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Allein zwischen 1993 und 2003 haben die europäischen Gewerkschaften im Durchschnitt 15% ihrer Mitglieder verloren. Die DGB-Gewerkschaften machen hier keine Ausnahme. Gegenwärtig entspricht ihre absolute Mitgliederzahl in Gesamtdeutschland nur noch jener der West-Gewerkschaften von 1969/70. Sicher gibt es in jüngster Zeit auch positive Gegentendenzen. So hat die IG Metall erstmals seit vielen Jahren den Mitgliederrückstand stoppen können; die Zahl der Metaller in den Betrieben ist um 1,6% gewachsen. Vor allem bei jüngeren Beschäftigten konnte die größte Industriegewerkschaft erheblich zulegen (Infodienst 2009). Ob man deshalb bereits von einem «Comeback der Gewerkschaften» (Tagesspiegel, 1. 2. 2009) sprechen kann, bleibt indessen abzuwarten. Dass die Möglichkeit einer Revitalisierung von Gewerkschaften überhaupt wissenschaftlich ausgeleuchtet wird, ist ein Verdienst der sog. «Labour Revitalization Studies» (z.B. Turner/Cornfield 2007, Frege/Kelly 2004). In Kontrast zum fatalistischen Tenor vieler zeitgenössischer Analysen lenken sie das Augenmerk auf die strategische Wahl, auf die Möglichkeiten von Gewerkschaften, kreativ zu handeln und sich selbst zu erneuern.
Wie die mittlerweile umfangreichen Forschungen belegen, kann von einem linearen Niedergang der Arbeiterbewegungen und Gewerkschaften keine Rede sein (Brinkmann u. a. 2008, Silver 2005). Vielmehr zeichnet sich in- und außerhalb Europas ein verwirrendes Nebeneinander von Krisenphänomenen und – oft noch im Larvenstadium befindlichen – Erneuerungsprozessen ab.
Die internationale Debatte kreist um Begriffe wie Social Movement Unionism, Organizing und Campaigning. Sie reicht von methodischen Innovationen bei der Mitgliedergewinnung bis hin zu einem strategischen Organisationswandel ganzer Gewerkschaften. Doch handelt es sich bei all dem um mehr als um eine jener Moden, die nach ersten Misserfolgen genau so rasch verschwinden wie sie gekommen sind? (…)