Share This Article
Es gibt Leute, die noch vor zwei Jahren glaubten, die Dekonstruktion des Staates sei durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gestoppt oder gar umgekehrt worden. Nicht wenige Kommentatoren sahen das Ende des Neoliberalismus gekommen. Sie verwiesen auf die erheblichen Summen, die die Staaten zur Stützung ihrer Volkswirtschaften und besonders ihrer Finanzsektoren in die Hand genommen haben. Doch der Neoliberalismus ist im Zuge einer beispiellosen Banken- und Spekulationskrise nicht untergegangen. Für viele Beobachter wie Colin Crouch ist das ein «überraschendes Ergebnis» (Crouch 2011: 12). Aber stimmt das wirklich? Pessimistische Prognosen in Bezug auf die Zukunft des Neoliberalismus wurden in den letzten zwanzig Jahren des Öfteren geäußert. Sie erwiesen sich stets als Trugschlüsse.
So auch dieses Mal. Der Neoliberalismus ist standfest und erstaunlich gut in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt. Aus dem Blick gerät leicht, dass neo- bzw. wirtschaftsliberale Auffassungen nach dem Zweiten Weltkrieg in allen industriell weit fortgeschrittenen Ländern minoritär waren. Eine Mehrheitsfähigkeit war nicht einmal annähernd gegeben. Dass sich dies innerhalb von dreißig Jahren geändert hat und dass sich all jene, die weiterhin weitreichende wirtschaftsliberale Forderungen verkünden, wie Fische im Wasser bewegen können, ist gewiss einer ganzen Reihe von Faktoren geschuldet. Einer dieser unterbelichteten Faktoren soll in diesem Text genauer unter die Lupe genommen werden: die hegemoniale Strategie der neoliberalen Kräfte.
Neo- und rechtsliberale Kräfte verfolgten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine mehr oder weniger durchdachte Strategie, um ihrer Ideologie zu einer Renaissance zu verhelfen.1 Mit Rückgriff auf die Ideen und Theorien von Antonio Gramsci und Friedrich August von Hayek ist es möglich, diese Strategie zu verstehen. In diesem Beitrag soll deshalb eine hegemonietheoretische Perspektive eingebracht werden, die auch dabei hilft, das Wirken der in Deutschland aktiven wirtschaftsliberalen Think Tanks und Reforminitiativen – genannt seien exemplarisch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die Bertelsmann-Stiftung oder der Konvent für Deutschland – in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können (…)