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Das Erdsystem verändert sich derzeit so schnell wie seit Beginn des Ackerbaus nicht mehr – und diese Veränderungen vollziehen sich weit schneller, als die Gesellschaft zu lernen und zu handeln bereit ist. Dieser Befund bestätigt sich aktuell auf bedrückende Weise. So erklärte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung das erste Halbjahr 2025 zum trockensten seit Beginn der Niederschlagsmessungen vor über 130 Jahren. Doch damit nicht genug: Europa ächzt bereits im Frühsommer unter einer ersten Hitzewelle. Mit 46 °C im spanischen El Grado wurde im Juni ein neuer Hitzerekord aufgestellt. Dürren und Hitzeperioden gehen mit Waldbränden, Gletscherschmelze, einem steigenden Meeresspiegel und Flutkatastrophen einher.
Doch auch wenn die Erderhitzung aufgrund dieser jüngsten Extremwetterereignisse wieder einmal in den Schlagzeilen war, ist es um ernst gemeinte Ideen, wie ein schnellstmöglicher Ausstieg aus den fossilen Energien aussehen könnte, still geworden. Die Vorstellung einer grünen Modernisierung des Kapitalismus kann inzwischen als gescheitert gelten. Dafür gibt es klare Belege: Die 16. Auflage des im Juni veröffentlichten Berichts „Banking on Climate Chaos“ zeigt, in welchem Ausmaß die 65 größten Banken weltweit über 2.700 Kohle-, Öl- und Gasunternehmen mit Kapital versorgen. Diese Zahlen sind noch furchteinflößender als die jüngsten Unwetter. Seit dem Pariser Klimaabkommen vor zehn Jahren haben Banken fossile Industrien mit insgesamt 7,9 Billionen Dollar ausgestattet. Besonders alarmierend ist, dass diese Kredite zuletzt sogar wieder wuchsen: Allein von 2023 auf 2024 stiegen die Finanzierungen für fossile Brennstoffe um 162 Milliarden Dollar.
Auch wenn die US-Bank JP Morgan Chase mit 53,5 Milliarden Dollar der größte fossile Geldgeber bleibt, lohnt ein Blick nach Europa. An der Spitze dieser unheilvollen Liste stehen Barclays und HSBC aus Großbritannien, die spanische Santander, die französische BNP Paribas und die Deutsche Bank. Letztere rangiert mit 14,3 Milliarden Dollar zwar nur auf Platz fünf, hat diese Summe aber innerhalb von zwei Jahren um fast ein Drittel gesteigert. Während das Erdsystem einen konsequenten Ausstieg aus den fossilen Energien verlangt, passiert faktisch das Gegenteil.
Auch die Politik hat diesen massiven fossilen Backlash längst vollzogen. Es reicht jedoch nicht, nur auf Trump oder Putin zu zeigen – ein Blick vor die eigene Haustür lohnt sich hier ebenfalls. Umweltaktivist:innen haben errechnet, dass die geplanten Maßnahmen im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung klimaschädlichen Subventionen von 9 bis 15 Milliarden Euro entsprechen würden. Wahrscheinlich fällt diese Summe sogar höher aus als die geplanten Investitionen von 10 Milliarden Euro jährlich aus dem Klimatransformationsfonds. Die etablierte Politik hat also auch hierzulande langsam, aber sicher den Anspruch aufgegeben, auch nur so zu tun, als könne man der Erderhitzung noch etwas entgegensetzen.
Trotz – oder gerade wegen – dieser düsteren Entwicklungen scheint die Klimabewegung momentan wie gelähmt. In ihrem letzten Aufschwung gelang es ihr nicht, sich jenseits des Projekts einer grünen Modernisierung des Kapitalismus zu positionieren und größere Teile der lohnabhängigen Bevölkerung anzusprechen. Außerdem hat sie es verpasst, sich als eigenständige Akteurin zu etablieren, und wurde stattdessen durch ihre NGOisierung sowie hierzulande durch ein De-facto-Bündnis mit den Grünen aufgerieben. Spätestens in der Energiekrise wurde Klimaschutz für viele Menschen zum Synonym für steigende Preise. Tatsächlich führte die „wirtschaftsfreundliche Umweltpolitik“ der letzten Jahre zu wenig Klimaschutz, dafür aber zu deutlich höheren Lebenshaltungskosten. Die daraus resultierende Unsicherheit und Unzufriedenheit wurden wiederum genutzt, um soziale und ökologische Fragen gegeneinander auszuspielen. Eine ökosozialistische Perspektive, die eine radikale Transformation gesellschaftlicher Arbeit ins Zentrum stellt, könnte diesen gordischen Knoten durschlagen. Denn letztlich sind die Kredite, die Banken auf Grundlage der Kapitalverwertung vergeben, nichts anderes als ein Anspruch auf künftige gesellschaftliche Arbeit. Wer also den fossilen Wahnsinn beenden will, wird nicht umhin kommen künftig verstärkt auf Klassen-, Eigentums- und Machtverhältnisse zu fokussieren.