Kein neues Memorandum in unserem Namen!
Erklärung des Red Network
(Teil der Linken Plattform von SYRIZA)
15.7.2015
Nur eine Woche nach dem massiven „Ochi!“ (Nein!) [61,3 %] im Referendum vom 5. Juli sind der führende Kern der Regierung und Alexis Tsipras von Verhandlungen in Brüssel zurückgekehrt, in denen sie einem gigantischen Memorandum zugestimmt haben, das sozial und finanziell härter ist als die beiden vorausgegangenen [2010 und 2012] und einen weitaus stärkeren kolonialen Charakter hat.
Tsipras und die Regierung haben das gewaltige „Ochi“ der griechischen Bevölkerung verraten, indem sie ein Abkommen abgeschlossen haben, das schlimmer ist als der Vorschlag von Juncker, der im Referendum auf Drängen der Regierung abgelehnt worden war.
Mit seinen beispiellosen kolonialen Klauseln vollendet dieses Memorandum die verhängnisvolle Aufgabe, Griechenland in eine Schuldenkolonie innerhalb der EU zu verwandeln. Es ist eine Schande für die Linke, denn die Zustimmung erfolgte in ihrem Namen und durch die Führung einer Partei der Linken und durch eine Regierung, die von dieser Partei dominiert wird, die die Regierungsgewalt gerade wegen ihrer historischen Verpflichtung errang, die Memoranden abzuschaffen und die Sparpolitik abzulehnen.
Dies wird eine zerstörerische Auswirkung auf SYRIZA selbst haben, indem sie dazu erpresst wird, eine Verfechterin der Durchsetzung der Sparpolitik zu werden; ihre Verbindungen zur werktätigen Mehrheit der Bevölkerung zu lockern und sich gegen sie zu wenden; sich in eine sozialliberale Partei der Sparpolitik und des Autoritarismus zu verwandeln.
Das neue Memorandum ist ein doppelter Schlag gegen die fundamentalen Prinzipien der Linken und ihre moralische Kraft, indem die Menschen betrogen werden, die den langjährigen Versprechen geglaubt haben, die Memoranden abzuschaffen und die Sparpolitik zu überwinden, aber auch all diejenigen, die zu dem enormen „Ochi!“ des Referendums beigetragen haben.
Es ist eine Beschönigung des Systems der Sparpolitik und seiner Parteien, indem ihnen die Chance gegeben wird zu behaupten, dass SYRIZA und die Linke ein Memorandum zustande gebracht haben, das schlimmer ist als ihr eigenes. Es behindert uns im Kampf gegen den lokalen und internationalen Kapitalismus, denn es lässt ihn allmächtig erscheinen, fähig eine linke Regierung zu demütigen und zu zerstören.
Doch wenngleich dies alles Gefahren sind, die aus diesem Abkommen herrühren, und seine ersten Folgen bereits sichtbar sind, so ist der Kampf für seine Annullierung doch nicht vergebens. Im Gegenteil, das Potenzial für die Blockierung und Annullierung des neuen Memorandums, aber auch für das Hissen des linken Banners, auf das manche in krimineller Weise treten wollen, ist groß!
Die Menschen des „Ochi!“ – diese massive Kraft und Klassenallianz der Lohnabhängigen, der Armen und der Jugend, die im Kampf um das Referendum zutage trat, besteht weiter. Dies ist für uns der Beweis, dass der Wille zum Kampf ebenso wie die Wut über ihre Lage nicht nur nicht abgeklungen ist, sondern an der Basis der Gesellschaft zugenommen hat. Die Führung des Kampfes gegen das neue Memorandum kann in neue Hände geraten! Das bedeutet, dass der Kampf mit demselben Ziel wie bisher weitergehen wird: Abschaffung der Memoranden und ein Ende der Sparpolitik.
Und auch SYRIZA – die linke SYRIZA mit ihrer radikalen Seele – existiert weiterhin. Die Regierung und die Gemäßigten in der Partei betrachten sie zurecht als ein Hindernis für die Durchsetzung und Verwirklichung des neuen Memorandums und drohen mit Disziplinarmaßnahmen und Ausschlüssen. Sie verlangen Gefolgschaft gegenüber den Parteibeschlüssen.
Aber was für die Linke vor allem zählt ist Gefolgschaft entsprechend ihrem Programm und ihrer politischen Strategie – darunter Abschaffung der Memoranden, Überwindung der Sparpolitik, Ablehnung der Schulden und die Durchsetzung der elementaren Maßnahmen, wie sie im SYRIZA-Programm von Thessaloniki formuliert sind –, Gefolgschaft gegenüber den unverletzlichen Prinzipien und Werten der Linken und Gefolgschaft gegenüber den kollektiven Entscheidungen, die getroffen wurden, um sie zu verwirklichen.
Wir sind die SYRIZA, die an alldem festhält und diejenigen zur Disziplin ruft, die es wagen, auf das doppelte Mandat der Bevölkerung und die Prinzipien, Werte und kollektiven Entscheidungen von SYRIZA mit Füßen zu treten. Für die Linke bedeutet Disziplin nicht Disziplin gegenüber den willkürlichen Beschlüssen des „Führers“ und des engen Zirkels um seine Person!
Jetzt ist die Zeit gekommen für diese SYRIZA in den Kampf zu treten und die verheerende Entscheidung, ein neues Memorandum abzuschließen, zu durchkreuzen.
Unser Kampf ist gleichzeitig ein Kampf gegen Demoralisierung und Enttäuschung – für ein neues Engagement unsererseits im Massenkampf. Nicht durch Moralisieren und nicht, weil es unsere „Pflicht“ ist, sondern auf der Basis von sowohl Vernunft und Fantasie, basierend auf der realistischen Annahme, dass wir siegen können!
Zusammen können die Menschen des „Ochi!“ und die Partei des „Ochi!“, die SYRIZA ist – die Kräfte von SYRIZA, aber auch die Kräfte der restlichen Linken, für die „Nein“ „Nein“ bedeutet und nicht ein „Vielleicht“ werden kann oder, schlimmer noch, ein „Ja“ – in diesen Kampf eintreten und ihn auch gewinnen!
Aus dem Englischen und Französischen übersetzt von Hans-Günter Mull
http://socialistworker.org/2015/07/15/no-new-memorandum-in-our-name