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Auf Mindanao im Süden des philippinischen Archipels kämpfen Bäuerinnen und Bauern und Indigene seit Jahrzehnten für Land, Ernährungssouveränität, politische und soziale Rechte sowie gegen die Landnahme durch transnationale Konzerne. Die aus der langen Krise der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) hervorgegangene Revolutionary Worker’s Party (RPM-M) und ihre militärische Selbstverteidigungsorganisation Revolutionary Peoples’ Army (RPA) haben eine einzigartige ökosozialistische Praxis entwickelt. In Zusammenarbeit mit Bäuerinnen und Bauern und indigenen Gemeinschaften der Lumad haben sie biologisch produzierende Farmen und agrarökologische Netzwerke aufgebaut. Diese schließen auch eine lebensnotwendige gesellschaftliche Infrastruktur mit Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Transportmittel sowie Bewaffnung zur Selbstverteidigung ein. ein. Mit dieser Strategie leisten die RPM-M und RPA einen wichtigen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen die erzwungene Auswanderung (Red.).
In Lanao del Norte, einer der Provinzen der großen Insel Mindanao im Süden des philippinischen Archipels, entstand 1988 eine demokratische Bewegung für das Recht auf Land. Sechshundert Bäuerinnen und Bauern nahmen daran teil. Ab 1994 wurden 1200 Hektar Land besetzt. Landbesetzungen fanden auch an verschiedenen anderen Orten auf der Insel statt, manchmal mit aktiver Beteiligung der lokalen Behörden der Barangay (der kleinsten Verwaltungseinheit auf den Philippinen). Seit den 2000er Jahren hat sich der Kampf der Bäuerinnen und Bauern um ihr Land ausgeweitet. Dieser Kampf wirft zahlreiche Fragen auf: Konflikte mit den ehemaligen Landbesitzer:innen und ihren Handlanger:innen, Konflikte mit den vom Staat unterstützten transnationalen Konzernen im Bergbau- und Agrarsektor, die Verknüpfung des Kampfes um Ernährungssouveränität mit dem Kampf der indigenen Völker, dem Kampf der Frauen für ihre Emanzipation und dem Kampf der Jugendlichen für das Recht, im Land zu leben und zu arbeiten. In diesem Kontext ist ein einzigartiger und zu wenig bekannter Prozess hervorzuheben, in dem eine politische Organisation, die aus der Krise der Kommunistischen Partei der Philippinen in den 1980er Jahren hervorgegangen ist, eine führende Rolle spielt: die Rebolusyonaryong Partido ng Manggagawa-Mindanao (RPM-M, Revolutionary Worker’s Party-Mindanao, Revolutionäre Arbeiterpartei) und ihre militärische Selbstverteidigungsorganisation Rebolusyonaryong Hukbo ng mga Mamamayan (RHM, Revolutionary Peoples’ Army -RPA, Revolutionäre Volksarmee).
1. Mindanao im Visier der neoliberalen Politik
Mindanao hatte 2017 über 25 Millionen Einwohner:innen, die 22,1% der Gesamtbevölkerung des Archipels ausmachten. Die wichtigsten Städte sind Davos City, Zamboanga City und Cagayan de Oro. Die Insel ist die Hauptproduzentin von Obst und Gemüse für den gesamten Archipel. Nach kapitalistischen Profitkriterien bildet sie eine Region mit hohem Potenzial, die jedoch „unterentwickelt“ ist. Fast ein Drittel der Bevölkerung von Mindanao ist immer noch von der Kokosnussernte abhängig. Aber das alte System der Plantagen (Kokosnüsse, Ananas, Mais, Bananen, Reis usw.) verwandelt sich in ein Agrobusiness mit Monokulturen. Nachdem sie ihr Land weitgehend an transnationale Konzerne verkauft haben, leben die ehemaligen Großgrundbesitzer nun in den Städten, wo sie zu den Hauptakteuren der Immobilienspekulation geworden sind. Die neuen Großplantagen, die nun den transnationalen Konzernen gehören, haben maßgeblich dazu geführt, dass die Kleinbauern und -bäuerinnen ihr Land verloren haben, auf dem sie früher arbeiteten.
Der derzeitige philippinische Präsident Rodrigo Duterte verfolgt eine ultraliberale und gewalttätige Politik. Er will den Preis und den Handel mit Reis vollständig liberalisieren. In diesem Fall könnte der lokale Markt mit billigem importiertem Reis überschwemmt werden, was das Ende für die Kleinbauern bedeuten würde. Duterte plant außerdem, bis 2023 eine Million Hektar Land auf Mindanao für die Anpflanzung von Ölpalmen zu opfern. Er will auch die ausländischen Investitionen im Bergbau, in den Regenwäldern und in der Landwirtschaft liberalisieren. Derzeit können ausländische Unternehmen nur 40% der Eigentumsrechte erwerben, wenn sie in Land investieren, das für die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft oder den Bergbau genutzt wird. Eine Abschaffung dieser Beschränkungen würde den Investoren aus Malaysia, Indonesien und Singapur entgegenkommen, aber sicherlich zu erheblichen Verlusten für Kleinbauern und zur Landnahme von indigenen Lumad-Gemeinschaften führen.[1] Diese verwalten ihre Ressourcen weiterhin nach einem System des Gemeinschaftseigentums. Die Fischerei ist ebenfalls ein lebenswichtiger Sektor für die Bevölkerung: Mehr als eine Million Menschen arbeiten in der Fischerei. Fisch ist die am häufigsten vorkommende und billigste Proteinquelle. Doch die handwerkliche Fischerei kann nicht mit den Fabrikschiffen der industriellen Fischerei konkurrieren, die mit modernen Kühlanlagen ausgestattet sind.
Aufgrund der ultraliberalen Politik, die auf transnationale Konzerne zugeschnitten ist, besteht die reale Gefahr, dass es zu einer Kombination aus Überfischung der Küstengewässer, Ruin der kleinen Fischerbetriebe und Schäden an Korallenriffen und Mangroven kommt, die den besten Schutz vor dem Anstieg des Meeresspiegels darstellen.
2. Entstehung eines echten agrarökologischen Netzwerks
Nach einem tiefen Bruch mit dem Maoismus und Marxismus-Leninismus, sowohl in Bezug auf die Analyse der philippinischen Gesellschaft als auch auf die revolutionäre Strategie und des organisationsinternen Regimes, antworteten die RPM-M und RPA auf die Situation mit einer pragmatischen Politik, die sie dazu veranlasste, bewusst den Aufbau eines echten agrarökologischen Netzwerks voranzutreiben.
Man gründete eine erste Farm, auf der eine an die lokalen Bedürfnisse und natürlichen Bedingungen angepasste Agrarökologie umgesetzt wurde. Dort wurde ein spezielles Gebäude errichtet, in dem lokale Reissorten aufbewahrt wurden. So konnte eine beeindruckende Sammlung dieser Sorten gerettet werden, die einen wertvollen Schatz darstellt. Diese Arbeit wurde vom Nationalen Reisinstitut der Universität der Philippinen (UP) unterstützt. Der Reisanbau erfolgt ohne Bewässerung und beruht ausschließlich auf saisonalen Regenfällen. Auf den Reisfeldern werden die verschiedenen auftretenden Schädlinge ohne Pestizide mit traditionellen Produkten und Handarbeit bekämpft. Man verbessert die Böden mit organischen Düngemitteln aus der Kompostierung und der Wurmzucht (gezüchtete Regenwürmer, die dem Kompost zugesetzt werden), was eine erhebliche Kostenersparnis darstellt.
Die Farm vermarktet die Regenwürmer, die Reissamen und den Kompost. Durch ihre praktische Erfahrung konnte sie beweisen, dass der Anbau lokaler Reissorten ohne teure Betriebsmittel möglich und für die Bäuerinnen und Bauern vorteilhaft ist. Mehrere weitere Projekte mit Demonstrationsfarmen befinden sich im Bau. Die Bäuerinnen und Bauern werden darin geschult, die Methoden der Agrarökologie anzuwenden, um auf die vom Agrobusiness verkauften „Pakete“ (Hybridsamen, Dünger, Pestizide) zu verzichten. Die Bäuerinnen und Bauern erkennen den Nutzen, ohne Pestizideinsatz zu arbeiten. Die negativen Folgen des Pestizideinsatzes treffen viele Familien. Der erste Bauer, der eine pestizidfreie Landwirtschaft betrieb, starb selbst an Krebs, der durch den vorherigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verursacht worden war. Dieser Mann war der Mentor des Anführers der PRM-M, der später die Gründung des agrarökologischen Netzwerks in die Wege leitete. Dieses umfasst inzwischen mehrere Mischbetriebe, die Hühnerzucht, Maisfelder und Gemüseanbau für den Markt kombinieren. Die meisten der kleinen Betriebe, die sich der Bewegung anschließen, werden von Frauen geführt; häufig Witwen, die dadurch ihre Würde wiedererlangen und ein besseres Einkommen erzielen. In kleinen Betrieben auf den steilsten Hügeln, beginnen die Bäuerinnen und Bauern mit der Neuanpflanzung von Obstbäumen und traditionellen Sorten von Waldbäumen. Ein Netzwerk für den Transport der Ernteprodukte zu den lokalen Märkten entsteht und trägt ebenfalls zur Verbreitung der neuen „Landwirtschaft“ bei.
3. Zahlreiche Hindernisse
Beim Aufbau des agrarökologischen Netzwerks sind zahlreiche Hindernisse zu überwinden. Zunächst gibt es Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Eigentumstiteln, insbesondere für Bäuerinnen. Zweitens sind viele Bauern und Bäuerinnen misstrauisch gegenüber diesen „neuen“ Methoden. Man glaubt nicht, dass sich der Ertrag ohne „moderne“ Technologie gleich hoch halten oder sogar steigern lässt. Zudem unterstützt der Staat die chemische Landwirtschaft und die Interessen der transnationalen Agrokonzerne mit allen Mitteln: Er bietet ihnen nicht nur den Zugang zu Ressourcen, sondern verteilt unter dem Vorwand der Hilfe für die Bevölkerung selbst Pakete mit Hybridsamen, Pestiziden und chemischen Düngemitteln an Bäuerinnen und Bauern, die von großen Katastrophen (Hurrikans, Erdbeben, Vulkanausbrüchen) betroffen sind.[2]
Die politische und soziale Lage ist in vielen Teilen Mindanaos nach wie vor höchst unsicher. Die bewaffneten Milizen der Großgrundbesitzer, die staatliche Armee (unter dem Vorwand des Kampfes gegen muslimische Terroristen) und die Gruppen der New People‘s Army (NPA, der bewaffnete Arm der Kommunistischen Partei der Philippinen) stellen eine Gefahr für Umweltaktivisten und agrarökologische Bauern und Bäuerinnen dar. Durch Patrouillen und Straßenblockaden kontrolliert das Militär weiterhin alle Bewegungen der Bevölkerung, von Aktivist:innen bis einfachen Bäuerinnen und Bauern. Die Armee, die Milizen der Großgrundbesitzer und die NPA (die skrupellos ihre politischen Gegner, die sie als Feinde betrachtet, tötet) begehen Morde.
Der Kampf um Land und einen staatlich garantierten Eigentumstitel bleibt für die Bauern und Bäuerinnen ein zentrales Thema. Dieser Kampf ist nicht immer friedlich: Milizen der Großgrundbesitzer treiben weiterhin ihr Unwesen und schrecken vor Morden nicht zurück. So wurde 2012 eine Bauernaktivistin getötet, die den Bauern von sieben Barangays im Hügelland geholfen hatte, ihre Landtitel zu erhalten.[3] Diese Milizen agieren dank der Komplizenschaft der Verwaltungen, der mächtigen politischen Clans und des Staates völlig ungestraft. Die physische Verteidigung des Landes ist auch ein zentrales Thema für die Lumad-Gemeinschaften, die eine neue Gemeinschaftsverfassung aufgestellt haben, in der das Land weiterhin Gemeingut ist. Die Lumad leben in den Bergregionen und ihre „angestammten Gebiete“ werden von internationalem Bergbaukapital und Tropenholzunternehmen begehrt. Die Interessen der Lumad wurden von der Moro-Gemeinschaft bei den Friedensgesprächen, die im Jahr 2O14 zu einem Friedensabkommen zwischen der Regierung Aquino III und der Moro Islamic Liberation Front führten, nicht berücksichtigt.[4] Die kapitalistischen Pläne einiger reicher Moro-Clans stellen die Landrechte der Lumad jedoch in Frage. Die Lumad befinden sich daher in einem Widerspruch zu den Interessen des internationalen Agrobusiness, dem Bergbau, der Forstwirtschaft und den Forderungen dieser Moro-Clans. In diesem gewalttätigen Umfeld übernimmt die RPA, der militärische Arm der RPM-M, Aufgaben der Selbstverteidigung und hilft den Lumad unter anderem dabei, ihre angestammten Gebiete zu schützen.
4. Ein vielseitiges und langfristiges Projekt
Das agrarökologische Netzwerk wird schrittweise durch praktische Propaganda ausgeweitet: Drei Demonstrationsbetriebe bieten fortan Schulungen für interessierte Bäuerinnen und Bauern an. Dort lernt man die Grundlagen biologischer Landwirtschaft. Sie sind wichtige Orte für Diskussionen über die Methoden, die Schritte des Übergangs von der Landwirtschaft zur Agrarökologie, die Schwierigkeiten, auf die man gestoßen ist, aber auch über mögliche neue Initiativen. Die erste Farm, die gebaut wurde und auf der die lokalen Reissorten erhalten werden, verfügt nun über einen Treffpunkt mit Gästezimmern für Besucher:innen und ist mit Sonnenkollektoren ausgestattet.
Dieses letzte Detail ist nicht unbedeutend. In den letzten 15 Jahren ist der Stromverbrauch auf den Philippinen um 80% gestiegen und erreichte 2017 94,370 GWh. Die nationale Netzgesellschaft (National Grid Corporation of the Philippines-NGCP) will das nationale Netz vereinheitlichen, zentralisieren und stärken, indem sie ein Projekt für ein Stromnetz mit Unterseekabeln zwischen Mindanao, den Visayas-Inseln und Luzon startet. Das erklärte Ziel ist es, den zahlreichen Stromausfällen sowohl in den Städten als auch auf dem Land ein Ende zu setzen. In diesem Zusammenhang wurde im Süden von Mindanao ein neues Kohlekraftwerk gebaut. Gemeinsam mit Umwelt-NGOs widersetzen sich die RPM-M und RPA dieser fossilen Politik und engagieren sich für eine Alternative, die auf dem reichen Potenzial Mindanaos für erneuerbare Energien basiert: Wasserkraft an den zahlreichen Wasserfällen in den Bergen, Geothermie in den Dampffeldern um die Vulkane, Solarenergie und Windenergie. Alternative Projekte, die dieses Potenzial nutzen würden, werden von den offiziellen Stellen nicht einmal diskutiert. Dabei könnte diese Alternative der erneuerbaren Energien auf den Strukturen der Barangays aufbauen, da diese für die Verteilung von Strom zuständig sind. Dieses System könnte der Ausgangspunkt für ein Netzwerk von Genossenschaften für erneuerbare Energien sein, die von den Einwohner:innen auf der ganzen Insel betrieben werden.
Wie bereits erwähnt, hat das agrarökologische Netzwerk auch Transportnetzwerke aufgebaut, um die Ernten zu den lokalen Märkten zu bringen. Auf den Märkten erfolgt die Propaganda für die Agrarökologie durch praktische Demonstration. Die Produktion von Kräutern und Gemüse und die Verbreitung von Saatgut in der Gemeinschaft auf dem Markt sind neue Aktivitäten, die die landwirtschaftliche Produktion diversifizieren und neue Möglichkeiten für landlose Landarbeiter:innen eröffnen.
Die Farmers Field School on Vegetables Organic Production ist auf einer Fläche von drei Hektar angesiedelt. Sie wurde am 8. Mai 2019 vom staatlichen Regionalinstitut in Maragang in Zamboanga del Sur gegründet. Die Gemüseproduktion ist zu einer beliebten Aktivität geworden, da sie unter den unterschiedlichsten Bedingungen aufgebaut und an die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden kann. Gesundheitliche Bedenken haben zudem die Nachfrage nach gesundem, pestizidfreiem Gemüse stark erhöht. Die meisten Landfrauen besitzen kein Land.
Mithilfe einer speziellen Ausbildung für den Anbau von Gemüse in Behältern produzieren sie Gemüse und Heilkräuter für den Markt. Dieses System könnte auf Gemeinschaften armer Bevölkerungsgruppen in den Arbeitervierteln der Städte ausgeweitet werden und deren Ernährung verbessern. Die Diversifizierung an den Hängen der Hügel ist zudem ein wichtiges Mittel gegen die Bodenerosion, die Zerstörung der Pflanzendecke und zur Förderung der Biodiversität. Anstelle von Kokospalmen werden kleine Felder mit Süßkartoffeln, Mais und Kassava angelegt.
Es wird eine para-veterinäre Ausbildung für die Haltung von Schweinen, Ziegen und Hühnern angeboten. Sie ist sehr nützlich für kleine gemischte Bauernhöfe. Ein staatliches Zertifikat für biologische Produkte ist sehr teuer (100000 Pesos pro Jahr, das sind 1726 Euro). Die Genossenschaft der organischen Produzenten kümmert sich darum.
NGOs stärken die Sozialarbeit auf allen Ebenen. Beispielsweise organisiert der Bund der neuen Generationen Gesundheitsvorsorge und Schulungen zu verschiedenen Themen wie Verhütung, Sex vor der Ehe, AIDS, Drogenprobleme und Rehabilitationsprogramme für junge Drogenabhängige (Duterte hat in seinem „Kampf gegen die Drogen“ Tausende Jugendliche getötet) und Jugendliche, die keine Arbeit und keine Zukunft haben.[5]
Alle Bauern und Bäuerinnen, die wir getroffen haben, sind sich des fortschreitenden Klimawandels bewusst. Die Taifune werden heftiger, der für den Reisanbau wichtige Regen wird unregelmäßig, der Meeresspiegel steigt, die Überschwemmungen werden schlimmer, vor allem in den Armenvierteln der Städte.
5. Agrarökologie, Feminismus und Care-Politik
Frauen spielen eine zentrale Rolle in den verschiedenen Organisationen und Strukturen, die im Rahmen dieses Projekts arbeiten. Sie waren in der Vergangenheit die treibende Kraft hinter den Friedensinitiativen zwischen den drei „Völkern“ von Mindanao. Heute sind sie die größte Gruppe, die sich auf dem neuen Feld der ökologischen Kämpfe und des Kampfes gegen die globale Erwärmung engagiert. Das Thema der Unterdrückung von Frauen wird in der RPM-M und RPA sowie den sozialen Bewegungen, an denen sie beteiligt sind, sehr stark diskutiert. Frauen sind zu Menschen geworden, denen man zuhört, und sie sind die wahren Führerinnen der agrarökologischen Arbeit.
Der agrarökologische Kampf für Ernährungssouveränität muss auch im Zusammenhang mit dem Problem der Auswanderung gesehen werden. Die Zahl der jährlich emigrierten Filipinos ist in den letzten 20 Jahren von 300 000 auf 866 000 angestiegen. Die meisten von ihnen sind Frauen. Heute leben 7,33 Millionen Filipinos im Ausland (vor allem in den Golfstaaten, dann auch in Europa). Der Staat nennt diese Auswander:innen die „neuen Helden“, da sie das Land vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch gerettet haben, indem sie regelmäßig Geld nach Hause schicken. Der Staat hat sogar eine spezielle Ausbildung für Ingenieure, aber vor allem für Krankenschwestern organisiert. Die Frauen werden dort ausgebildet, um in den Golfstaaten oder in Europa als Hausangestellte oder Pflegerinnen zu arbeiten. Für diese Frauen ist das Leben im Ausland keine freie Wahl, sondern eine Verpflichtung und eine Zerreißprobe. Sie leben oft in halber Sklaverei, werden Opfer von Gewalt und sogar Vergewaltigungen. Die gesamte traditionelle Sorgearbeit durch die Familienstruktur wird ausgelagert. Wohlhabende Frauen in den Golfstaaten, in Europa und in den Vereinigten Staaten können Karriere machen, indem sie ihre Kinder in der Obhut von Migrantinnen lassen, die ihre eigene Familie verlassen und diese wiederum der Obhut der Großmütter oder der ältesten Tochter überlassen mussten.
Während der Covid-Krise mangelte es auf den Philippinen an allem. Es gab keine Impfungen, weil Impfstoffe Mangelware waren. Duterte schlug sogar vor, Tausende Krankenschwestern im Austausch für Impfstoffe nach Großbritannien zu schicken. Die Regierung von Boris Johnson lehnte dies höflich ab. Der Verfall des Gesundheitswesens wurde jahrzehntelang bewusst herbeigeführt, um den Staat vor dem Bankrott zu bewahren. Der Verlust von Tausenden von Krankenschwestern und anderen gut ausgebildeten Menschen hat die Philippinen noch tiefer in die Unterentwicklung und die Abhängigkeit von reichen Ländern gestürzt.
Die Strategie der Bekämpfung der Auswanderung war von Anfang an ein wichtiges Element bei der Bildung des agrarökologischen Netzwerks in Mindanao. Sie ist eine konkrete Antwort auf die Politik des Staates, die das Land und die Natur zerstört. Indem man eine Perspektive auf lokale Arbeit bietet, die die Lebens- und Umweltbedingungen verbessert, will man die jungen Menschen im Land halten. Diese Orientierung will auch den Familien helfen und mit dem zurückgeschickten Geld lokale Projekte entwickeln.
6. Ein neues politisches Bewusstsein
Aus all diesen Erfahrungen, die oft pragmatisch sind und von den unmittelbaren Bedürfnissen ausgehen, ist ein neues, tieferes und radikaleres politisches Bewusstsein entstanden. Das Überleben von Indigenen wie den Lumad, das Überleben und die Entwicklung einer bäuerlichen Landwirtschaft hängen von dieser langsamen, aber nachhaltigen Arbeit für eine andere Gesellschaft in Mindanao ab. Das Umweltbewusstsein, die Bedeutung der Beziehung zu Land und Natur und die Verbindung zwischen diesem Thema und dem feministischen Kampf sind keine „fremden“ Erfindungen. Im Gegenteil, sie sind aus der direkten, konkreten Erfahrung des Lebens der Kleinbäuerinnen und -bauern entstanden.
In ihrer heutigen Form sind die Revolutionäre Arbeiter:innenpartei – Mindanao (RPM-M) und die Revolutionäre Volksarmee (RPA) sowohl Produkt als auch Nährboden dieses neuen Bewusstseins. Die Entwicklung dieser Organisationen ist spektakulär. Sie sind aus der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP) und ihrer Massenorganisation Nationale Demokratische Front (NDF) hervorgegangen. Sie brachen mit der zentralen Parteiführung während der Krise, als die Wende der 1980er und 1990er Jahre die CPP tiefgreifend veränderte. Schon vor der Spaltung hatte die regionale Struktur der CPP, die später die RPM-M und die RPA gründete, viel aus ihren Erfahrungen mit den christlichen, muslimischen und Lumad-Volksgemeinschaften in Zentral-Mindanao sowie aus den paranoiden Säuberungen gelernt, die die Kommunistische Partei auf nationaler Ebene zerrütteten. Sie änderten ihr Programm und ihre Strategie entsprechend. Diese Entwicklung setzte sich nach der Abspaltung von der CPP fort. Die RPM-M setzte die sozialistische Perspektive auf die Tagesordnung (was die CPP nie getan hatte). Sie bewertete ihre Beziehungen zu den verschiedenen Milieus in der Bevölkerung in ihren Operationsgebieten neu und respektierte die von den Gemeinden getroffenen Entscheidungen, anstatt ihnen die parteispezifischen taktischen Entscheidungen aufzwingen zu wollen.
Die RPM-M hat verstanden, dass der bewaffnete Kampf nicht immer und unter allen Umständen die „Hauptform“ des revolutionären Kampfes sein muss. Sie nahm Friedensgespräche auf. Diese Gespräche konnten nicht erfolgreich sein, unter anderem, weil sie sich hätte entwaffnen müssen. Dies hätte angesichts der Situation in Mindanao, wo militarisierte Gruppen aller Art (von Banden bis hin zu radikalen Islamisten) operieren, bedeutet, einen Großteil ihrer Siedlungsgebiete zu verlassen und damit die Volksgemeinschaften, in denen ihre Mitglieder leben und für die sie eine unersetzliche Kraft der Selbstverteidigung darstellt, im Stich zu lassen.
Die RPM-M und die RPA nahmen eine defensive Haltung ein, so dass ihr Operationsgebiet im Vergleich zu anderen Gebieten der Insel zu einer Zone des relativen Friedens wurde. Trotz zahlreicher Provokationen gelang es ihnen, eine „nicht-offensive“ Streitkraft lange Zeit aufrechtzuerhalten, ohne dass sie zerfiel oder degenerierte, was nicht selbstverständlich ist. Das hat sichergestellt, dass die Mitglieder der RPM-M und RPA ihre sozialen Wurzeln nicht verlieren. Die politisch-militärische Erfahrung dieser Bewegung, die zu wenig bekannt ist, ist voller wertvoller Lehren.[6]
Heute steht der Ökosozialismus auf allen Ebenen im Mittelpunkt des Aufbauprojekts der RPM-M und RPA: alte und neue Kader, aktive Mitglieder verschiedener NGOs, Jugendliche, Frauen, Bauern und Bäuerinnen. Die RPP-M arbeitet nun aus einer ökosozialistischen Perspektive. Sie setzt sich für eine landwirtschaftliche Alternative ohne Pestizide, gentechnisch veränderte Pflanzen und chemische Düngemittel ein, um Ernährungssouveränität zu erreichen, lokale Reissorten zu erhalten, die Wälder durch die lokale Bevölkerung ökologisch wiederherzustellen und die globale Erwärmung zu bekämpfen.
M
Referenzen
Der Artikel À Mindanao, les paysan ne s mettent l’écosocialisme en pratique von Marijke Colle erschien ursprünglich in: Michael Löwy et Daniel Tanuro: Lutte écologiques et sociales dans le monde. Allier le vert et le rouge. Editions textuel, 2021, p. 105-120. Wir danken den Herausgebern für die Freigabe zur Publikation auf Deutsch. Übersetzung durch Christian Zeller.
[1] Mit dem Begriff Lumad werden 18 indigene austronesische Völker auf der Insel Mindanao bezeichnet. Siehe Philippe Revelli : Autonomie en trompe l’oeil aux Philippines. Le Monde diplomatique, avril 2020.
[2] Zum Beispiel nach dem Taifun Haiyan (auch Yolanda genannt), der 2013 die Philippinen verwüstete. Aufgrund der globalen Erwärmung nimmt die Gewalt von Wirbelstürmen auf den Philippinen und anderswo zu. Siehe: Alexandre A. Costa: Haiyan/Yolanda : on retrouve dans chaque nouveau et violent cyclone l’ADN de l’industrie des combustibles fossiles et du capitalisme. Europe solidaire, 20 novembre 2013 https://www.europe-solidaire.org/spip.php?article30727
[3] Pierre Le Hir: 2015, année meurtrière pour les défenseurs de l’environnement. Le Monde 14 juin 2016 https://www.lemonde.fr/planete/article/2016/06/20/2015-annee-meurtriere-pour-les-defenseurs-de-l-environnement_4953736_3244.html
[4] Der 1968 begonnene Konflikt zwischen dem philippinischen Staat und der Moro Islamic Liberation Front ist in einer langen Geschichte des Widerstands der Moro-Muslime gegen die Fremdherrschaft – zunächst der spanischen, später der US-amerikanischen – verwurzelt.
[5] Im Jahr 2016 rief der philippinische Präsident Duterte einen “Krieg gegen die Drogen” aus. Innerhalb von drei Jahren sollen mehr als 20.000 Menschen von Kommandos, die Straffreiheit genießen, erschossen worden sein. Die meisten von ihnen waren Konsument:innen aus den unteren Klassen. Beim Internationalen Strafgerichtshof wurde eine Klage wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingereicht. Eva Moysan: Assassinats : Philippines : vers une enquête sur la guerre antidrogue de Duterte. Liberation 14 juin 2021 https://www.liberation.fr/international/asie-pacifique/philippines-vers-une-enquete-sur-la-guerre-antidrogue-de-duterte-20210614_QGLAECPKQVBPPEUJWRCBPFT2SI/
[6] Im März 2021 änderten die RPM-M und RPA angesichts des gnadenlosen Krieges des Duterte-Regimes erneut ihre Ausrichtung, riefen zum Volkskrieg auf und reaktivierten ihre militärischen Kapazitäten. Die Grundlage ihrer Politik ist nach wie vor die Selbstverteidigung, aber eine passive Haltung erlaubt es ihnen nicht mehr, ihre eigenen Mitglieder, die Volksgemeinschaften oder die ehemals legalen militanten Netzwerke zu schützen, die nun gezwungen sind, in den Untergrund zu gehen. Diese gewalttätige Veränderung der Situation zeigt, dass die RPM-M und RPA zwar Recht hatten, zunächst eine defensive Haltung einzunehmen, aber auch richtig lagen, die Waffen nicht abzugeben. Die Autorin dankt Pierre Rousset für diese Informationen über die Entwicklung der RPM-M und RPA.