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Den Anstoß zu diesem Beitrag gab Norbert Nicolls (2012) Aufsatz über die «unbestreitbare Nützlichkeit einer hegemonialen Strategie» in Heft 2.1 der Emanzipation. Der Autor greift Gramscis Konzept der Hegemonie und dessen Überlegungen zur Rolle der Intellektuellen auf. Er geht davon aus, dass die neoliberalen Intellektuellen – allen voran Friedrich August von Hayek – nach dem Zweiten Weltkrieg Gramscis Ansatz bewusst oder unbewusst erfolgreich umgesetzt haben. Die Schlussfolgerung liegt für ihn auf der Hand: Wir Linke müssen aus dem Erfolg der Neoliberalen lernen, um die politische und intellektuelle Initiative zurückzugewinnen und ein neues hegemoniales Projekt voran zu bringen.
Wenn es doch nur so einfach wäre! Ich möchte auf die Gefahren hinweisen, die das Streben der Intellektuellen (2) nach politischer Hegemonie für jede Emanzipationsbewegung mit sich bringt. In Kreisen marxistischer und anderer linker Intellektueller wird die selbstkritische Reflexion des Zusammenhangs der intellektuellen Praxis mit spezifischen Klasseninteressen (3) oft durch die Proklamation von Glaubenssätzen ersetzt. Diese Intellektuellen glauben fest daran, ihre Praxis orientiere sich an den Interessen der Arbeiterklasse, der unterdrückten Massen usw. Dieser Glaube erlaubt es ihnen, eigene Klasseninteressen als Intellektuelle und deren Auswirkungen auf die eigene Praxis zu ignorieren. Sie lieben es, große Erklärungen über das Kapital und scharfsinnige Analysen der kapitalistischen Krisen zu präsentieren, doch wenn es um die Hinterfragung ihrer eigenen Stellung und gesellschaftlichen Funktion geht, verstummen sie oder werden ungehalten. Ich gehe in diesem Beitrag durch einige Stationen der Geschichte dieses Glaubens, bevor ich mit Bourdieus Feldtheorie eine alternative Auffassung des Problems skizziere, die andere politische Schlussfolgerungen nahe legt. Dabei nehme ich teilweise Bezug auf Nicoll, ohne seinem Argument systematisch zu folgen. Ganz bewusst bespreche ich die ausgewählten Marxisten (4) nur im Lichte der genannten Problemstellung und erhebe nicht den Anspruch, ein umfassendes Urteil über deren gesamtes Werk zu fällen (…)