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Aus der Sicht des britischen Wirtschaftsmagazins The Economist (7. Juni 2003) gibt es angesichts der Wucht des Strukturwandels nur zwei Alternativen für die Gewerkschaften: «Adept or die – Passt euch an oder sterbt.» Aber: «Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?», heißt es bei Bert Brecht im «Lob der Dialektik».
Gewerkschaften sind organisierte Zusammenschlüsse von hauptsächlich abhängigen Erwerbspersonen mit dem Zweck, wirtschaftliche, soziale und politische Interessen ihrer Mitglieder in den Arbeitsbeziehungen und im politischen System zur Geltung zu bringen bzw. durchzusetzen. Die strukturelle Macht von Lohnabhängigen wird zum einen durch ihre Situation auf dem Arbeitsmarkt und zum anderen durch ihre spezifische Stellung im Produktionsprozess bestimmt.
Diese wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten nachhaltig geschwächt. Hohe Arbeitslosigkeit, industrieller Wandel, neue Technologien und die Globalisierung haben die Verhandlungsmacht der Unternehmen gegenüber den Beschäftigten enorm gesteigert. Dennoch haben die Gewerkschaften unbestreitbar für ihre Mitglieder in der Vergangenheit viel erreicht. Doch besonders seit der Krise 2009 kommt für die abhängig Beschäftigten immer weniger rum. Viele Branchen und Regionen sind heute gewerkschaftsfreie Zonen, noch nie waren in Deutschland so wenige Beschäftigte gewerkschaftlich organisiert. Noch immer bzw. immer mehr vertreten die Gewerkschaften in der Hauptsache die Interessen der Stammbelegschaften in den Großbetrieben und bekommen es nicht hin,bspw. prekarisierte Leih- oder Zeitarbeiter zu organisieren. Da sind doch Nachfragen dringend angesagt: Ist es richtig, wenn angesichts der Krise und leerer Staatskassen die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst niedrige Lohnforderungen stellen und die Metaller zur Gänze auf eine konkrete Entgeltforderung verzichten? Oder wie sonst sollten sich Gewerkschafter im real existierenden Kapitalismus bewegen? Wie wichtig ist der Organisationsgrad? Fragen über Fragen, die von existenzieller Bedeutung sind (…)