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Es sind nicht immer die großen Streikbewegungen, die Wendepunkte markieren. Bisweilen sind es kleine Konfliktherde, scheinbar am Rande des öffentlichen Interesses, an denen sich Impulse für eine neue gewerkschaftliche Praxis ablesen lassen. Der Arbeitskampf im Berliner Kino Babylon, der ab Herbst 2008 nicht nur in Berlin Wellen schlug, ist solch ein Fall. Im folgenden Beitrag sollen der Verlauf dieses Konflikts, seine Akteure und Konsequenzen beschrieben werden. Der Arbeitskampf zog eine Aufmerksamkeit auf sich, die weit über das hinausging, was sonst einem Konflikt in einem kleinen Kino mit nicht einmal drei Dutzend Beschäftigten entgegengebracht wird. Er wurde zum Politikum. Dies mag zum einen daran liegen, dass es sich um ein hoch-subventioniertes Vorzeigeobjekt der damals regierenden Linkspartei handelte, zum anderen – und das ist der interessantere Aspekt – wagten es hier erstmals prekäre Teilzeitkräfte, die Frage nach einer adäquaten Interessenvertretung selbst zu beantworten und wiesen damit weit über den eigentlichen Arbeitskampf hinaus.
Ursprung des Konflikts waren Niedriglöhne, unsichere Beschäftigungsverhältnisse und – vor allem – ein willkürlicher Führungsstil der Chefs. Aufgrund des Desinteresses der etablierten Gewerkschaft Ver.di fanden die Beschäftigten den Weg zur kleinen anarchosyndikalistischen Freien ArbeiterInnen-Union (FAU). Gemeinsamen wurden Forderungen aufgestellt und ein Haustarifvertrag erarbeitet. Nach der Weigerung der Geschäftsführung, darüber zu verhandeln, rief man zum Boykott des Kinos auf und trug den Konflikt in die Öffentlichkeit. Als dieser Druck im Berliner Senat, der das Kino mit mehreren hunderttausend Euro im Jahr fördert, zu Diskussionen führte, intervenierte Ver.di schließlich doch und schloss zur Zufriedenheit der Geschäftsführung – und an der Belegschaft vorbei – einen Tarifvertrag mit dem Kino ab. Flankierend erhöhte der Senat die Förderung des Kinos. Die FAU geriet hingegen unter juristischen Beschuss: Mit einstweiligen Verfügungen erwirkte die Geschäftsführung, dass es ihr verboten wurde, zum Boykott des Kinos aufzurufen – und zeitweise auch, sich gar Gewerkschaft zu nennen (…)