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Die Stadt Kobanê in Syrisch-Kurdistan hat sich zu einem weltweiten Symbol des Widerstands gegen die Banden des sog. Islamischen Staates (IS) entwickelt. Der entschlossene, heroische Verteidigungskampf der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und ihrer Verbündeten rief weltweit den Menschen in Erinnerung, dass der Krieg in Syrien andauert und täglich seine Opfer fordert. Große Teile der Linken in Europa, die bislang den revolutionären Prozess und den Krieg in Syrien weitgehend ausgeblendet hatten, begannen nunmehr, nach Syrisch-Kurdistan zu schauen. Mit der Schlacht um Kobanê hat auch die europäische Linke mit etwas Verzögerung den Kampf in Rojava für Selbstbestimmung entdeckt und auf ihre Fahnen geschrieben.
Der Widerstand in Kobanê, das weltweite Interesse, die Politik der USA und der europäischen Regierungen in Syrien und Irak werfen mehrere grundsätzliche Fragen auf. Warum konnte sich Kobanê, diese auf den ersten Blick ökonomisch eigentlich unbedeutende und geopolitisch uninteressante Stadt zu einem solchen Symbol entwickeln? Was bedeutet der Verlauf des Widerstands für die weitere Dynamik des Krieges im Irak und in Syrien sowie für die revolutionären Bewegungen in diesen Ländern und die Dynamik im Mittleren Osten? Welche Herausforderungen stellen sich einer zu entwickelnden Solidaritätsbewegung für Rojava und die demokratische Bewegung in Syrien? Das sind Fragen, die ich in diesem Diskussionsbeitrag erörtere und damit die Artikel von Dilar Dirik und Thomas Schmidinger in diesem Heft von Emanzipation ergänze.
Ich argumentiere, dass in Syrien, Irak und Kurdistan unterschiedlichste Konflikte und Frontlinien wie einem Brennglas aufeinandertreffen. Die Dynamik in Rojava kann nur innerhalb des Gesamtkontextes in Syrien und im Mittleren Osten erfasst werden. Deshalb muss sich auch die entstehende Solidaritätsbewegung mit diesem Kontext auseinandersetzen. Es ist weder sinnvoll für uns in Europa, noch hilfreich für die revolutionären Kämpferinnen und Kämpfer dort, den unterstützenswerten Prozess in Rojava zu idealisieren und aus dem Zusammenhang des demokratischen Aufbruchs, der antiimperialistischen Ambitionen und der Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit im Nahen und Mittleren Osten herauszulösen (…)