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Mit jedem Tag, der verstreicht, und in den letzten Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit, wird es immer offensichtlicher, dass wir Zeug:innen einer neuen Ära des Aufstiegs der extremen Rechten auf globaler Ebene sind, ähnlich der Ära des Aufstiegs der faschistischen Kräfte zwischen den beiden Weltkriegen des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Bezeichnung „Neofaschismus“ wurde verwendet, um die zeitgenössische extreme Rechte zu bezeichnen, die sich unserer Zeit angepasst hat, weil sie sich bewusst ist, dass eine Wiederholung des faschistischen Musters des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr möglich ist, da es für die Mehrheit der Menschen nicht mehr akzeptabel ist.
Der Neofaschismus behauptet, die Grundregeln der Demokratie zu respektieren, anstatt eine nackte Diktatur zu errichten, wie es seine Vorgänger:innen taten, auch wenn er die Demokratie ihres Inhalts entleert, indem er die tatsächlichen politischen Freiheiten in unterschiedlichem Maße aushöhlt, je nach dem tatsächlichen Beliebtheitsgrad der jeweiligen neofaschistischen herrschenden Person (und damit deren Notwendigkeit, Wahlen zu manipulieren oder nicht) und dem Kräfteverhältnis zwischen ihr und ihren Gegner:innen. Es gibt heute eine breite Palette von Ausprägungen neofaschistischer Tyrannei, von nahezu absoluter Tyrannei im Fall von Wladimir Putin bis hin zu den Fällen, in denen noch ein gewisser politischer Liberalismus vorhanden ist, wie im Fall von Donald Trump und Narendra Modi.
Der Neofaschismus unterscheidet sich von traditionellen despotischen oder autoritären Regimen (wie der chinesischen Regierung oder den meisten arabischen Regimen) dadurch, dass er, wie der Faschismus des letzten Jahrhunderts, auf einer aggressiven, militanten Mobilisierung seiner Volksbasis auf einer ähnlichen ideologischen Grundlage beruht, wie sie seine Vorgänger:innen kennzeichnete. Diese Basis umfasst verschiedene Komponenten rechtsextremen Denkens: nationalistischer und ethnischer Fanatismus, Fremdenfeindlichkeit, expliziter Rassismus, aggressive Männlichkeit und extreme Feindseligkeit gegenüber aufklärerischen und emanzipatorischen Werten.
Es gibt zwei wichtige Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Faschismus. Erstens stützt sich der Neofaschismus nicht auf die paramilitärischen Kräfte, die für die alte Version charakteristisch waren – nicht in dem Sinne, dass es sie nicht gibt, sondern indem sie – wenn es sie gibt – in einer “Reserverolle” hinter den Kulissen gehalten werden. Zweitens erhebt der Neofaschismus nicht den Anspruch, „sozialistisch“ zu sein wie sein Vorgänger. Sein Programm führt nicht zur Ausweitung des Staatsapparats und seiner wirtschaftlichen Rolle, sondern lässt sich vom neoliberalen Denken inspirieren, wenn es darum geht, die wirtschaftliche Rolle des Staates zugunsten des Privatkapitals zu reduzieren. Die Notwendigkeit kann jedoch auch in die entgegengesetzte Richtung führen, wie es bei Putins Regime unter dem Druck der Erfordernisse des von ihm geführten Krieges gegen die Ukraine der Fall ist.
Während der Faschismus des 20. Jahrhunderts im Kontext der schweren Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg wuchs und mit der „Großen Depression“ seinen Höhepunkt erreichte, wuchs der Neofaschismus im Kontext der sich verschärfenden Krise des Neoliberalismus, insbesondere nach der „Großen Rezession“, die aus der Finanzkrise von 2007-08 resultierte. Während der Faschismus des vergangenen Jahrhunderts die nationalen und ethnischen Feindseligkeiten unterstützte, die im Herzen des europäischen Kontinents vor dem Hintergrund der abscheulichen rassistischen Praktiken in den kolonisierten Ländern herrschten, gedieh der Neofaschismus auf dem Mist rassistischer, fremdenfeindlicher Ressentiments gegen die steigenden Einwanderungswellen, die mit der neoliberalen Globalisierung einhergingen oder aus den Kriegen resultierten, die letztere anheizte, parallel zum Zusammenbruch der Regeln des internationalen Systems. Die USA spielten die Schlüsselrolle bei der Vereitelung der Entwicklung eines auf Regeln basierenden internationalen Systems nach dem Ende des Kalten Krieges und stürzten die Welt damit schnell in einen neuen Kalten Krieg.
Der Neofaschismus mag weniger gefährlich erscheinen als sein Vorgänger, weil er sich nicht auf paramilitärische Erscheinungsformen stützt und weil die nukleare Abschreckung einen neuen Weltkrieg unwahrscheinlich macht (aber nicht unmöglich: der Ukraine-Krieg hat die Welt näher an die Möglichkeit eines neuen Weltkriegs gebracht als alle anderen Ereignisse seit dem Zweiten Weltkrieg, selbst auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zu Zeiten der UdSSR). Die Wahrheit ist jedoch, dass der Neofaschismus in mancher Hinsicht gefährlicher ist als der alte. Der Faschismus des 20. Jahrhunderts stützte sich auf ein Mächte-Dreieck (Deutschland, Italien und Japan), das objektiv nicht in der Lage war, seinen Traum von der Weltherrschaft zu verwirklichen, und sah sich mit Mächten konfrontiert, die ihm wirtschaftlich überlegen waren (die USA und Großbritannien), sowie mit der Sowjetunion und der weltweiten kommunistischen Bewegung (letztere spielte eine wichtige Rolle bei der politischen und militärischen Bekämpfung des Faschismus).
Was den Neofaschismus betrifft, so nimmt seine Dominanz in der Welt zu, angetrieben durch die Rückkehr von Donald Trump als Präsident der USA in einem Gewand, das dem Neofaschismus sehr viel nähersteht als während seiner ersten Amtszeit. So ist die größte Wirtschafts- und Militärmacht der Welt heute die Speerspitze des Neofaschismus, mit dem sich verschiedene Regierungen in Russland, Indien, Israel, Argentinien, Ungarn und anderen Ländern zusammentun, während sich die Möglichkeit abzeichnet, dass neofaschistische Parteien in den großen europäischen Ländern (in Frankreich und Deutschland, nach Italien und sogar in Großbritannien) an die Macht kommen, ganz zu schweigen von kleineren Ländern insbesondere in Mittel- und Osteuropa.
Falls die Gefahr eines neuen Weltkriegs tatsächlich begrenzt bleibt, steht unsere Welt dennoch vor einer Bedrohung, die nicht weniger gefährlich ist als die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Der Neofaschismus treibt die Welt an den Abgrund – nicht zuletzt durch die unverhohlene Feindseligkeit vieler seiner Fraktionen gegenüber dringend notwendiger Umweltmaßnahmen. Diese Gefahr wird umso größer, da der Neofaschismus die Macht über die USA erlangt hat – jenes Land, dessen Bevölkerung im Verhältnis zu seiner Größe den höchsten ökologischen Fußabdruck der Welt hat.
Es gibt in der heutigen Welt kein Pendant zu dem, was die Arbeiter:innenbewegung mit ihren sozialistischen und kommunistischen Flügeln nach dem Ersten Weltkrieg war. Stattdessen leiden die Kräfte der Linken in den meisten Ländern unter Verkümmerung, nachdem die meisten von ihnen so sehr im Schmelztiegel des Neoliberalismus aufgegangen sind, dass sie in den Augen der Gesellschaft keine Alternative mehr zum Status quo darstellen. Oder sie sind nicht in der Lage, sich an die Erfordernisse unserer Zeit anzupassen und reproduzieren die Fehler der Linken des zwanzigsten Jahrhunderts, die zu ihrem historischen Bankrott führten. Aus all dem folgt, dass die Ära des Neofaschismus in mancher Hinsicht gefährlicher ist als die Ära des alten. Die junge Generation bleibt die zentrale Hoffnungsträgerin unserer Zeit. Bedeutende Teile von ihr haben klar Stellung bezogen – gegen Rassismus, wie er sich im zionistischen genozidalen Krieg in Gaza zeigt, für die Gleichwertigkeit aller grundlegenden Rechte und selbstverständlich für den Schutz unserer Umwelt.
Angesichts des globalen Aufstiegs des Neofaschismus ist es dringend notwendig, ihm entgegenzutreten, indem wir die breitesten Ad-hoc-Bündnisse zur Verteidigung der Demokratie, der Umwelt und der Rechte von Frauen und Migrant:innen bilden – getragen von der Vielfalt der Kräfte, die diese Ziele teilen. Gleichzeitig gilt es, eine globale Bewegung aufzubauen, die sich dem Neoliberalismus entgegenstellt und das öffentliche Interesse gegen die Vorherrschaft privater Interessen verteidigt.
Referenzen
Gilbert Achcar publizierte den Artikel “The Age of Neofascism and Its Distinctive Features” als englische Übersetzung des arabischen Originals, das in Al-Quds al-Arabi am 4. Februar 2025 erschien.
Bildquelle: Foto von Jorgen Hendriksen auf Unsplash