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Das Auftauchen einer neuen reformistischen Linken in Frankreich hat das Interesse an den politischen Konzeptionen von Jean Jaurès neu entfacht… Im Jahr 1905 schreibt Jaurès in seiner Einleitung zu einer Sammlung von Parlamentsreden (Le Radicalisme et le socialisme en 1885): «Ich war immer ein Republikaner, und ich war immer ein Sozialist: Die soziale Republik, die Republik der organisierten und souveränen Arbeit, war immer mein Ideal.» In einer Parlamentsrede im Jahr 1893 über den «Sozialismus und die Republik», präzisiert er diese innige Verwandtschaft: «Seid ihr nicht frappiert von der Universalität der sozialistischen Bewegung? Überall, in allen Ländern der Welt, bricht sie zur selben Stunde aus … weil nämlich diese Bewegung aus den Tiefen der Dinge selbst entspringt; weil sie nämlich aus unzählbaren Leiden entspringt, die bis dahin nicht zu gemeinsamer Beratung gelangt sind, die aber jetzt in einer befreienden Formel das begründende Moment ihres Bundes gefunden haben. Die Wahrheit ist, dass in Frankreich selbst, in unserem republikanischen Frankreich, die sozialistische Bewegung zugleich der Republik entsprungen ist, die ihr gegründet habt, wie dem ökonomischen Regime, das sich in diesem Land seit einem halben Jahrhundert entwickelt.»
Jaurès nimmt die Idee von Marx auf, derzufolge der Sozialismus durch die Entwicklung des Kapitalismus selbst vorbereitet wird; und er fügt eine wirkliche, aber doch auch problematische Kontinuität hinzu – die zwischen Republik und Sozialismus: «Ihr [die republikanische Mehrheit im Parlament] habt die Republik gemacht, und das gereicht euch zur Ehre … aber damit habt ihr zwischen der politischen und der ökonomischen Ordnung unseres Landes einen unerträglichen Widerspruch geschaffen. Im Rahmen der politischen Ordnung ist die Nation souverän und hat alle Oligarchien der Vergangenheit entmachtet; in der ökonomischen Ordnung ist die Nation vielen solcher Oligarchien unterworfen … Ja, durch das allgemeine Stimmrecht, durch die nationale Souveränität, die ihren endgültigen und logischen Ausdruck in der Republik findet, habt ihr aus allen Bürgern, einschließlich den Lohnabhängigen, eine Versammlung von Königen gemacht. Aus ihnen, aus ihrem souveränen Willen entspringen die Gesetze und die Regierung; sie setzen ab, sie sorgen für den Wechsel ihrer Mandatsträger, Gesetzgeber und Minister; doch zur gleichen Zeit, in der der Lohnabhängige Souverän in der politischen Ordnung ist, wird er in der ökonomischen Ordnung zu einer Art von Knechtschaft herabgewürdigt. Ja! In dem Moment, wo er Minister aus dem Amt jagen kann, wird er, ohne alle Garantien und ohne Zukunft, aus der Werkstatt gejagt.» (…)