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Klimakrise und Planung

1 Comment

  • A.D.
    Posted 4. November 2023 at 17:15

    Der obige Artikel gibt Anlass dazu, mal auf ein eklatantes Rezeptionsdefizit in der hiesigen Planwirtschaftsdebatte hinzuweisen.

    Es ist zwar schön zu hören, dass Planwirtschaftsmodelle, s.o., aktuell wieder stärker diskutiert werden. Jedoch fällt dabei auf, dass hier – vor allem im deutschsprachigen Diskurs – noch erhebliche Rezeptionslücken bestehen. Im obigen Artikel wird das “Cybersozialismus”-Modell Cottrells und Cockshotts richtigerweise ob der zentralistischen, staatsfixierten Tendenzen kritisiert. Was dabei jedoch – wie so oft – nicht zur Sprache kommt, ist, dass bereits eine radikal-sozialistische Alternativkonzeption existiert, welche derlei Kritikpunkte schon seit Jahrzehnten formuliert und im eigenen (jüngst ebenfalls akualisierten) Modell zu berücksichtigen verspricht: “Partizipatorische Ökonomie”.

    Obwohl sich dieses Konzept im englischsprachigen Raum einiger Bekanntheit erfreut (zu den prominenteren Symphatisant*innen gehören bspw. Noam Chomsky und Arundhati Roy), wird es meiner Wahrnehmung nach im deutschsprachigen Diskurs kaum bis nicht rezepiert, wenn es um alternative sozialistische Planwirtschaftskonzeptionen geht (was daran liegen könnte, dass es sich weniger in der marxistischen, sondern eher in der libertär-sozialistischen Tradition verortet). Dabei stellt die Partizipatorische Ökonomie eines der aktuell elaboriertesten Konzepte einer auf Rätestrukturen, Commons und Arbeiter*innenselbstverwaltung bauenden demokratischen, dezentral-konföderativen Planwirtschaft dar. Anders als in so vielen anderen Planungskonzepten, wird genuine Selbstverwaltung in Form der komplexen Vermittlung von basisdemokratischen und gestaffelten Rätestrukturen hier tatsächlich ernstgenommen. Damit trägt es vielen der im Artikel genannten Kritikpunkte an der technokratisch-zentralistischen Perspektive Cockshotts/Cottrells Rechnung.

    Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass es der Partizipatorischen Ökonomik zufolge, anders als oftmals im Planungsdiskurs behauptet, keiner avancierten Computertechnologien für eine demokratische Planwirtschaft berdürfe, sondern eine Partizipatorische Ökonomie die effiziente Allokation, Produktion und Distribution vornehmlich durch das institutionelle Arrangement und das spezifische demokratische Planungsverfahren herzustellen verspricht. Dies stellt für die gesamte Debatte eine sicherlich bereichernde Position dar.

    Robin Hahnel, emeritierter Ökonom und Mitbegründer des Konzepts, hat jüngst mit seinem Buch ‘Democratic Economic Planning’ (2021) eine aktualisierte und wissenschaftliche Ausarbeitung des Modells vorgelegt, in welchem er das Konzept nicht nur scharf von Zentralplanung und Marktwirtschaft abgrenzt, sondern auch die bekanntesten anderen neueren demokratischen Planungsvorschläge (u.a. Pat Devine, Dan Saros’ ‘Amazon Socialism’ und eben auch Cockshotts/Cottrells ‘Cyber Socialism’) würdigt und vor allem einer fundierten Kritik unterzieht.

    Bleibt also zu hoffen, dass dieses Konzept künftig, auch in der deutschsprachigen Debatte, die Berücksichtigung findet, die es zweifellos verdient.

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