Share This Article
Die Volksaufstände, die im Januar 2011 in Tunesien begannen und sich rasch über weite Teile des Nahen Ostens ausdehnten, haben den politischen Status quo in der Region dramatisch umgewälzt. Sie offenbarten eine bemerkenswerte Labilität der Regime in der arabischen Welt. Diese Regime, die sich lange Zeit auf Netzwerke aus Sicherheitspolizei (mukhabarat) und Schlägertrupps (baltajiya) stützten, haben in der Bevölkerung einen unerschütterlichen Pessimismus gegenüber möglichen Veränderungen geschürt. Doch ihre Kontrollmechanismen brachen innerhalb weniger Wochen zusammen, als Millionen von Menschen ihre Angst überwanden und auf die Straße gingen. Ein kritischer Wendepunkt wurde am 11.Februar 2011 erreicht, als der ägyptische Präsident Hosni Mubarak nach drei Wochen ständiger Demonstrationen und Mobilisierungen (und mehr als 800 Toten und Tausenden Verletzten) stürzte. Als Mubaraks Rücktritt in der ganzen Welt gefeiert wurde, war dies das Zeichen für weitere Aufstände in den Nachbarländern – einschließlich Bahrain, Libyen, Jemen, Marokko und Algerien.
Der Charakter dieser Aufstände lässt sich teilweise durch das arabische Wort Intifada ausdrücken – es bezeichnet ein Gefühl des «Abschüttelns». Aber die Bewegung, die, inspiriert durch das Ende des Ben-Ali-Regimes in Tunesien, Mubarak zu Fall brachte, hat viel mehr erreicht als die Entfernung eines verachteten Diktators. Als erstes machte die Reaktion der globalen und regionalen Staatschefs auf die Aufstände die wirkliche politische Dynamik sichtbar, die den Nahen Osten seit Jahrzehnten charakterisiert. Die Winkelzüge führender Politiker aus den USA, Europa und anderen Ländern in der letzten Wochen, bevor Mubarak zurücktrat, bestätigten die langjährige Unterstützung der westlichen Staaten für das Netzwerk autokratischer Regime in der Region. Arabische Staatschefs – allen voran der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas, der jordanische König Abdullah, die Herrscher von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – bestätigten offen ihre Unterstützung für Mubarak, gegen das ägyptische Volk. Auch Israels Ministerpräsident Binyamin Netanyahu stand fest hinter Mubarak – und offenbarte damit unverhohlen das Muster an gemeinsamen Interessen, welches das politische System des Nahen Ostens prägt (…)