnis zur Arbeit seien die Voraussetzungen einer langen Aufschwungsphase. Kurz: die Energietechnologie sei der Schlüssel zum Aufschwung (Malm 2018: 25). Denn die Energietechnologie durchdringe jede Ritze einer Produktionsweise und eines Produktionssystems, indem sie alle möglichen Güter antreibe, fördere, anhebe, schleppe, heize, pumpe, verbinde und Kommunikation herstelle. Wenn ein Anstieg der Profitrate die wirtschaftliche Vorbedingung für einen Aufschwung sei, dann sei eine neue Generation von Antriebsmaschinen deren materielle Verkörperung (Malm 2018: 25).
Doch um die Profitrate zu steigern, brauche es nicht nur neue Antriebsmaschinen. Um alle Hürden, die sich der Steigerungen der Profitraten entgegenstellen, zu überwinden, müsse das Kapital die Arbeitsprozesse umgestalten und die organisatorische Stärke der Arbeiter:innenklasse in den wichtigsten industrialisierten Ländern brechen. Malm (2018: 29) argumentiert mit Verweis auf Mandel (1972a: 112), dass jede der drei technologischen Revolutionen zwischen der ersten und der fünften Welle „allmählich die ganze Produktionstechnik der gesamten Wirtschaft umwälzte und ebenfalls zu einer Umwälzung der Technik des Kommunikations- und Transportwesens führte.“
Gegen Ende des 4. Kapitels „Lange Wellen als spezifische Perioden“ in seinem Buch zu diesem Thema erörterte Mandel die Bedingungen für eine weitere lange Aufschwungsphase. Er hielt dieses Szenario für unwahrscheinlich, schloss es jedoch nicht völlig aus. Er betonte allerdings den unermesslichen menschlichen Preis einer derartigen „Anpassung“. Er bezweifelte zwar, dass die Umwelt weitere 20 bis 25 Jahre des Wirtschaftswachstums wie seit der Zeit nach dem 2. Weltkrieg und der damit einhergehenden wachsenden Verschwendungen von Natur und wachsenden Bedrohung ökologischer Gleichgewichte tolerieren könne. Zugleich glaubte er jedoch, wie in Abschnitt 1.2 bereits angeführt, dass eine vom Profitstreben befreite Wissenschaft und bewusster Wille die entscheidenden Umweltprobleme lösen könne (Mandel 1995: 94; 1987: 111). Malm erklärt die fünfte Welle mit der Verbreitung der Mikroprozessoren und der vollständigen Durchsetzung des Neoliberalismus zu Beginn der 1990er, die ab der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 in ihre Abschwungsphase getreten sei (Malm 2018: 25). Andere Autoren in der Tradition von Ernest Mandel wie Michel Husson (Husson und Louca 2012; Husson 2008) argumentierten dagegen mehrfach, dass die kapitalistische Produktionsweise ab Mitte der 1970er Jahre in eine Phase geringen Wachstum getreten sei, die im Zuge der New Economy nur durch einen kurzen Aufschwung unterbrochen wurde. Der Neoliberalismus mit seiner chaotischen Regulation habe es nicht geschafft, die Bedingungen für langanhaltendes und stabiles Wachstum zu schaffen (Husson 2009b, 2020). Ob man die Zeit von den 1990er Jahren bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007/08 als längere Aufschwungsphase charakterisiert, hängt auch davon ab, wie man den bemerkenswerten Aufschwung Chinas einordnet. François Chesnais nahm zunächst eine andere Periodisierung als Husson vor. Er argumentierte, dass sich auf globaler Ebene von 1976 bis zur 2008 einsetzenden globalen Finanz- und Wirtschaftskrise eine lange ununterbrochene Wachstumsphase, allerdings mit abschwächenden Wachstumsraten, durchsetzte. Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit Joseph Schumpeters und Ernest Mandels Theorien langer Wellen und den Wirkungen neuer Technologien auf die Produktivitätsentwicklung kam er zum Schluss, dass sich eine neue lange Phase der relativen Stagnation beziehungsweise schwachen Wachstums verfestigte (Chesnais 2019).
Mandel äußerte beträchtliche Zweifel daran, dass eine fünfte lange Prosperitätsphase eintreten könnte. Seit den frühen 1990er Jahren gab es jedoch durchaus bedeutsame Aufschwünge. Diese wurden allerdings nur auf dem Rücken historischer Niederlagen der Arbeiter:innenbewegung, der Erschließung neuer Märkte (vor allem China) und mit einer enormen Zuspitzung der ökologischen Zerstörungen möglich. Dreißig Jahre später ist offensichtlich, dass die Kapitalakkumulation in der Tat das Erd- und Klimasystem über planetare Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit hinausgetrieben hat. Die Weltgesellschaft hat seit 1988, als der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) eingesetzt wurde und die erste Klimakonferenz stattfand, mehr die CO2-Emission emittiert als in der ganzen vorangegangenen Zeit seit der Industrialisierung bis 1988 (Griffin 2017: 7).
Das Kapital strebe eine „destruktive Anpassung“ zur Lösung seiner Widersprüche und zur Einleitung einer neuen „Welle des Wirtschaftswachstums“ an. Die bürgerliche Klasse könne diese aber nur durchsetzen, wenn sie in harten Klassenkämpfen gegen die Lohnabhängigen den Sieg davontrage. Doch es gebe einen anderen Ausweg aus der Wirtschaftskrise, „der die gesellschaftlichen und menschlichen Kosten auf einen winzigen Bruchteil derjenigen der „destruktiven Anpassung“ des Kapitalismus herabsetzen würde. Das ist der sozialistische Weg.“ Die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die demokratische Bestimmung der Planungsprioritäten durch die Mehrheit einschließlich aller demokratischer Freiheiten und des politischen Pluralismus sei die „kreative Anpassung der Menschheit an die Bedürfnisse und Möglichkeiten der gegenwärtigen Epoche“ (Mandel 1995: 95; 1987: 112-113).
4. Mandels Spätkapitalismus als Werkzeug für zeitgenössische Analysen
Ernest Mandels Verständnis der sechs teilweise unabhängigen Variablen zur Analyse der Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise und besonders ihrer spätkapitalistischen Phase hätte es eigentlich erlaubt, die Energie sowie die stoffliche Zusammensetzung der Produktion und der Energieträger widerspruchsfrei in das Analyseschema zu integrieren. Doch dies hat Mandel nicht ansatzweise gemacht. Immerhin deuten seine Ausführungen in den letzten beiden Kapiteln des Spätkapitalismus und im vierten Kapitel der langen Wellen darauf hin, dass er anfing, die ökologische Tragweite der kapitalistischen Zerstörung zu erfassen.
Mandel verweist auf den Gegensatz zwischen Tauschwert und Gebrauchswert, den widersprüchlichen Prozess von Einzelrationalitäten, die in ihrer Summe zu gesellschaftlicher Irrationalität führen, sowie auf den dialektischen Zusammenhang, dass Produktivkräfte sich unter kapitalistischen Bedingungen in Destruktivkräfte wandeln können. Dennoch wirken die Ausführungen im letzten Kapitel über die Krise der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und seine Kritik des technologischen Rationalismus im 15. Kapitel nicht wirklich kohärent mit den grundlegenden ersten fünf Kapiteln verbunden. Als kritischer Leser 50 Jahre nach der Publikation des Buches erhält man den Eindruck, dass der Autor einige umweltrelevante Ausführungen erst unmittelbar vor der Fertigstellung des Buches einfügte.
Um mit dem Spätkapitalismus eine wirklich umfassende und synthetische Analyse und Kritik der kapitalistischen Produktionsweise vorzulegen, hätte der Autor den grundlegenden Widerspruch zwischen dem stofflich bestimmten Gebrauchswert und dem Tauschwert, den durch die Arbeit praktizierten gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur sowie den Zusammenhang zwischen Lohnarbeit und reproduktiver Arbeit in sein in Kapitel 1 skizziertes theoretisches und methodisches Analysegerüst einbauen müssen. Die Frage lautet nun, ob sich Mandels Ansatz um die ökologische Dimension erweitern lässt oder ob sein Verständnis des Spätkapitalismus theoretisch und methodisch überholt ist. Ich hebe drei grundlegende Mängel in Mandels Analyse des Spätkapitalismus und seinen späteren grundsätzlichen Werken hervor.
Gebrauchswert und stoffliche Seite der Arbeit
Ernest Mandel erkannte im Spätkapitalismus zwar allgemein, dass die Energie eine zentrale Quelle ist, um eine neue Welle gewissermaßen zu tragen. Doch sowie er die stofflichen Aspekte des Gebrauchswerts nicht theoretisierte, ging er in keiner Weise auf die stofflichen Aspekte der Energie ein. Mandel beachtete die stoffliche Seite der Produktion und Reproduktion nur ansatzweise. Überhaupt setzte er sich kaum mit der Beschaffenheit des Gebrauchswerts auseinander. Ihm ging es um die Entschlüsselung der kapitalistischen Verwertungslogik und der Bewegungsgesetze des Kapitals. Für ein umfassendes Verständnis gesellschaftlicher Dynamiken ist diese Lücke allerdings nicht zu rechtfertigen. Obwohl Mandel zweifellos mit dem Werk von Marx und Engels ausgesprochen gut vertraut war, schenkte er offensichtlich Marxens ökologischen Überlegungen über den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur und dem durch die kapitalistische Produktionsweise hervorgerufenen Riss dieses Stoffwechsels keine Aufmerksamkeit. Darum war er auch nicht in der Lage, die unterschiedlichen Logiken der Kapitalverwertung einerseits und der physischen, chemischen und biologischen Prozesse andererseits zu verstehen. Während erstere zirkulär sind, sind zweitere gerichtet und mit einer steigenden Entropie verbunden (Georgescu-Roegen 1971; Altvater 2005, 2010).
Die Kapitalverwertung beginnt mit Geld und mündet über den Produktions- und Stoffwechselprozess und die Erzeugung von Mehrwert wieder in die Geldform. Doch der Produktions- und Stoffwechselprozess ist mit einer irreversiblen stofflichen Umwandlung verbunden. Nur ein Bruchteil der Stoffe kann wieder recycelt werden und zwar nur mit einem beträchtlichen Energieaufwand.
Mandel setzte sich zudem nur am Rande mit der Beschaffenheit und dem Prozess der konkreten Arbeit sowie dem Verhältnis von Lohnarbeit und der reproduktiven Arbeit, die aber Voraussetzung für die Lohnarbeit ist, auseinander. Denn die konkrete Arbeit ist die Tätigkeit zur physischen, biologischen und chemischen Umwandlung von Stoffen unter Energieeinsatz.
Produktivkraftentwicklung und planetare Grenzen
Seinen weitsichtigsten Beitrag für eine ökologisch sensible Analyse der Kapitalherrschaft bot Mandel mit seinen Ausführungen über den Doppelcharakter der Produktiv-Destruktivkräfte. Mandel näherte sich der ökologischen Herausforderung über sein Marx entlehntes dialektisches Verständnis über das Kippen von Produktivkräften in Destruktivkräfte (Mandel 1984). Technologische Innovationen könnten sich unter kapitalistischen Bedingungen zu Destruktivkräften transformieren. Sie lösten Arbeitslosigkeit, Verarmung und ökologische Zerstörung aus und stellten letztlich sogar das Überleben großer Teile der Menschheit in Frage. Mit dieser Feststellung nahm er weitsichtig viele Entwicklungen vorweg, die sich seit Mitte der 1970er bis in die Gegenwart dramatisch durchsetzen. Doch leider argumentierte Mandel inkonsequent. Denn die weitreichenden stofflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen, die sich durch den Übergang von nachwachsenden Energiequellen zu den fossilen Energieträgern ergaben, finden keinen Eingang in seine Überlegungen.
Mandel überschätzte das Potential technologischer Lösungen. Er schien davon auszugehen, dass die menschliche Gesellschaft unter sozialistischen Bedingungen die Produktivkräfte derartig entwickeln und gestalten kann, dass sich die ökologischen Grenzen weit hinausschieben ließen. Mandel traf auch Aussagen, die von einem überhöhten technologischen Machbarkeitsglauben geprägt waren. Am Schluss seiner Einführung in den Marxismus, wo er die Überwindung der Entfremdung und den Emanzipationsprozess der Menschen in einer sozialistischen Gesellschaft skizziert, heißt es: „Die Menschheit wird ihre geographischen Lebensbedingungen und die Gestaltung des Erdballs meistern, sie wird das Klima verwandeln und die großen Wasserreserven verteilen und wird zugleich die Störung des ökologischen Gleichgewichts verhindern oder rückgängig machen.“ (Mandel 1979: 219) Mandel zeigte hier eine enthusiastische und zugleich geradezu naiv anmutende Vorstellung über die Komplexität der Wirkungen der menschlichen Naturveränderungen.
Mandels Argumentation, dass die Produktivkräfte unter den Bedingungen der kapitalistischen Verwertungslogik sich in Destruktivkräfte verwandeln können, bleibt für jede ökosozialistische Kritik und Perspektive wichtig. Die Kapitalakkumulation treibt die Gesellschaften dazu, zahlreiche planetary boundaries des Erd- und Klimasystems zu überschreiten. In ihrer Gesamtheit und in ihren Interaktionen führen diese Veränderungen zu einem qualitativen Bruch. Das Überschreiten von Kipppunkten des Erd- und Klimasystems wird sich selbstverstärkende und abrupte Veränderungen auslösen (Rockström, et al. 2009; Steffen, Richardson, et al. 2015). Daher müssen wir konstatieren, dass die Kapitalakkumulation als solche zu einer Destruktivkraft geworden ist. Je länger die Kapitalherrschaft ihre Zwänge durchzusetzen vermag, desto destruktiver wird sie für die menschliche Gesellschaft und die Umweltbedingungen sein.
Gegenwärtige kapitalistische Entwicklungsphase im Anthropozän
Mit seiner Theorie der Langen Wellen lieferte Mandel ein wertvolles Instrument zur Bestimmung unterschiedlichen Phasen der kapitalistischen Produktionsweise und zur Zeitdiagnostik möglicher künftiger Entwicklungen.
Mandels Theorie der langen Wellen mit dem endogenen oberen und der exogen bestimmten unteren Umschlagsituation lässt sich anpassen und erweitern. Zur Erklärung einer langanhaltenden Phase stagnierender Grundtendenz sind teilweise exogene Variablen zu berücksichtigen. Pandemien, zunehmend abruptere und massivere Wetterextreme und die anhaltenden klimatischen Veränderungen können als exogene Kräfte den Akkumulationsprozess entscheidend beeinträchtigen, obwohl diese längerfristig betrachtet wiederum Ausdruck der endogenen Zwänge der Kapitalakkumulation sind. Mandel erkannte zwar die Bedeutung der fossilen Energieträger für die Wachstumsphasen der Industrialisierung, der imperialistischen Expansion und des Neokapitalismus bzw. Spätkapitalismus, doch er blendete die ökologische Tragweite sowohl der Treibstoffe selbst als auch der durch diese getragenen Wachstumsschübe aus. Wie viele andere marxistische Theoretiker unterschied er nicht zwischen den Flüssen der erneuerbaren bzw. solaren Energien und den Beständen der fossilen Energien. Ohne die Bestände der fossilen Energieträger wären die langen Phasen überdurchschnittlichen Wachstums nach der Industrialisierung und ganz besonders die Prosperitätsphase des Spätkapitalismus nicht möglich gewesen.
Die Erderhitzung ist die offensichtliche ökologische Herausforderung unserer Zeit. Das Budget der Treibhausgasemissionen ist in den imperialistischen Ländern, die historisch Hauptverantwortung für die Treibhausgasemissionen tragen, aufgebraucht. Wenn sich die Temperatur noch etwas mehr erhöht, werden Kipppunkte überschritten, was eine verhängnisvolle Eigendynamik auslösen und die Erderhitzung zusätzlich antreiben wird. Diese wird sich dann kaum mehr abbremsen lassen. Eine derartige Kaskade von sich gegenseitig verstärkenden Mechanismen führt dazu, dass sich die Erde zu einem heißen Planeten entwickelt, der für die gegenwärtigen menschlichen Gesellschaften und für viele weitere Arten nur noch eingeschränkt bewohnbar ist (Steffen, et al. 2018). Die umfassende ökologische Krise ist Ausdruck des Widerspruchs zwischen den planetaren Grenzen des Wachstums und der endlosen Akkumulationsdynamik des Kapitals (Chesnais 2016).
Neben der Erderhitzung haben auch der Verlust der Biodiversität, die Versauerung der Ozeane, Landnutzungsänderungen durch Abholzung sowie der Stickstoff- und Phosphoreintrag in die Biosphäre und Atmosphäre die Grenzen der Tragfähigkeit erreicht oder gar überschritten (Rockström, et al. 2009; Steffen, Richardson, et al. 2015). Die kapitalistische Industrialisierung eröffnete einen Prozess, der schließlich mit der Mitte des 20. Jahrhunderts in Gang gesetzten „Großen Beschleunigung“ dazu führte, dass der Planet Erde in das neue geologische Zeitalter des Anthropozäns trat (Angus 2020). Diese große Beschleunigung ist gewissermaßen das physikalische und gesellschaftliche Ebenbild des Spätkapitalismus mit all seinen ökologischen Konsequenzen. Politisch zugespitzter ließe sich sagen, dass die gesellschaftlichen Annehmlichkeiten des Spätkapitalismus in den imperialistischen Ländern zwingend mit den ökologischen Zerstörungen, den erdsystemaren Veränderungen und eben der Durchsetzung des Anthropozäns einhergehen mussten.
Weite Teile der Erde einschließlich zahlreiche Megacities werden wahrscheinlich bereits in wenigen Jahrzehnten nicht mehr bewohnbar sein. Dauert die gegenwärtige Klimapolitik an, wird sich in den kommenden 50 Jahren die Temperaturnische, innerhalb der sich die menschliche Gesellschaft entwickeln konnte, stärker verändern als jemals in den letzten 6000 Jahren. Je nach Bevölkerungszunahme und Erderhitzung werden eine bis drei Milliarden Menschen nicht mehr unter klimatischen Bedingungen leben, wie sie in den letzten 6000 Jahren bestanden. Die potenziell am stärksten betroffenen Regionen zählen zu den ärmsten der Welt (Xu, et al. 2020). Dieser Prozess wird auf die Auslöschung eines Teils der armen Weltbevölkerung hinauslaufen.
In diesen Rahmen ist die weltwirtschaftliche Entwicklung zu setzen. Die Weltwirtschaft ist seit der großen Krise 2008 in einer stagnativen Phase. Die im Herbst 2019 begonnene Krise, die durch die Pandemie massiv verstärkt wurde, spitzt auch die Orientierungslosigkeit der herrschenden Kapitalfraktionen zu. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die wirtschaftlichen und die politischen Krisen in den imperialistischen Kernländern bald lösen lassen. Der russische Angriffs- und Besatzungskrieg gegen die ukrainische Bevölkerung und die wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen der westlichen Länder verschärfen die Krisentendenzen, die zu gesellschaftlichen Verwerfungen und unterschiedlichen Protestbewegungen führen.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien verschlingt viele mineralische und biologische Ressourcen und tritt in massive Konkurrenz zu anderen Flächennutzungen, nicht zuletzt der Nahrungsmittelproduktion. Aufgrund des großen Investitionsbedarfs und der anhaltenden großen Energienachfrage ist zumindest mittelfristig mit hohen oder steigenden Energiepreisen zu rechnen. Das drückt in vielen Industriesektoren auf die Profitraten, was die Konzerne wiederum zu großer Vorsicht gegenüber umfangreichen Investitionen anhalten wird.
Die Herausforderung ist historisch einmalig. Jedes Glied und jede Ecke der kapitalistischen Ökonomie muss entfossilisiert werden. Bei wachsendem oder auch nur stagnierendem Energieverbrauch ist es unwahrscheinlich, dass erneuerbare Energien unter kapitalistischen Bedingungen bereits in wenigen Jahrzehnten die fossilen Energieträger ersetzen können.
Nun stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine weitere langanhaltende Aufschwungsphase möglich ist. Die Anhänger:innen eines grünen Kapitalismus argumentieren, dass genau diese energetische Transition der kapitalistischen Produktionsweise einen neuen Schub verleihen kann. Doch solange die Profitraten nicht wieder merklich steigen, ist eine derartige Aufschwungsphase unwahrscheinlich. Eine erneute Aufschwungsphase wäre zudem mit einer erneuten Steigerung des Material- und Energieverbrauchs und den damit verbundenen Treibhausgasen, also einer Beschleunigung der Erderhitzung, verbunden.
5. Fazit
Mandels Spätkapitalismus und Lange Wellen sind weiterhin wichtige Referenzen für eine grundsätzliche Kritik der kapitalistischen Produktionsweise, eine zeitdiagnostische Analyse ihrer gegenwärtigen Phase und eine Abschätzung möglicher zukünftiger Entwicklungen.
Lineares Denken überwinden
Die Arbeiten von Mandel sind in Bezug auf die ökologischen Herausforderungen offensichtlich ungenügend. Doch zur Beurteilung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation und der kommenden Herausforderungen ist Mandels Verständnis der teilweise unabhängigen Variablen zur Bestimmung der Dynamik der kapitalistischen Produktionsweise weiterhin ein sinnvoller methodischer Ansatz. Er bietet einen guten heuristischen Untersuchungsrahmen, um die Dynamik der Profitrate und damit des Investitionsverhaltens und die Akkumulationsdynamik zu beurteilen. Allerdings müssen erstens die stofflich-ökologischen Komponenten in diese Variablen einfließen, und zweitens ist die Dynamik der Kapitalakkumulation selbst in den Kontext der ökologischen Restriktionen und der planetaren Grenzen zu setzen. Zu beachten ist, dass Naturveränderungen wie das Überschreiten von Kipppunkten oder der Verlust an Biodiversität irreversibel sind (Altvater 2010: 19).
Abrupte Veränderungen des Klimas können die Dynamik in unvorhersehbare Richtungen treiben. Die Erderhitzung und die Veränderungen des Erdsystems werden fortan eine zentrale exogene Rahmenbedingung bilden. Die Corona-Pandemie hat uns 2020 und 2021 eine Vorahnung für derartige teilweise exogene Schocks geboten. Derartige abrupte Veränderungen der Lebensrealität von Millionen von Menschen können sowohl die gesellschaftliche als auch wirtschaftliche Dynamik grundlegend verändern.
Mandel ahnte zwar, dass es Grenzen der ökologischen Tragfähigkeit gibt, doch er meinte eine sozialistische Gesellschaft können diese hinausschieben und mit ihnen sinnvoll umgehen, dank demokratischer Planung und neuen Technologien. Mandel verpasste es, die spätkapitalistische Phase auch stofflich-ökologisch zu bestimmen, weil er die stofflichen Aspekte des Gebrauchswerts und der konkreten Arbeit und damit auch des Stoffwechsels mit der Natur durch Arbeit nur ungenügend in seine Theorie des Spätkapitalismus integrierte. Er knüpfte in dieser Hinsicht an die bereits erwähnte Ambivalenz von Marx an, die dieser aber in seinem Schaffen nach Ersten Band des Kapitals zunehmend ablegte (Saito 2016).
Doch viel schwerwiegender als die damals noch verständlichen ökologischen Zweideutigkeiten und Unvollständigkeiten von Marx ist das komplette Scheitern der organisierten Arbeiter:innenbewegung gegenüber der Naturzerstörung. Auch in der sozialistischen Bewegung war ein mechanistisches Bild der Natur verbreitet. Insofern überrascht es nicht, dass Sozialist:innen und Kommunist:innen noch immer Mühe bekunden, die zerstörerischen Wirkungen der kapitalistischen Akkumulation beispielsweise auf den Kohlenstoffkreislauf und Stickstoffkreislauf zu erkennen.
Nun sind eine ökosozialistische Erneuerung und Neugründung voranzutreiben, die konkrete strategische Konzepte braucht. Wenn wir den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur im Weltmaßstab denken und ihn mit einer globalen Emanzipation der Menschen von jeglicher Form der Ausbeutung und Unterdrückung verbinden, stehen wir gerade in Bezug auf die gerechte Versorgung erneuerbarer Energien vor einer monumentalen Herausforderung.
Innere und äußere Grenzen der Akkumulation
Zunächst ist festzustellen, dass die Defossilisierung der gesamten Wirtschaft und der Übergang zu erneuerbaren Energien eine völlig andere Herausforderung darstellt als die bisherigen Erweiterungen der kapitalistischen Produktivkräfte durch Autos, Flugzeuge, Chemie, Pharma, Biotechnologien und Informations- und Kommunikationstechnologien. Es geht um den Umbau des gesamten produktiven Apparates hin zu einer qualitativ anderen Energiequelle, die nicht mit den spezifischen Vorzügen der fossilen Energieträger ausgestattet sind. Kann eine Phase einer erneuten umfassenden Expansion der Kapitalakkumulation mit Sonne- und Windenergie bewerkstelligt werden oder weisen die fossilen Energieträge Eigenschaften auf, die sie zwingend erforderlich für das Kapital machen (vgl. Malm 2018: 32)?
Die zeitliche und räumliche Gebundenheit der erneuerbaren Energien stellt sie zumindest teilweise in Widerspruch mit der Logik der globalisierten und schlanken Produktion. Es ist fraglich, ob sich das Problem durch miteinander verbundene Mega-Grids der Energieversorgung lösen lässt, so, dass die Energie überall und jederzeit verfügbar wäre. Das würde eine umfassende gesellschaftliche Planung im transnationalen Maßstab erfordern. Die Konkurrenz zwischen den privaten Einzelkapitalen steht dem aber im Wege. Auch Ökosozialist:innen müssen anerkennen, dass es sogar im kontinentalen Maßstab Situationen ohne Wind und Sonne gibt.
Alle bisherigen Aufschwünge beruhten darauf, dass der Energie- und Ressourcenverbrauch anstieg. Die Expansion der Warenproduktion benötigte immer den entsprechenden energetischen Antrieb. Um einen anhaltenden Aufschwung zu garantieren, müssten die erneuerbaren Energiequellen also nicht nur die fossilen Energieträger ersetzen, sondern deutlich mehr Energie bereitstellen. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine größere Warenproduktion bei absolut geringerem Energieverbrauch möglich wäre. Dieses Szenario würde eine gigantische Zunahme beispielsweise der Bergbauindustrie voraussetzen, was viele Orte der Welt dem Extraktivismus opfern würden.
Zwar sind die Kosten und Preise für erneuerbare Energien gesunken. Doch sinken sie so stark, dass die Kosten erneuerbarer Energien CO2 für alle übrigen Sektoren genügend niedrig werden, um umzusteigen? Und bleiben dann die Profite im Energiesektor noch genügend hoch, um Kapital und Investitionen anzuziehen? Die reale Entwicklung ist ernüchternd. Die Investitionen in erneuerbare Energie steigen zwar, doch jene in fossile Energieträger sind immer noch um ein Vielfaches größer. Aber gerade aufgrund der Ungewissheit investieren die Konzerne zu wenig in erneuerbare und fossile Energieträger, um die Preise im „Gleichgewicht“ zu halten. Die jüngere Entwicklung deutet darauf hin, dass die Investitionen nicht reichen, um die Knappheit erneuerbarer Energien aufzuheben und damit substanzielle und anhaltende Preissenkungen zu bewirken. Im Gegenteil, die Hypothese langanhaltend steigender Energiepreise ist plausibler. Doch hohe Energiepreise und der kaum vorangetriebene Ausbau erneuerbarer Energieträger lässt die Profitraten im fossilen Sektor erneut ansteigen und damit sehen sich die fossilen Konzerne ermuntert, erneut in die fossile Infrastruktur zu investieren. Aus ökologischer Sicht ist allerdings jede Investition in fossile Energien eine zu viel. Bei der Abwägung solcher Fragestellungen zeigen sich die Vorzüge von Mandels breitem Ansatz, die Profitrate als synthetischen Ausdruck zahlreicher Variablen zu entschlüsseln (vgl. Malm 2018: 34). Für eine langanhaltende Aufschwungsphase ist eine beträchtliche Steigerung der Durchschnittsprofitrate nötig, damit das Kapital seine Zurückhaltung gegenüber einer großangelegten Investitionstätigkeit ablegt. Ob und wie die erneuerbaren Energien einen Beitrag dazu beitragen können, ist offen.
Ein weiteres zentrales Problem für das Kapital besteht in der zu geringen gesamtgesellschaftlichen Nachfrage, was ein Ergebnis des Lohndrucks und der mangelnden Kampfbereitschaft der Gewerkschaften der letzten Jahrzehnte ist. Wiederholt erwachsen daraus Situationen der Überproduktion in einer latenten Überakkumulation, ungeachtet konjunktureller oder pandemiebedingter Versorgungsengpässe. Neue Nachfrager:innen, beispielsweise in China, lösten das Problem für eine bestimmte Zeit. Riesige staatliche Investitionsprogramme in erneuerbare Energien könnten nun die dringend erforderliche Nachfrage generieren. Doch auch hier gibt es bislang keine Anzeichen dafür, dass dies geschehen wird, außer ansatzweise durch das staatskapitalistische Regime in China. Es gibt keine Anzeichen für einen Klima-Keynesianismus. Die unterschiedlichen Konzepte für einen Green New Dealzielen in eine ähnliche Richtung, allerdings ergänzt mit einem umfassenden sozialpolitischen Programm. Alle diese Vorschläge stoßen jedoch an denselben Widerspruch: Einerseits ist der Energieverbrauch zu reduzieren und anderseits sollen staatliche und private Investitionen ein „nachhaltiges Wachstum“ garantieren. Zugleich muss das Kapital genügend hohe Profitraten vorfinden, damit es investiert. Das entspricht einer unmöglichen Quadratur des Kreises (Zeller 2021a, 2021b).
Wenn das Kapital bei steigenden Energiepreisen und Kosten für CO2-Emissionen die Profitrate erhalten will, muss es die Arbeitsproduktivität steigern, ohne zugleich den Energieinput zu erhöhen. Das heißt, Rationalisierungen dürfen nicht Arbeitskräfte durch Maschinen mit einem höheren Energieverbrauch ersetzen. Das ist eine eher unrealistische Vorstellung. Zugleich ist zu beachten, dass die letzten Jahrzehnte von einer deutlichen Abschwächung der Zuwachsraten der Arbeitsproduktivität gekennzeichnet waren. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien wirkte dieser Tendenz nur ungenügend entgegen. Dazu kommt, dass die klimatischen Veränderungen die Arbeitsproduktivität zusätzlich vermindern, beispielsweise durch Logistikprobleme, Bodendegradation, Versorgungsprobleme mit Wasser und verschlechterte menschliche Gesundheit. Unter diesen Bedingungen kann die Profitabilität des Kapitals nur auf Kosten der Arbeit, also durch eine Steigerung der Mehrwertrate, erhalten werden (vgl. Husson 2009a).
Die Einbindung in die hierarchische internationale Arbeitsteilung ist ein weiterer Aspekt, der einer stabilen nachhaltigen Konfiguration des Kapitalismus zuwiderläuft. Die Konzerne aus den Metropolenländern waren in der Lage, sich dem Druck auf ihre Profitabilitä durch eine massive Ausweitung der Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen sowie durch eine vertikale Zerlegung ihrer Wertschöpfungsketten und die Durchsetzung hierarchischer Lieferbeziehungen zu entziehen. Auf diese Weise nutzten sie den globalen Pool verfügbarer Arbeitskräfte und übten einen zusätzlichen Druck auf die Löhne aus (Durand und Gueuder 2018).
Um die Flucht in Direktinvestitionen und Portfolioinvestitionen zu vermeiden, die weder ökologisch verträglich noch weniger ausbeuterisch, aber profitabler sind, müssten die Profite aus Investitionen in heimische grüne Anlagen höher sein als jene aus Direkt- und Portfolioinvestitionen. Die Profitabilität in den Bereichen der erneuerbaren Energien und der auf große Energiespeicher angewiesenen Unternehmen hängt aber auch davon ab, inwiefern es gelingt die Preise der Rohstoffe zu drücken, das heißt, hierarchische imperialistische Beziehungen aufrechtzuerhalten. Für emanzipatorische Kräfte ist dies unannehmbar. Eine „grüner“ Kapitalismus widerspräche jeder weltweit solidarischen Perspektive.
Damit gelangen wir zur Frage der inneren Grenzen der Kapitalakkumulation. Ein knappes Jahrzehnt nach der Veröffentlichung des Spätkapitalismus argumentierte Mandel, dass die Verallgemeinerung der Automatisierung zu einer Verringerung des Gesamtvolumens des produzierten Mehrwerts führe. Das Sinken der Profitrate und die mangelnde Realisierung des Mehrwerts gingen mit einer umfassenden gesellschaftlichen Krise und einer Krise der spezifischen Formen der Kapitalzerstörung einher und münden schließlich in eine kombinierte „Zusammenbruchskrise“. Diese bedrohe nicht nur das Überleben der menschlichen Zivilisation, sondern sogar „das physische Überleben der Menschheit auf unserem Planeten.“ Die Privatisierung und Industrialisierung des Dienstleistungssektors verliehen dem Aufbrechen dieser Widersprüche nur einen Aufschub (Mandel 1991b: 293).[6] Allerdings müsse der Zusammenbruch keineswegs zu einer höheren Form der gesellschaftlichen Organisation führen.
„Erscheinungen des kulturellen Verfalls, der Regression in den Gebieten der Ideologie und der Achtung der Menschenrechte multiplizieren Erscheinungen der Entartung des Kapitalismus, der wir schon gegenüberstehen. Die Barbarei als ein mögliches Resultat des Zusammenbruchs des Systems ist heute eine durchaus konkretere Perspektive, als sie es in den zwanziger und dreißiger Jahren war.“ (Mandel 1991b: 295)
Tatsächlich war die Durchsetzung neoliberaler Regimes und der Aufstieg des Finanzkapitals auf die Kommandobrücken der Akkumulation mit barbarischen Prozessen verbunden. Zugleich verschaffte sich das Kapital mit der Erschließung Chinas und weiterer Gebiete eine erstaunlich lange Aufschwungsphase (Chesnais 2016). Die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Kapitalherrschaft unterstreichen, dass Mandels im Spätkapitalismus demonstriertes dynamisches Verständnis über die ungleiche Entwicklung angemessener ist, als die inneren Grenzen der Akkumulation nahezu absolut zu setzen, wie er das in den späten 1980er Jahren verfassten Texten bisweilen tat. Hingegen zeigen sich zunehmend deutlicher die äußeren Grenzen des Erdsystems und der Natur, die allerdings auf die inneren Grenzen zurückwirken. Es wird zunehmend unwahrscheinlicher, dass das Kapital erneut in der Lage sein wird, diese Grenzen in Hürden zu verwandeln, die es überschreiten kann. In der Tat stellen uns die Erderhitzung und die Unfähigkeit der Kapitalherrschaft, diese in relevanter Weise abzubremsen vor die unmittelbare Alternative Ökosozialismus oder Barbarei.
Revolutionäre Strategien im Anthropozän-Kapitalismus
Ernest Mandel betonte in vielen seiner Arbeiten den subjektiven Faktor. Eine riesige auf organisierte Lohnabhängige gestützte Massenbewegung könnte das Kräfteverhältnis so stark verändern, dass ein Programm radikaler sozial-ökologischer Strukturreformen in Angriff genommen werden könnte. Doch dieses würde auf den erbitterten Widerstand des Kapitals treffen. Schon bald stünde die Mobilisierung vor der Frage, ihren Kampf in eine antikapitalistische und ökosozialistische Richtung zu radikalisieren. Hierzu bedürfte es allerdings der massiven Selbstorganisation in neuen demokratischen Gegenmachtstrukturen, die einer Situation labiler Doppelmacht gleichkämen.
In der bisherigen Menschheitsgeschichte waren die Bedingungen der physischen Welt, also beispielsweise den Zustand des Klimas oder der Verlauf von Küstenlinien, für die Lebensdauer einer Generation, ja vieler Generationen, konstante Gegebenheiten. Im Anthropozän gilt das nicht mehr. Mittlerweile ist die Weltgesellschaft in einer Situation, in der die physischen Veränderungen des Erdsystems schneller ablaufen, als die Gesellschaften die Tragweite dieser Veränderungen überhaupt erfassen können. Das heißt aber auch, dass sich die Bedingungen für gesellschaftliche Projekte und politische Strategien auf globaler Ebene abrupt verändern, allerdings räumlich und sozial hochgradig ungleich (Zeller 2021c, 2022).
Diese Konstellation macht jede reformorientierte Strategie – beispielsweise durch einen Green New Deal oder eine graduelle sozialökologische Transformation – zur Illusion, weil die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen für Reformen schneller wegbrechen als sich Reformen durchsetzen lassen. Die globale Dringlichkeit eines radikalen industriellen und gesellschaftlichen Umbaus und das mangelnde Bewusstsein der arbeitenden Klassen über eben diese Dringlichkeit, vor allem das mangelnde Bewusstsein über die potentielle kollektive Macht stellen revolutionäre Ökosozialist:innen vor brennende strategische Herausforderungen (vgl. Zeller 2020, 2021c, 2022):
Erstens müssen sie eine Debatte über strategische Zugänge eröffnen, die es erlauben, große Teile der arbeitenden Klassen rasch für eine konkrete Um- und Rückbauperspektive der fossilen Industrien zu gewinnen. Zweitens müssen sie jeden erdenklichen und bescheidenen Ansatz nutzen, um den Aufbau breiter Bewegungen für unmittelbare Tagesforderungen zu fördern, die schließlich auch die Perspektive eröffnen radikale sozial-ökologische Strukturreformen durchzusetzen. Drittens müssen sie eine starke revolutionäre ökosozialistische Strömung aufbauen, die sich ihre eigenständigen organisatorischen Strukturen gibt und strategische Konzepte ausarbeiten, die es erlauben wirkungsmächtig in die politischen Auseinandersetzungen einzugreifen. Es gilt neue Konzepte von gesellschaftlicher Gegenmacht, die hin zu Doppelmacht und revolutionäre Umwälzung reichen, auszuarbeiten und auszuprobieren.
Es gibt keine Anhaltspunkte und Erfahrungen, die dafür sprechen, dass breite Teile der arbeitenden Klasse eigenständig und sozusagen spontan, das erforderliche Bewusstsein über die Notwendigkeit und Radikalität eines ökosozialistischen Um- und Rückbaus erlangen und die dafür organisatorischen Instrumente schaffen. Darum braucht es entschlossene Organisationen, die sich ein ökosozialistisches Programm erarbeiten und die erforderlichen Strategien und Taktiken entwickeln, praktisch ausprobieren, verarbeiten und verbessern. Durch diese Lernprozesse mag sich die Chance eröffnen, ein ökosozialistisches Übergangsprogramm im Anthropozän in vielen Machtproben auf allen geographischen Maßstabsebenen, letztlich aber global, durchzusetzen.
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Anmerkungen
[1] In seiner Theorie langer Wellen argumentierte Ernest Mandel, dass die kapitalistische Produktionsweise sich bislang in vier langen Wellen einer jeweils spezifischen produktiven Konfiguration entwickelte. Jeder Zyklus gliedere sich in eine expansive Welle beziehungsweise Phase überdurchschnittlichen und eine tendenziell depressive Phase unterdurchschnittlichen Wachstums. Jede expansive Phase erschöpfe sich endogen aufgrund der inneren Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise und der damit zusammenhängenden rückläufigen Profitrate. Eine erneute expansive Welle könne jedoch nur exogen durch eine plötzliche Erschließung neuer Territorien und Märkte sowie durch eine Veränderung der politischen Kräfteverhältnisse anbrechen (Mandel 1987, 1995). Siehe auch Abschnitt 3.5 der vorliegenden Artikels.
[2] In Publikationen vor dem Spätkapitalismus verwendete Ernest Mandel den angemesseneren Begriff des Neokapitalismus (Mandel 1964).
[3]„Die Arbeit ist zunächst ein Prozeß zwischen Mensch und Natur, ein Prozeß, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigne Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eignes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigne Natur. Er entwickelt die in ihr schlummernden Potenzen und unterwirft das Spiel ihrer Kräfte seiner eignen Botmäßigkeit.“(Marx 1867: 192)
[4] Die Inwertsetzung von Natur und gesellschaftlichen Zusammenhängen umfasst alle Vorgänge von der Identifikation, über die Kolonisierung, Enteignung, Kommodifizierung, Exploration, Extraktion, Isolation und Vermarktung bis hin zum Verbrauch und Entsorgung einer „Ressource“ (Altvater 1987; Altvater und Mahnkopf 1996: 379; Altvater 1997: 320ff).
[5] „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein.“ (Marx 1859: 9)
[6] Im Buch Kontroversen um „Das Kapital“ fasste Mandel (1991b: 293) drei Einleitungstexte in die drei Bände des Kapitals zusammen, die in Englisch bereits 1979 erschienen waren.