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Runde Jubiläen werden bekanntlich gerne pompös gefeiert. Und ein 30. Geburtstag ist dabei noch einmal etwas ganz Besonderes. Zur 30. Weltklimakonferenz, der COP30, wollte sich aber keine echte Feierlaune einstellen, auch wenn sie nach wie vor eine Menge Aufmerksamkeit genießt. Warum eigentlich? Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif hatte bereits im November 2024 so simpel wie eindeutig begründet, warum das gesamte COP-Format überflüssig geworden ist: „Wir haben 28 Konferenzen hinter uns und die Emissionen sind explodiert. Die COP ist ein Spektakel, das dem Klima bisher nichts gebracht hat“. Wohl wahr! Umso erstaunlicher ist es, dass sich noch immer nicht wenige und nicht unbedeutende Klima- und Ökoaktivist:innen auf die COP-Logiken einlassen und eifrig daran mitwirken, deren Ergebnisse letztlich schön zu reden. Fast ist man gewillt, einen antikommunistischen Klischeespruch aus dem vergangenen Jahrhundert zu paraphrasieren; ‘Wer nach 20 Jahren nicht an die COP glaubt, hat kein Herz, wer nach 30 Jahren noch an die COP glaubt, keinen Verstand’. Aber diese Analogie hinkt und zwar auch jenseits der zweifelhaften Herangehensweise ‘Herz und Verstand’ gegeneinander auszuspielen. Denn wenn sich bedeutende Teile der fast zur Bedeutungslosigkeit geschrumpften Klimabewegung noch immer an das COP-Format klammern und auch am dazugehörigen positiven Messaging der CanDo-NGOs festhalten, dann dürfte das in den meisten Fällen nicht am fehlenden Verstand liegen, sondern vielmehr an schierer Verzweiflung. Denn tatsächlich ist mittlerweile die gesamte Strategie der Klimabewegung – und zwar inklusive ihres linken Flügels – obsolet geworden. Zu ihrem 20-jährigen Bestehen hatte die COP sich auf ihrem Treffen in Paris auf das seither vielbeschworene ‘1,5 Grad-Ziel’ geeinigt, auch wenn es bei genauerer Lektüre eigentlich nur ein ‘deutlich unter 2 Grad Ziel’ ist. Dieser Erfolg war – so wissen wir spätestens jetzt – von vornherein ein Pyrrhussieg, denn die entscheidende Frage wurde seinerzeit bewusst ausgeklammert und kann auch heute, also 10 Jahre später, nicht beantwortet werden. Wie soll(te) dieses Ziel eigentlich erreicht werden? Wie gelingt der schnelle Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas und die Ersetzung dieser fossilen durch regenerative Energieträger? Und vor allem: wie gelingt diese Transformation, bevor wir die 1,5 Grad Erderhitzung erreichen, die aller Wahrscheinlichkeit nach biophysikalische Kipppunkte im Erdsystem mit sich bringen wird!?
Die Rat- und Tatenlosigkeit nach dem Pariser Abkommen von 2015 führte dazu, dass es der Klimabewegung ab 2018 gelang zur Massenbewegung zu werden. Man forderte die Einhaltung des Pariser Abkommens und eine beschleunigte Energiewende. Da der Markt auf sich gestellt dazu offensichtlich nicht in der Lage war, setzte man vor allem auf internationale Regelwerke, Anschubfinanzierungen, einen ‘Green New Deal’ und dergleichen, immer aber mit der Vorstellung, gemeinsam mit gewissen Kapitalfraktionen, eine grüne Modernisierung loszutreten. Was in der Theorie gut klang, stieß in der Praxis sofort an seine Grenzen. Erneuerbare mögen mancherorts zwar kostengünstig sein, doch sie sind weniger profitabel als die fossilen Energieträger. Zudem weisen sie eine Reihe von Kennzeichen auf, die sie für die Kapitalakkumulation vergleichsweise unattraktiv machen (geringere Energiedichte, geringere Energieernte, zeitliche Fluktuation, dezentrale Installation). Angesichts der internationalen Konkurrenz darf kein Staat seine Wirtschaft in eine unvorteilhafte Situation bringen. Dieses Problem konnte die COP offensichtlich nicht lösen. Vor dem Hintergrund rasanter geopolitischer Verwerfungen ist es mittlerweile komplett aussichtslos, noch auf diese Option zu setzen. Das Kapital fließt dahin, wo die höheren Profite winken. Auf der Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise kann der fossile Backlash also durchaus rational erklärt werden. Vor allem wenn man bedenkt, dass jedes einzelne Kapital – bei Strafe des Untergangs – wachsen muss und dass dieses Wachstum nach wie vor auf ein stetes Energiewachstum angewiesen ist. Allem Gerede über Nachhaltigkeit zum Trotz ist der globale Energiebedarf in den letzten Jahrzehnten aber kontinuierlich gestiegen und wird dies – allen realistischen Prognosen nach – auch weiterhin tun. Um diesen Energiehunger zu stillen, sind die Erneuerbaren mittlerweile eine willkommene und sogar nötige Ergänzung zur fossilen Energiebasis. Und genau auf dieser Ebene lässt sich auch das alljährliche COP-Spektakel erklären. Es geht hier gar nicht um das Abwickeln der fossilen Industrien und eine grüne Transformation, sondern um eine Industriemesse für den Zubau erneuerbarer Energien und die weitere Nutzung von Kohle, Öl und Gas.
Die Unmöglichkeit der grünen Modernisierung stürzte die Klimabewegung in eine Krise, von der sie sich bisher nicht erholt hat. Weite Teile der Bevölkerung haben das Thema nun abgeschrieben obwohl, oder gerade, weil es nun schnellstmöglicher Veränderung bedarf und niemand weiß, wie sich diese durchsetzen lassen. Schon das Wort Klimaschutz ist dabei gemeinhin zu einem Synonym dafür geworden, dass zwar alles teurer wird, dem Klima aber doch nichts nützt. Auch die aktionstechnische Radikalisierung von Teilen der Klimabewegung führte eher zum Gegenteil von dem, was man sich erwünscht hatte. Das zeigten die Kamikaze-Aktionen der Letzten Generation. Was nunmehr von der Bewegung übriggeblieben ist, fristet ein resigniertes Schattendasein. Scheinbar kann man als Aktivist:in nur noch zwischen zwei Formen der Kapitulation wählen. Während die einen eine ‘Kollapsbewegung’ aufbauen wollen, um sich auf die Katastrophe vorzubereiten, versuchen die anderen sich in ‘Klimapragmatismus’ oder ‘Klimarealismus’, wie gerade wieder beim COP-Gipfel. So verständlich beide Ansätze angesichts der niederschmetternden Gegebenheiten auch sein mögen, letztlich laufen sie beide ins Leere. So unvorstellbar es gerade auch erscheinen mag. Die Sackgasse und die Resignation, in der die Reste der Klimabewegung gerade stecken ist nur eine Widerspiegelung der gesamtgesellschaftlichen Sackgasse und Resignation. Ein Befreiungsschlag könnte nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive gelingen. Einer Vision von einer alternativen gesellschaftlichen Entwicklung von der man die Mehrheit der Lohnabhängigen überzeugen müsste. Dies aber kann keine grüne Modernisierung dieser Gesellschaft sein, weil Staatenkonkurrenz und Profitzwang stets auf fossile Energien zurückführen und es bei den bescheidenden Modernisierungen innerhalb dieser Gesellschaft stets die Lohnabhängigen sind, denen dabei das Fell über die Ohren gezogen wird.
