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Die Vorreiter des Computersozialismus gehen nun auf die ökologischen Herausforderungen ein – ihr zentralistischer Ansatz bleibt jedoch unverändert. Eine Rezension zu W. P. Cockshott, J. P. Dapprich, A. Cottrell: Economic Planning in an Age of Climate Crisis. Independently published 2022. 198 Seiten, 15 EUR.
Die Klimakrise und die Veränderungen in der Konfiguration des Erdsystems schreiten mit einer solchen Geschwindigkeit voran, dass die Idee einer schrittweisen Transformation auf Grundlage des Marktes keine Option mehr ist. Dass es – mindestens gewisser Formen – von Planung bedarf, ist augenscheinlich und mittlerweile zum festen Bestandteil des Diskurses über die Klimakrise geworden. Eine radikale Linke müsste die Herausforderung annehmen und beharrlich darauf verweisen, dass Kapitalverhältnis und Profitmaximierung in einem prinzipiellen Widerspruch zu einem rational geregelten Stoffwechsel mit der Natur stehen. Im Gegensatz zu bürgerlich beschränkten Überlegungen zu einer grünen Transformation (ein bisschen Planung, die den Markt ergänzt oder steuert) müsste man das Übel bei der Wurzel packen und die Warenproduktion überwinden. Denn bereits in der Wertform – Gebrauchswert/Tauschwert – steckt das grundsätzliche Dilemma des Akkumulationszwangs.
Statt blinden Marktgesetzen: Assoziierte Produzent*innen müssen sich Produktionsmittel aneignen und ihr eigene Arbeit bewusst planen. Soweit im Wesentlichen Einigkeit in der ak-Artikelserie zur Planwirtschaft (ak 658 bis 674). Aber selbst wenn darüber Einigkeit besteht, ist damit noch wenig darüber gesagt, wie diese Planung genau aussehen könnte – in welcher Form und mit welchem Inhalt – geschweige denn über die genauen Methoden und Verfahren. Auch dies ist in der ak-Reihe deutlich geworden. Im angelsächsischen Raum haben sich diesbezüglich W. P. Cockshott und A. Cottrell (CC) einen Namen gemacht. Ihr Buch »Alternativen aus dem Rechner« wurde 1996 erstmals auf Deutsch publiziert, 2022 erschien die dritte Auflage. Ihr Verdienst ist es, beharrlich und konsequent auf die Entwicklung der Produktivkräfte – gerade die digitale Revolution – hinzuweisen und die damit verbundenen deutlich verbesserten technischen Möglichkeiten für gesellschaftliche Planung zu betonen.
Auch dass CC in ihren Planungsentwürfen zunächst die gesellschaftliche Arbeit fest im Blick hatten, war durchaus beachtlich. So konnten sie zumindest eine Rechengröße für eine Produktion jenseits des Wertverhältnisses angeben – wenngleich nicht immer ganz klar war, ob es sich in ihren Gedankenexperimenten eigentlich noch um Lohnarbeit handele. Kritikwürdig an CC war hingegen, dass sie gedanklich nie von Planungsmodellen des Realsozialismus wegkamen. Es war stets eine reine Top-Down-Planung. Ihnen schwebte ein zentraler Plan vor, der alles regeln sollte. Dies war die nie erreichte – und vermutlich niemals erreichbare – Traumvorstellung sowjetischer Planungsbehörden. Dank verbesserter Computertechnologie sollte dies nun Wirklichkeit werden, könnte man CC pointiert zusammenfassen. Zugutehalten muss man ihnen dabei aber, dass sie diese Zentralplanung stets mit demokratischen Formen verbinden wollten.
Spielte die Ökologie bei CC bisher bestenfalls eine Nebenrolle, so ändert sich dies mit ihrem neusten Buch: »Economic Planning in an Age of Climate Crisis« erschien letztes Jahr, und es gibt einen dritten Autor: J.P. Dapprich (aus CC wird CCD). Zunächst setzen sich die Autoren grundsätzlich mit Klima und Klimawandel auseinander. Sowohl physikalische Begebenheiten als auch die düsteren Prognosen für die nähere Zukunft werden dargestellt. Es ist eine sehr gute und komprimierte Zusammenfassung mit wenig Neuem für Expert*innen.
Physikalische Einheiten anstatt Arbeitszeitrechnung
Dann geht es um den Kampf gegen den Klimawandel. Zunächst werden die aus Sicht der Autoren notwendigen strukturellen Veränderungen auf einer technisch/physikalischen Ebene skizziert (»structural change in the mode of material production«). Weitere Abschnitte gehen der Frage nach, inwieweit Planung(smodelle) bereits unter kapitalistischen Bedingungen – »mixed economy« – von Vorteil sein könnten. Erst die letzten Kapitel und der Anhang handeln dann von der von CCD eigentlich favorisierten kompletten wirtschaftlichen Planung. Da dies der eigentliche Anspruch des Buches ist, wollen wir damit beginnen:
CCD entwerfen eine Planwirtschaft, die die Organisation und Planung einer Ökonomie – am Beispiel von Europa – in einem zentralen Modell erfasst. Dabei stützen sie sich insbesondere auf den Mathematiker Leonid Witaljewitsch Kantorovich, einen der Begründer der linearen Programmierung, sowie den Ökonomen Wassily Leontief und seine Methode der Input-Output-Tabellen. Zwei Methoden, denen sich übrigens auch die bürgerliche Wirtschaftslehre bedient. Im Vergleich mit ihren früheren Publikationen sind die Methoden durchaus weiterentwickelt, erfordern dafür aber auch mehr mathematisches Verständnis. Die neuen Berechnungsmethoden sind in ihren Annahmen so zentral geworden, dass sie sich von der Arbeitszeitrechnung mehr oder weniger verabschiedet haben und nur noch mit physikalischen Einheiten planen wollen. Zu diesen »physikalischen Einheiten« gehört dann allerdings auch die Arbeitskraft.
Ausgangspunkt der Planung sind die zu erfüllenden Bedürfnisse. Im Prinzip gilt es für jedes Produkt die Output-Art und -Menge zu beschreiben und welche Ressourcen (Input) in Form von Rohstoffen, Vorprodukten, Werkzeugen, Maschinen sowie Arbeit(szeit) benötigt werden. Von den Endprodukten ausgehend gehen sie über alle Zwischenprodukte zu den Rohstoffen. Am Ende werden die Zusammenhänge der ganzen Wirtschaft und ihrer Produktionszweige im Modell dargestellt. Es ergibt sich, dass jeder einzelne Produktionsschritt dafür mathematisch erfasst werden muss. Dabei müssen stets die Voraussetzungen beachtet werden, d.h. die vorhandenen Produktionsmittel und ihr Verschleiß sowie die vorhandene Arbeitskraft. Auch die Knappheit von Gütern, etwa bestimmter Rohstoffe, die nur in einem bestimmten Umfang vorhanden sind, gehören hierhin. Und genau wie all diese Voraussetzungen modelliert werden, lassen sich nun auch Treibhausgasemissionen mitmodellieren. Sie können in den Rechenmodellen etwa auf bestimmte jährliche Kontingente begrenzt werden, wenn man die Emissionen der verschiedenen Produktionsverfahren kennt.
Mit den mathematischen Methoden und der linearen Programmierung (genaugenommen eine Optimierung) lässt sich dann ein Plan erstellen, der das Optimum – das sich durchaus unterschiedlich definieren lässt – aus den Gegebenheiten herausholt. Im besten Fall kann es den geplanten Output liefern. Und diese Rechenoperationen lassen sich dann für aufeinanderfolgende Zeitperioden fortschreiben. Auch Akkumulation und – soweit bekannt – technischer Fortschritt könnten dabei einkalkuliert werden. Die so berechneten und festgelegten Pläne wären dann die Produktionsanweisungen, die in den einzelnen Betrieben umgesetzt werden müssten. Dies wäre zumindest die logische Konsequenz aus den früheren Publikationen der Autoren.
Zentralistische Top-Down-Planung
Weiterhin interessant für ökologische Planungsdiskussion ist, dass CCD ein Preismodell zugrunde legen, welches die Preise (für den Endkonsum) nicht nur auf der Basis der in allen Produkten steckenden Arbeitszeit, sondern allgemeiner auf Basis von Opportunitätskosten bestimmt. Diese werden direkt aus dem Planmodell errechnet. So sollen Preise gebildet werden, die auch Knappheit von Rohstoffen und Umwelteinflüsse beinhalten und so die Nachfrage regulieren sollen.
So interessant einige Erwägungen, die mathematischen Berechnungsmodelle und die im Anhang vorgestellten Softwaretools auch sein mögen, auf der Meta-Ebene hinkt es gewaltig. Wie allem bisher dargestellten unschwer zu entnehmen ist, kann der vorgestellte Plan – genau wie in allen bisherigen Publikationen – nur rein zentralistisch sein. Es bleibt bei einer Top-down-Planung. Von oben entworfen, durchgerechnet und nach unten zur Ausführung weitergereicht. Auch wenn dieser zentrale Plan demokratisch diskutiert und beschlossen wird; als rein zentralistischer Plan kann er lokale Entscheidungen – die nicht nur ökonomischer Art sein müssen – nicht abbilden. Mehr noch: Der Plan kann lokale Entscheidungen schwer akzeptieren, wenn sie der kalkulierten Optimierung widersprechen.
Es ist zwar richtig, dass auch das Gegenteil, eine reine dezentrale Organisation angesichts großräumiger Infrastrukturen und Netzwerke, wie dem Bahn- oder Computernetz, nicht möglich ist. Die Herausforderungen, die die Erderhitzung und der Umbau der Energieversorgung stellen, werden nicht rein auf dezentraler Ebene zu lösen sein. Aber anstatt eine Vermittlung von zentralen und dezentralen Planungsmomenten ins Auge zu fassen, bleiben die Autoren bei reiner Administration. Bei aller Notwendigkeit von zentralen Entscheidungen und gewissen Formen zentraler Koordination der Umsetzung lässt die mathematisch-algorithmische Methode den politischen Prozess, die Selbstorganisation und -initiative komplett außen vor. Eine komplexe Wirtschaft, die sich schnell grundlegend verändern muss, braucht sicherlich auch Planungsmomente und Sphären, die nicht vor der Tür oder dem Vorteil des einzelnen Betriebes Halt machen. Aber ebenso braucht es Eigeninitiative vor Ort. Wenn die assoziierten Produzent:innen (und Konsument:innen) ihre Macht an die staatliche Planungsbehörde abgeben, hätte die Assoziation einen schweren Stand.
Es ist auch ein Trugschluss, dass sich alles Wissen formalisieren lässt und dann einfach in einen Computer gesteckt werden kann. Zwar sind viele Fertigungsprozesse heute formalisiert und elektronisch beschrieben – aber längst nicht alle. Vieles hängt von Individuen und ihrem (impliziten) Wissen ab. Nicht alle Produkte sind Serienprodukte, werden also erst während der Planausführung definiert und entwickelt. Das nötige perfekte Wissen der Zentrale, von dem CCD ausgehen, kann es so gar nicht geben.
Die Gedankenwelt der reinen Top-Down-Zentralplanung wollen CCD nicht hinter sich lassen und schleppen damit deren Probleme weiter mit sich. Um den einen perfekten Plan in der geforderten Genauigkeit aufzustellen, müsste quasi jede Maschine und jedes größere Werkzeug modelliert werden. Und das am jeweiligen geografischen Standort – das schafft neue Probleme, nicht nur beim Transport. Genau hier lagen nicht ganz zufällig schon diverse sowjetische Planungsprobleme bzgl. Aggregation und Desegregation.
Nützliche Werkzeuge
Die von CCD vorgestellten Methoden können nützliche Werkzeuge sein, um die Entwicklung großer Wirtschaftseinheiten zu modellieren und um Pläne beispielsweise zum ökologischen Umbau der Industrie zu diskutieren: Wo wollen wir hin und was hätte das für Konsequenzen? Welche neuen Zweige müssen aufgebaut werden, wenn andere verschwinden? Wie geht das am schnellsten, billigsten oder einfachsten? Zur Steuerung der ganzen Wirtschaft und damit letztlich der Gesellschaft sind sie fragwürdig. Die gewünschte detaillierte Formalisierung aller Wirtschaftsprozesse ist in dieser Form weder möglich noch erstrebenswert und fällt zusammen mit einem zentralistisch-hierarchischen Verständnis von Gesellschaft. So wie Computer heute komplexe Abläufe in Fertigung, Logistik usw. ermöglichen, können sie auch dabei helfen, eine kooperativ-genossenschaftliche Wirtschaftsform, die die Produktion von den Bedürfnissen der Produzent:innen und Konsument:innen ausgehend reguliert, zu organisieren. Nicht mehr und nicht weniger.
Dies gilt letztlich selbst für das entwickelte Preissystem basierend auf Opportunitätskosten. Unabhängig von der Frage, wie die Endprodukte verteilt werden, ist es zunächst eine durchaus interessant klingende Möglichkeit. In der beschriebenen Version ist der Preis aber wiederum nur von der allwissenden Zentrale festlegbar und hat außerdem auf die Betriebe und ihre Produktion nur eine mittelbare Auswirkung, da ja schon vorher festgelegt ist, was wie produziert werden muss. Der Anspruch ökologische Folgeschäden im Preis eines Produktes abzubilden, könnte durchaus bereichernd für eine Planwirtschaftsdebatte sein. Wer allerdings ausgehend von der ökologisch notwendigen Reduktion des globalen Material- und Energieverbrauchs denkt, wird feststellen, dass Preismodelle schnell an Grenzen stoßen und vor allem Kontingente und Verbote die Hauptrolle werden spielen müssen. Die gesamte Produktion muss an den planetaren Grenzen ausgerichtet werden. Das bedeutet, dass vieles schlicht nicht mehr produziert werden darf, anderes nur in stark reduzierten Mengen.
Rein technische Gedankenwelt
Das CCD ausschließlich von der Zentrale aus denken, macht sich im ganzen Buch bemerkbar. Die Dekarbonisierung bleibt in ihrer Gedankenwelt eine rein technische Herausforderung. Bloß die Elektrizität, die Wärmeversorgung für Industrie und Haushalte sowie der Transport müssten ihrer Ansicht nach durch nicht-fossile Energiegewinnung abgedeckt werden. Neben der Windenergie (Offshore und Onshore) soll bezeichnenderweise die Kernenergie in beträchtlicher Weise genutzt und sogar ausgebaut werden. Dass in vielen Ländern – und dort auch in der jeweiligen politischen Linken – durchaus positiver über Kernenergie diskutiert wird als in Deutschland, lässt sich nur unschwer leugnen. Dass die Atomkraft im gesamten Buch ohne jegliche Kritik als zukunftsträchtige Energie gehandelt wird, darf jedoch erstaunen.
Aber selbst wenn wir die Frage der Kernenergie großzügig ausklammern und einmal davon ausgehen, dass die notwendige Energie im Planungsmodell von CCD allein über Windkraft gewonnen werden soll, sehen wir, wie tief die drei Autoren auch ansonsten in einer bürgerlichen Gedankenwelt gefangen bleiben.
Die Gesellschaft und ihre Bedürfnisse können oder wollen sie sich letztlich nur so vorstellen, wie sie ihnen heute gegenübertritt.Ansonsten ist es schwer zu erklären, warum sie an keiner Stelle der Frage nachgehen, wo es jenseits der Profitlogik Potenzial gibt, Energie einzusparen: ob Werbeindustrie, Recyclingverfahren, der Wegfall kompensatorischer Ersatzbefriedigungen oder der Luxus der Reichen. Es geht auch um neue Formen von Konsum und nicht nur einen Um-, sondern auch einen Rückbau ganzer Industrien. Energiereduktion können die Autoren sich aber lediglich durch Effizienzsteigerungen, allenfalls durch Substitution von Materialien vorstellen.
Diese Vorstellung von Technik fällt auf Schritt und Tritt zusammen mit ihren Vorstellungen von Gesellschaft. Bereits an den nächsten und unmittelbaren Schritten, die sie für hier und heute anvisieren, wird dies deutlich. Die Treibhausgasemissionen müssen jetzt sofort drastisch gesenkt werden, keine Frage. Die Chancen auf eine sofortige gesellschaftliche Umwälzung – weg vom Markt und hin zum Plan – sehen nicht gerade gut aus. Auch dies ist unzweifelhaft korrekt. Ökosozialist:innen stehen deshalb vor der Aufgabe, eine Programmatik zu entwickeln, die es ermöglichen würde, Sofortmaßnahmen umzusetzen, die die Emissionen senken und im Idealfall gleichzeitig eine Vorwegnahme von Momenten einer künftigen Gesellschaft darstellen. Kurzum, es gilt Übergänge zu skizzieren. Arbeit, Urlaub, Wohnen, Mobilität – überall müsste gezeigt werden wie ein besseres Leben mit niedrigeren Emissionen möglich wäre und wie wir beginnen könnten dieses einzufordern. Sicherlich, es geht dabei vor allem um gesamtgesellschaftliche Perspektiven, nicht individuelles Umsteuern oder den persönlichen Fußabdruck. Der Repräsentant der Gesellschaft – ob als bürgerlicher Staat oder künftiges Gemeinwesen – wird hier bis auf Weiteres nicht wegzudenken sein; Mindeststandards, Gesetze, Verbote usw. Trotzdem muss ökosozialistische Emanzipation zunächst und vor allem bedeuten, dass die arbeitende Klasse Wege der Selbstermächtigung findet. Wie können sie über ihr gesellschaftliches Dasein selbst entscheiden und bestimmen? Wie können sie sich die dazu notwendigen Mittel für Produktion und Reproduktion aneignen?
CCD gehen in gewisser Weise den umgekehrten Weg. All ihre Gedanken kreisen um den Staat. Da dieser sich bis auf Weiteres nicht grundsätzlich ändern dürfte, überlegen sie, wie sie mit ihm in seiner jetzigen Gestalt Vorlieb nehmen können. „[P]laning of the economy by government does not necessarily require taking the means of production into public ownership“. Ihr Vorbild ist hier – ganz wie bei Ulrike Herrmann in ihrem Buch „Das Ende des Kapitalismus“ – die englische Kriegswirtschaft im 2. Weltkrieg. Aus ihrer Sicht ein starker bürgerlicher Staat, der nicht nur Produktionsziele vorgab, sondern direkt über die Arbeiter:innen bzw. ihre Arbeitskraft verfügte: „allocating people, to particular jobs in particluar locations“.
Bei aller Kritik an den gesamtgesellschaftlichen Vorstellungen – der Ausgangspunkt der Konzeption ist korrekt. Die Dekarbonisierung ist ohne ein gewaltiges Programm zum Auf- und Ausbau von erneuerbaren Energien aller Art, Wärmenetzen und -pumpen etc. nicht zu haben. Der Markt kann und wird dieses Aufbauwerk in der notwendigen Eile nicht leisten, weil die Profitraten dies nicht hergeben und der Zeithorizont viel zu knapp ist. Es gilt deshalb auf Planung zu setzen. Das CCD Planung nicht nur als abstraktes Schlagwort setzen, sondern sich ernsthafte Gedanken um Planungsmodelle machen, ist begrüßenswert. Partiell könnte man ihre Rechenmodelle der Planungsoptimierung aufgreifen und überlegen, in welchen Entitäten oder auf welche Produktionssphären sie anwendbar sein könnten. Gleiches gilt für ihre Überlegungen, knappe Ressourcen oder Verschmutzungen zu kalkulieren.
Ihre Gesamtkonzeption dagegen bleibt höchst problematisch. CCD wollen den Markt durch einen starken Staat steuern oder im Idealfall ersetzen. Ihr großes Vorbild bleibt allem Anschein nach der sowjetische Staat, der in den 1930er Jahren die nachholende Industrialisierung auf Kosten der Natur/unter massiver Ausplünderung und Zerstörung der Natur mit brachialer Gewalt und unvorstellbarem menschlichen Leiden durchpeitschte. Als Zwischenschritt liebäugeln sie mit einem starken bürgerlichen Staat, der – Beispiel Großbritannien – im Zweiten Weltkrieg oder in den 1950er Jahren mit atomaren Aufbauprogrammen, eine aus ihrer Sicht erstrebenswerte Effizienz erreichte.
Was die reinen Zahlen des wirtschaftlichen Wachstums angeht, sind die Leistungen, die in den genannten Zeiten erreicht wurden, sicherlich beachtlich. Aber selbst wenn wir einmal außer Acht lassen würden, dass diese Perioden für eine emanzipatorische Perspektive denkbar schlechte Vorbildfunktionen hergeben, müsste man doch die Frage stellen, was jeweils der Hintergrund der spezifischen Situation war. Welche Gesellschaften, Klassen, Klassenkräfte und Konstellationen brachten sie unter welchen speziellen Bedingungen hervor? Derzeit zumindest spricht wenig dafür, dass der bürgerliche Staat gegen die Gesellschaftsformation antritt, welche er repräsentiert, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Eine ökosozialistische Programmatik sollte den Staat in die Pflicht nehmen und bestenfalls in gesellschaftlichen Kämpfen ausreizen und aufzeigen, wo dessen Handlungsgrenzen bestehen. Seine Hoffnungen dagegen sollte man weder auf rein technische Lösungen noch auf eine staatlich geplante (Kriegs)wirtschaft setzen.
Bildquelle: Zur ökosozialistischen Planung schafft es KI (zum Glück?) noch nicht, aber zur Illustration des Beitrages reicht’s. Grafik von Google DeepMind.
1 Comment
A.D.
Der obige Artikel gibt Anlass dazu, mal auf ein eklatantes Rezeptionsdefizit in der hiesigen Planwirtschaftsdebatte hinzuweisen.
Es ist zwar schön zu hören, dass Planwirtschaftsmodelle, s.o., aktuell wieder stärker diskutiert werden. Jedoch fällt dabei auf, dass hier – vor allem im deutschsprachigen Diskurs – noch erhebliche Rezeptionslücken bestehen. Im obigen Artikel wird das “Cybersozialismus”-Modell Cottrells und Cockshotts richtigerweise ob der zentralistischen, staatsfixierten Tendenzen kritisiert. Was dabei jedoch – wie so oft – nicht zur Sprache kommt, ist, dass bereits eine radikal-sozialistische Alternativkonzeption existiert, welche derlei Kritikpunkte schon seit Jahrzehnten formuliert und im eigenen (jüngst ebenfalls akualisierten) Modell zu berücksichtigen verspricht: “Partizipatorische Ökonomie”.
Obwohl sich dieses Konzept im englischsprachigen Raum einiger Bekanntheit erfreut (zu den prominenteren Symphatisant*innen gehören bspw. Noam Chomsky und Arundhati Roy), wird es meiner Wahrnehmung nach im deutschsprachigen Diskurs kaum bis nicht rezepiert, wenn es um alternative sozialistische Planwirtschaftskonzeptionen geht (was daran liegen könnte, dass es sich weniger in der marxistischen, sondern eher in der libertär-sozialistischen Tradition verortet). Dabei stellt die Partizipatorische Ökonomie eines der aktuell elaboriertesten Konzepte einer auf Rätestrukturen, Commons und Arbeiter*innenselbstverwaltung bauenden demokratischen, dezentral-konföderativen Planwirtschaft dar. Anders als in so vielen anderen Planungskonzepten, wird genuine Selbstverwaltung in Form der komplexen Vermittlung von basisdemokratischen und gestaffelten Rätestrukturen hier tatsächlich ernstgenommen. Damit trägt es vielen der im Artikel genannten Kritikpunkte an der technokratisch-zentralistischen Perspektive Cockshotts/Cottrells Rechnung.
Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass es der Partizipatorischen Ökonomik zufolge, anders als oftmals im Planungsdiskurs behauptet, keiner avancierten Computertechnologien für eine demokratische Planwirtschaft berdürfe, sondern eine Partizipatorische Ökonomie die effiziente Allokation, Produktion und Distribution vornehmlich durch das institutionelle Arrangement und das spezifische demokratische Planungsverfahren herzustellen verspricht. Dies stellt für die gesamte Debatte eine sicherlich bereichernde Position dar.
Robin Hahnel, emeritierter Ökonom und Mitbegründer des Konzepts, hat jüngst mit seinem Buch ‘Democratic Economic Planning’ (2021) eine aktualisierte und wissenschaftliche Ausarbeitung des Modells vorgelegt, in welchem er das Konzept nicht nur scharf von Zentralplanung und Marktwirtschaft abgrenzt, sondern auch die bekanntesten anderen neueren demokratischen Planungsvorschläge (u.a. Pat Devine, Dan Saros’ ‘Amazon Socialism’ und eben auch Cockshotts/Cottrells ‘Cyber Socialism’) würdigt und vor allem einer fundierten Kritik unterzieht.
Bleibt also zu hoffen, dass dieses Konzept künftig, auch in der deutschsprachigen Debatte, die Berücksichtigung findet, die es zweifellos verdient.