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emanzipation gibt es nun schon ein paar Jahre – wenngleich mit einer längeren Pause. So wie sich die Welt weitergedreht hat, haben sich die gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen ein Stück weit verändert. Aber auch die Zusammensetzung unserer Redaktion und unsere Vorstellung, was ein linkes Medium heute leisten soll, hat sich weiterentwickelt . Hier schreiben wir, wofür wir heute stehen. Dennoch gilt für uns auch weiterhin, womit wir bereits 2011 angetreten sind:
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts erschüttern mehrere schwere Krisen gleichzeitig die Menschheit: Die neue große Weltwirtschaftkrise schreit zu ihrer Überwindung nach mehr Wachstum, die gleichzeitig stattfindenden Umweltkatastrophen fordern eine globale Entschleunigung, Nahrungsmittelkrisen und Hunger provozieren bevölkerungspolitische Debatten und den Anbau genmanipulierter Lebensmittel, während Kleinbauern um ihre Existenz und Unabhängigkeit von den Konzernen kämpfen. Der reiche Norden schottet sich gegen ärmere Länder ab, und trotzdem lassen sich die Bewegungen von Flüchtlingen und Wanderarbeitern nicht aufhalten und stellen die traditionelle, an den Nationalstaat gebundene Organisation der Arbeiterbewegung in Frage.
Der Kapitalismus muss vielfach seine Unfähigkeit eingestehen, sogar selbst gesteckte Ziele wie die Millenniumsziele der Vereinten Nationen zu erreichen und fundamentale menschliche Bedürfnisse nach Nahrung, Wohnung, Arbeit und einer sauberen Umwelt zu befriedigen. Leider bedeutet das keineswegs, dass der Einfluss von Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und antikapitalistischen Organisationen stärker würde. Die politischen Schwächen der antikapitalistischen Linken sind offenkundig. Sie sind – nicht nur, aber auch – Ausdruck theoretischer und konzeptionelle Defizite. Die linken feministischen Bewegungen bilden da keine Ausnahme.
Wer die dominierenden Diskurse von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Innovation nicht einfach akzeptiert, die drängenden gesellschaftlichen und ökologischen Probleme nicht den Marktkräften überlassen will, aber auch die bisherigen Versuche eines wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus oder realen Sozialismus kritisch sieht, der steht vor einer doppelten Aufgabe. Es gilt, den Kapitalismus als Produktionsweise und Herrschaftssystem in seinen sich ständig erneuernden Formen zu analysieren und zu verstehen. Und es sind Wege und Übergänge zu skizzieren, die darüber hinausgehen. Theoretisches Verständnis und Vorschläge für die politische Praxis – beide Anforderungen stellen sich bei nahezu jeder aktuellen politischen Auseinandersetzung.
Doch was heißt das konkret? Die Phase der Arbeiterbewegung, die durch die Sozialdemokratie, die klassischen kommunistischen Parteien und ihre jeweiligen Massenorganisationen geprägt wurde, ist Geschichte. Die Parteien in diesen Traditionslinien bieten häufig nicht einmal mehr Anknüpfungspunkte für eine radikale Reformpolitik. Viele Gewerkschaften suchen verzweifelt nach Wegen, sich ihrem anhaltenden Einflussverlust in Konzernen, Betrieben und Gesellschaft entgegenzustellen.
Zugleich gibt es zahlreiche Fundstücke und Fundorte, die Anhaltspunkte über eine neue Art der Bewegung von Lohnabhängigen vermitteln, vor allem in Bereichen, die bislang am Rande des «Normalarbeitsverhältnisses» standen und nicht im Visier der traditionellen Organisationen der Arbeiterbewegung waren. Hier beginnen Menschen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Ihre Formen der Selbstorganisation fordern die traditionellen Strukturen heraus, zwingen ihnen Veränderungen auf.
In den deutschsprachigen Ländern entwickeln sich die theoretischen, konzeptionellen und politischen Debatten über gesellschaftliche Alternativen zur Kapitalherrschaft und über unmittelbare politische Perspektiven noch weitgehend fragmentiert. Es gibt Diskussionen in relativ kleinen Kreisen der akademischen Linken und linker Feministinnen, beispielsweise über die Krise, ihre Erklärung und mögliche Konsequenzen. Dann gibt es Debatten entlang von Organisationen und Strömungen. Da geht es häufig um Abgrenzung und Überlegenheit. An einer strömungsübergreifenden Auseinandersetzung über antikapitalistische Übergangsstrategien, im nationalen wie im internationalen Maßstab, mangelt es weiterhin. Durch die Zersplitterung geht – wie schon in der Vergangenheit – viel Erfahrung und Kreativität verloren.
Die Zeitschrift Emanzipation will die genannten Defizite anpacken. Auf marxistischer Grundlage will sie einen pluralistischen, theoretisch fundierten Diskussionsrahmen für den deutschsprachigen Raum bieten. Sie verbindet wissenschaftlichen Anspruch mit internationaler, antikapitalistischer und feministischer Orientierung.
Der Name Emanzipation bringt die politische Orientierung auf den Punkt: Selbstbefreiung aller Unterdrückten in einer sozialistischen Perspektive, Neubestimmung dieser Perspektive durch die Verbindung von ökosozialistischen, feministischen und antirassistischen Sichtweisen. Vor allem das internationalistische Grundverständnis beeinflusst Themenstellung und die Wahl der Autorinnen und Autoren. Zum thematischen Spektrum der Artikel zählen Beiträge mit einer wirtschaftlichen, politischen, soziologischen, historischen, geografischen, ethnologischen und kulturellen Orientierung. Auch naturwissenschaftliche Beiträge finden Platz. Trotz der wissenschaftlichen Orientierung sollen die Beiträge einem breiteren interessierten Publikum verständlich sein.
Emanzipation ist ein Prozess. Der Name drückt den Wunsch aus, einen Beitrag zur inhaltlichen und praktischen Neuformierung einer antikapitalistischen, sozialistischen und linksfeministischen Bewegung zu leisten.
April 2011, die Redaktion