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Angesichts seiner stark korporatistischen Konflikttradition und schwacher und isolierter sozialer Bewegungen und Widerstände, ist es nützlich, in der Schweiz genauer hinzuschauen, wenn Menschen versuchen, selbstermächtigt ihre Arbeits- und Lebenssituation zu verbessern. Die Bewegung der MigrantInnen trat vor elf Jahren aus dem Schatten, als in den größeren Städten des Landes Sans-Papiers mit Kirchenbesetzungen eine kollektive Regularisierung forderten. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Regularisierungen erfolgten fast ausschließlich individuell, nach Gruppen und nach Regionen differenziert. Aber auch in den darauffolgenden Jahren kam es immer wieder zu Kämpfen, in denen MigrantInnen die Protagonisten waren.
Im Dezember 2007 besetzten rund 150 Sans-Papiers und Unterstützende in Zürich die Predigerkirche und die Kirche St. Jakob. Während der 17-tägigen Besetzung ging es in erster Linie um die unbürokratische Umsetzung der gesetzlich verankerten Härtefallregularisierung, Papiere für alle und die Aufhebung des Arbeitsverbotes für abgewiesene Asylsuchende (Bleiberecht 2007).
Anfang 2010 organisierten in Freiburg (CH) entlassene ArbeiterInnen der PizzeriaKette Molino AG Protestaktionen. Im Namen der Entwicklung eines «Italien-Konzepts» hat Molino AG elf ArbeiterInnen nicht italienischer Herkunft entlassen, zehn davon aus Ländern außerhalb der EU. Sie wurden durch frisch rekrutierte Lohnabhängige aus Italien ersetzt. Die entlassenen ArbeiterInnen führten einen Kampf, der sich gegen das profitorientierte Unternehmen richtete, nicht gegen die italienischen Kolleginnen, die sie ersetzten. Darin zeigte sich der emanzipatorische Charakter ihres Protestes (Roche, Zurkinden 2010).
Am 26. Juni 2010 besetzten rund 300 Menschen aus der ganzen Schweiz – mit und ohne Aufenthaltsbewilligung – den Kleine-Schanze-Park in Bern. Während einer Woche fanden im Zusammenhang mit der Besetzung vor dem Bundesamt für Migration (BFM), vor den Räumlichkeiten des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) und auf weiteren öffentlichen Plätzen Demonstrationen und Störaktionen statt. Gefordert wurde Bewegungsfreiheit, Papiere für alle und gewerkschaftliche Rechte für MigrantInnen (Bleiberecht 2010)(…)